Noch ist es eine Weile hin bis zum Super Bowl Finale Anfang Februar. Im Moment befinden wir uns in Woche 12 der regular season und aufgrund der Erweiterung der Spielzeit um eine zusätzliche Partie werden wir immerhin noch mindestens weitere sechs Spiele der Raiders bestaunen können. Bei einer bisherigen Ausbeute von 6-5 Siegen können die Silver&Black ihre Saison also mit maximal 12-5 beenden, im schlimmsten Fall mit 6-11 Siegen. Irgendwo dazwischen dürfte am Ende die realistische Ausbeute liegen. Die Raiders müssen um die Playoffs wahrscheinlich bis zum letzten Spieltag kämpfen. Wie erfolgreich sie bis dahin oder auch danach sein werden, dürfte sich entscheidend auf wichtige strategische Zukunftsfragen auswirken. Welche Kernfragen sich die Raiders also – unabhängig von einem positiven oder negativen Saisonende – stellen müssen, soll im Folgenden kurz angerissen werden.
Bleibt Rich Bisaccia unser Head Coach?
Bisaccias Einstand war mit zwei Siegen in seinen ersten beiden Partien als NFL Head Coach mehr als passabel, nach den bitteren Folgeniederlagen gegen die Giants, Chiefs und Bengals kamen allerdings erste kritische Stimmen zur Zukunft des Interimstrainers auf. Bisaccia, seinerseits ein Mann mit Langzeiterfahrung im Coaching-Gewerbe (hat über 40 Jahre Trainererfahrung), war die längste Zeit in der NFL Position- oder Special Teams Coach und hat in seiner Karriere mehrere Jahre mit Jon Gruden verbracht. Sein Spielsystem ist also noch arg „Gruden lastig“, weswegen wir Fehler aus Grudens System nahezu identisch in Bisaccias System sehen. Für die Spieler ist Bisaccia so etwas wie eine Vaterfigur. Mindestens jedoch eine Führungsfigur, schwärmten doch in der näheren Vergangenheit mehrere Spieler über seine Art zu coachen und seine Lockerheit, die sich positiv auf die Professionalität seiner Spieler auf dem Platz auswirke. Dennoch steht und fällt Bisaccias Erfolg mit dem Erreichen der Playoffs. Und das weiß auch Mark Davis. Die Devise hat sich trotz Grudens Weggang nicht geändert. Erreichen die Raiders ihr Ziel (mindestens eine Playoff Teilnahme) nicht, so kann man sich auf einschneidende Änderungen gefasst machen. Während Defensive Coordinator Gus Bradley wohl einen sicheren Job auch im nächsten Jahr hat – immerhin führte er die Defense vom Ligakeller in die Top 15 – könnte Bisaccias Rolle von einem Nachfolger besetzt werden. Sollten die Raiders die Playoffs erreichen, ist wohl davon auszugehen, dass auch Bisaccia weiter Head Coach bleibt.
Was passiert mit Mike Mayock?
Ein weiterer Posten, der nach der Saison von Team Owner Mark Davis definitiv erörtert werden wird ist der des General Managers. Den Titel trägt im Moment Mike Mayock, seines Zeichens ehemaliger Draft-Analyst und Football-Experte, der allerdings mehr im TV erschien als in wirklichen Rollen bei NFL Teams. Seit Mayock den Job hat ging es drunter und drüber bei den Raiders. Relocation, Draft Busts, Antonio Brown, Trent Brown, Gruden, Ruggs, Arnette, mehrmaliges Verfehlen der Playoffs – alles keine Markenzeichen mit denen man werben will. Doch der (teilweise) Misserfolg bei der Kaderzusammenstellung und insbesondere den Drafts der letzten Jahre ist nicht allein auf Mayock zurückzuführen. Vielmehr könnte man gespannt sein, wie sich im kommenden Jahr eine Offseason ohne Gruden bemerkbar machen würde. Wer hatte letztlich die Oberhand in der Gestaltung des Teams, Gruden oder Mayock? Und wenn es Gruden war, wie viele der „guten“ Dinge gingen letztlich auf Mayock zurück? Crosby? Hobbs? Mullen? Wie viel Mitsprache hatte er hingegen in dem was wir offensichtlich Gruden als Verfehlung zuschreiben? Wenn man Mayock eine Saison als alleinigen Verantwortlichen „testen“ könnte, wäre eine Gesamtevaluation deutlich aussagekräftiger. Dennoch: Mark Davis geizte nicht mit mahnenden Worten und hat schon mehrfach betont, diese Saison würde es zählen. Für Gruden und Mayock. Da Ersterer nicht mehr im Team ist, stellt sich bei Letzterem wohl erneut die Zukunftsfrage. Wenn, ja wenn die Raiders es wieder nicht schaffen mit den Playoffs…
Wer wird Number One Receiver?
Obwohl die Raiders nach Henry Ruggs mit DeSean Jackson für Verstärkung sorgten ist es kein Geheimnis, dass man sich als Team mit Playoff-Aspirationen im WR Corps verbessern muss. Die Raiders haben mit Hunter Renfrow den möglicherweise besten Slot Receiver der Liga und TE Darren Waller steht dem in nichts nach. Dennoch fehlt hier momentan die Tiefe im Kader und Jacksons Ein-Jahres-Vertrag könnte zwar verlängert werden, ob Jackson allerdings mit bald 35 Jahren dann noch ein Top Performer sein kann, scheint mehr als fraglich. Bryan Edwards konnte zwar in einigen Spielen überzeugen und schlägt sich in seinem zweiten Jahr durchaus akzeptabel, dennoch sieht man selten seine big play ability aufkeimen. WR Zay Jones ist wirklich ein Spieler für die Kadertiefe, weswegen der große Star, die wahre Nummer Eins, momentan noch fehlt. Abhilfe könnte hier die Free Agency oder der Draft schaffen. Die Gerüchte um Packers WR Davante Adams kamen bis zur Trading Deadline vor wenigen Wochen nicht zur Ruhe. Er wäre ein Kandidat, für den die Raiders durchaus bereit wären einen hohen Preis zu zahlen. Weitere Free Agents im kommenden Jahr sind unter anderem: Allen Robinson, Chris Godwin, Will Fuller oder *hust* Antonio, ähm, ja ok ... Auch im kommenden Draft gibt es wieder einige Optionen für Las Vegas. Ohio State WR Chris Olave beispielsweise oder Penn States Jahan Dotson sind hier zu nennen. Wie die Raiders diese Lücke adressieren werden ist derzeit noch nicht klar. Fakt ist aber, dass wir wahrscheinlich einen großen Namen in der Receiver-Gruppe sehen werden, wenn es nächsten September wieder zum Saison-Kickoff geht.
Welche Units brauchen einen Rebuild?
Vielleicht ist es angesichts der noch laufenden Saison zu früh zu fragen, welche Units eine komplette Neustrukturierung brauchen, fest steht allerdings, dass sich die Raiders in einigen Bereich verstärken müssen. Während der Pass Rush das erste Mal in Jahren in Liga-Topform aufläuft, die QB-Frage halbwegs klar sein dürfte, wir uns in der Secondary deutlich verbessert haben und auf individueller Ebene einige Hochglanzspieler auf unterschiedlichen Positionen haben, gibt es dennoch Mannschaftsteile, die sich noch in einer Transition befinden oder in denen massiv geschlampt wird. Die Offense Line ist dabei das größte Problem und insbesondere in der Mitte oder auf der rechten Seite noch deutlich ausbaufähig. Sowohl in die Tiefe, als auch bei den Startern. Während Center Andre James sich mittlerweile etwas gefangen hat, sorgen andere weiterhin für Verwirrung. Am deutlichsten sind die Probleme bei den vielen Zuordnungsschwierigkeiten, also in der Kommunikation, bemerkbar und bei den unzähligen Strafen. Bis auf Kolton Miller lässt sich bei jedem anderen Line-Spieler eine gewisse Untauglichkeit konstatieren. Leatherwood spielte extrem schwach in seinen ersten Auftritten. John Simpson auf LG ist ein Unsicherheitsfaktor und Spieler wie Elemuanor eigentlich nur Reservisten. Die Raiders brauchen hier Verstärkung und Erfahrung. Einen älteren Haudegen zu holen scheint hier eine gute Option und wenn man keinen Gassenhauer findet, könnten die Raiders hier ein ähnliches Konzept fahren wie vor dieser Saison mit der D-Line. Hol dir einfach ein paar Veteranen zu viel rein und warte ab was passiert – einer wird schon zu guter Form auflaufen und „uns retten“. In der Free Agency wären unter anderem Leute wie Germain Ifedi, Brendan Sherff oder Andrew Norwell zu haben. Die O-Line Prospects im nächsten Draft sind in meinen Augen die interessantesten seit Jahren. Zumindest wird es auf den Positionen sehr viel Tiefe geben und man kann hier getrost auch in der zweiten oder dritten Runde zugreifen. Die Raiders dürfen sich diese Chance nicht nehmen lassen. Denn Leute wie Richie Incognito werden wir eventuell nie wieder im Raiders Trikot sehen. Und mit dieser stark verjüngten Truppe lassen sich derzeit allenfalls einzelne Spiele gewinnen – mehr jedoch auch nicht.
Welche Optionen könnte der kommende NFL Draft 2022 für die Raiders bereithalten?
Nach desaströsen Drafts in den letzten Jahren sind zwei Dinge sicher: Der Draft an sich ist ein Lotterie-Spiel. Und es lassen sich auch in den hinteren Runden Starspieler finden. Anders wäre es kaum zu erklären, dass die Raiders, die in den letzten Spielzeiten mehr Erstrunden-Picks als jedes andere Team in den Sand setzten, überhaupt noch wettbewerbsfähig sind. Wer über den Draft die Zukunft der Franchise bilden will ist gut beraten ungeplante Risiken zu minimieren. Das konnten die Raiders eher nicht so gut bisher. Die beiden Erstrunden-Picks des 2020er Drafts (Ruggs, Arnette) sind nicht mehr im Team, aus der McKenzie-Ära befinden sich kaum noch Spieler im Kader. Der Rebuild war also einschneidend seitdem die Franchise vor zwei Jahren nach Las Vegas gekommen ist. Dennoch kann man Mayock und Co. auch bescheinigen in den mid- und late-rounds viele Spieler geholt zu haben, die heute Stützen des Teams sind. Im kommenden Draft haben die Raiders 10 Picks. Also mehr als die eigentlichen sieben, die im Durchschnitt jede Mannschaft hat, wenn sie sich die besten Spieler aus den College Ligen holen können. Mehr Draft-Kapital bedeutet mehr Spieler. Mehr Spieler bedeuten eine größere Chance, dass einer dabei ist, der eine breakout season spielt. Durchaus ein Erfolgsrezept mit dem man über die Runden kommen kann. Dennoch sollten die Raiders ihre Auswahl in den ersten Runden nicht wieder versauen. Hier gibt es je nach Bedarf und Evaluierung auch einige Highlights. Für die Raiders werden wahrscheinlich, wie oben angesprochen, folgende Positionen von Wichtigkeit sein: O-Line, WR, Interior D und die Linebackers. Je nachdem welche Draft-Strategien gefahren werden und wie die Free Agency verläuft, gibt es eine größere Auswahl an Spielern, die hier in Frage kommen könnten.
Im kommenden Frühjahr dürft ihr auch gerne auf meine in-depth Analysen gespannt sein, bei denen ich einen Großteil der Rookies der nächsten Saison vorstellen werde.