In der letzten Podcast-Folge habe ich betont, dass die Raiders ihr Spiel gegen das Washington Football Team unbedingt gewinnen müssen, um im Playoff-Rennen der AFC Conference bestehen zu können und sich im starken Teilnehmerfeld behaupten zu können. Abermals jedoch verloren sie gegen ein schlagbares Team und besiegten – wer hätte es gedacht – allen voran sich selbst. Nach der erneuten Pleite stellen sich einige Fragen für die Zukunft der Franchise und einige Personalien geraten zunehmend in Kritik. Ein Kommentar.

Die 17-15 Niederlage am Sonntag Abend zeigte, dass Las Vegas – momentan mit 6-6 Siegen zwei Spiele hinter einem Playoff-Platz – noch einen weiten Weg bestreiten muss. Dieser dürfte nun im Gegensatz zu den Vorwochen vom Hoffen auf Niederlagen anderer Teams begleitet werden. Aus eigener Kraft die Teilnahme an der KO-Runde zu schaffen dürfte angesichts der desolaten Leistungen der letzten Wochen ein schwieriger Akt der Selbstbehauptung werden. Der Ruf nach einer Siegesserie muss nun laut werden. Die einzige Möglichkeit, bevor die Raiders wohl gezwungen sind Umbaumaßnahmen an ihrem Team vorzunehmen. Im Folgenden werden einige Fragen skizziert, die sich die Verantwortlichen nun stellen müssen und die auch der Raider Nation auf dem Herzen liegen.

Wer hat Schuld an der Niederlage gegen Washington?

Football ist ein Mannschaftssport. Und wer das Spiel am Sonntag studiert hat weiß, dass die Mannschaft gemeinsam verloren hat. Deshalb verurteile ich jegliche Kritiker, die einfach nur bei jeder Niederlage per se auf Derek Carr eindreschen. Ich habe über die Jahre gesehen, dass Carr mindestens die Hälfte aller Niederlagen ausbaden musste, obwohl eklatante Fahrlässigkeiten in anderen Mannschaftsteilen begangen wurden, die in ihrer Summe Carr fast immer entlasteten. Auch gegen Washington würde ich keine voreiligen Schlüsse ziehen und mich eher bedeckt halten, wenn es um das erneute Aufkommen der Quarterback-Frage geht. Dennoch: Derek Carr war erschreckend schwach. Und mit ihm steht und fällt der Erfolg der Raiders. Es ist an der Zeit für Derek, dass jedes Spiel zu seinem persönlichen Endspiel wird. Dennoch bin ich auch auf andere Teile der Mannschaft sauer. Und auf die Schiedsrichter-Crew. Ausreden, würden manche lamentieren. Der fact check sagt aber nun mal, dass die Referees in kritischen Plays (einmal mehr) nicht auf Seiten der Raiders waren. Bestes Beispiel, als Maxx Crosby für roughing the passer gecallt wird und gleichzeitig eine massive Facemask-Strafe gegen Hobbs nicht geahndet wird. Oder als Abram eine 15-yd.- Strafe wegen unnecessary roughness bekommt, obwohl er sichtbar zum Ballträger geht. Soll er sich vom heranstürmenden O-Liner kaputt machen lassen? Unglaublich, wie schlecht die Officiating Crews in dieser Saison gegen die Raiders pfeifen. Dennoch, Fehler wurden überall gemacht, beispielsweise die nicht gefangene Interception von Trevon Moehrig. Die schlechte Ausbeute (erneut) von Brandon Parker, der in jedem vierten Spielzug eine Drucksituation zuließ. Warum die Raiders weiterhin an ihm festhalten? Eine Farce. Gegen Washington sahen wir einen Gegner, der wie erwartet nach vorne wenige big plays machte, aber erneut wenig Punkte zuließ. Washington war gut, konzentriert und spritzig. Sollte man sicher im Hinterkopf haben. Aber: Washington ist auch kein Top-Team! Zu viele individuelle Fehler auf Seiten der Raiders, Disziplinlosigkeit und das Begehen der immer gleichen Malheure lassen den Eindruck zu, die Raiders hätten allen voran wieder sich selbst geschlagen. Die Schuldfrage auf einzelne Spieler zurückzuführen ist jdaher etwas übertrieben. Im Football wird als Team gewonnen. Und eben auch verloren. Josh Jacobs, der seine Teamkollegen für den erneut schwachen Start ins Spiel kritisierte, fasste die Situation mit folgenden Worten zusammen und beschrieb dabei wie seine Kollegen auf dem Feld agierten: „Stiff and dull“ – zu Deutsch: Steif und stumpf. Dies trifft wohl tatsächlich auf mehrere Mannschaftsteile zu.

Ist Derek Carr der richtige Mann für die Position des Franchise Quarterbacks?

Ich persönlich habe Derek Carr immer den Rücken gestärkt und auf seine Fähigkeiten vertraut. So sehr ich ihn auch jetzt gerne vor dem Shitstorm bewahren würde, der auf ihn einprasselt, so wenig kann ich gleichzeitig noch Gründe finden, warum man es mittelfristig nicht mit jemand anderem versuchen sollte. Derek Carrs Unfähigkeit solche engen Spiele zu gewinnen steht mittlerweile als Symbol für die Entwicklung des ganzen Teams. Hat Carr einen guten Tag, ist alles möglich. Hat er einen schlechten, so gibt es niemanden, der seine Fehler egalisieren würde. Mit Carrs Auftreten steht und fällt der Erfolg dieser Mannschaft. Bezeichnend, dass Carr im Moment der zweitbeste Quarterback der Liga ist, was Yard-Zahlen angeht (3663 Yds.) und gleichzeitig derjenige QB, der seit Jahren die wenigsten Siege bei gleichzeitig den meisten tiefen Pässen eingefahren hat. Gegen Washington verpasste Carr mehrmals seine eigenen Receiver im offenen Feld. So war DeSean Jackson im ersten Viertel wide open und hätte easy zum Touchdown laufen können. Zay Jones stand bei im dritten Quarter 1v1 tief gegen einen Safety. Carr spielt ihn nicht an. Bryan Edwards bewegte sich im 1v1 gegen einen deutlich kleineren Defender in die Endzone im letzten Viertel. Warum Carr hier nicht von seiner Größe Gebrauch macht, es ist ein Rätsel. Carrs QB Rating ist mittlerweile auf 96,7 zusammengeschrumpft, lag zu Saisonbeginn noch in der 110-120er Ecke. Carr sieht zu oft Geister (seeing ghosts) und liest unter Druck die Routen falsch. Außerdem offenbart sich in eben jenen Drucksituationen, dass er lieber den kurzen, sicheren Pass spielt, sein Wille zum Risiko wird geringer, je mehr er unter Druck steht. Der mangelnde Einsatz von Marcus Mariota stellt somit erneut ein großes Fragezeichen dar. Warum wird Mariota so selten genutzt? Insbesondere wenn es in die gegnerische Redzone geht? Ich glaube, dass es wenige Optionen auf der QB-Position gibt, die ein instant upgrade für Carr darstellen. Sein 5-Jahres, 125 Mio. $ teurer Vertrag ist allerdings eine Belastung, die die Raiders auch in seinem letzten Vertragsjahr 2022 noch haben werden. Außer sie traden Carr. Eine Forderung, die seit Jahren immer zeitweise im Raum steht (wenn die Raiders verlieren) und mittlerweile auch an den Verantwortlichen im Front Office nicht mehr vorbeigehen kann. Ich persönlich sehe im kommenden Draft niemanden, der eine sichere Bank als Carr-Ersatz darstellen könnte und ich habe zudem noch immer das Skandaljahr im Kopf. Eine Trainerentlassung in diesem Stil, sowie der Verlust des No.1 Receivers unter diesen Umständen ist mit etwas Empathie ein großer Grund für den Einbruch der Mannschaft. Komischerweise scheint es aber als könnten andere Teams (z.B. Baltimore oder New England) von ihren zahlreichen Ausfällen/Niederlagenserien problemlos zurückkommen und auf kompetitivem Level weiterspielen. Wieso gelingt das den Raiders nicht? Carr ist zweifellos einer der Gründe, aber er ist nicht der einzige. Sollten die Raiders jetzt aber kein von Carr angeführtes Comeback erleben, wäre es absolut verständlich (und schade), wenn die Raiders sich im kommenden Jahr um einen Ersatz bemühen.

Was passiert mit dem Trainergespann um Rich Bisaccia?

Ein weiteres Engagement von Interimstrainer Rich Bisaccia als Head Coach wird bei den aktuellen Leistungen immer unwahrscheinlicher. Ich denke hier wird der erste Ansatzpunkt von Mark Davis liegen, wenn es um eine Neu- bzw. Restrukturierung des Coaching Staff geht. Und so Leid es mir tut, wahrscheinlich wird dem auch OC Greg Olson zum Opfer fallen. Die Raiders Playcaller haben es gegen Washington erneut verpasst mit der nötigen Aggressivität zu Werke zu gehen, die es in der NFL braucht. Im Modern Football System kommt man mit Zurückhaltung und Abwarten nicht weit. Aggressive, dynamische Teams stellen die Ligaspitze, Konservatismus hingegen wird mittlerweile brutal abgestraft. Dass Grudens Handschrift noch auf diesem Team liegt ist Wochen nach seinem Abgang immer noch deutlich sichtbar. Und ich kann den Eindruck nicht wegdiskutieren, dass der Niedergang dieses Teams maßgeblich mit ihm initiiert wurde. Ex- Raiders- HC Jack Del Rio äußerte sich vor und nach dem Spiel positiv über Derek Carr. Er sei schon immer dieser gute Spieler gewesen, die „äußeren Umstände“ hätten nur nicht mehr zugelassen. Seine Worte klingen wie Balsam auf der Seele, denn strukturell stimmt so einiges nicht mit den Raiders. Das Draftjahr 2020 spricht hier Bände. Nicht nur, dass einige der Gedrafteten gar nicht mehr im Team sind (Ruggs, Arnette) , vielmehr hängt auch der Rest (Simpson, Edwards) hinter den Erwartungen hinterher.

Auch das Playcalling war am Sonntag wieder eine hoffnungslose Verheißung. Die Raiders hatten nur drei Wurfversuche über 20 Yards. Ein kompletter Kontrast zur Vorwoche, wo man auf lange Pässe setzte. Über 50% der Pässe überquerten die Line Of Scrimmage (LOS) nur für maximal 5 Yards, ganze elf Pässe wurden aus dem eigenen Backfield heraus ausgespielt.

Die Tatsache, dass Derek Carr an der LOS Audibles ansagen kann und Spielzüge spontan ändern kann, bringt hier natürlich noch deutlich mehr Fragezeichen in die Runde. Ist es das Playcalling an sich, das versagt oder „versaut“ Derek Carr eigentlich gute Plays? Ich bin hier ganz klar auf Seite der ersten Vermutung. Die Aussage von Rich Bisaccia, die Leute würden zu häufig nur auf das Endergebnis schauen, spricht hier schon Bände. Woran soll man ein Team, das so erfolgshungrig ist oder dies zumindest immer vorgab, beurteilen, wenn nicht am Outcome auf dem Scoreboard? Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Vor allem, weil man die Raiders auch dann immer in Schutz nahm, als andere sie schon für tot erklärten. Das sechste (!!!) Spiel mit unter 17 Punkten auf der Offensivseite des Balls ist jedoch Beweis genug, dass sich auch im Coaching Staff etwas ändern MUSS!

Was nehmen wir Positives aus dem Spiel mit?

Trotz eines mehr oder weniger trostlosen Spiels können wir auch einige positive Ansätze festmachen, die man aus diesem Spiel mitnehmen kann. So war es wieder einmal die Defense, die der Offense über lange Strecken den Ballbesitz bescheren konnte. Und dort haben wir einige Spieler, die den Grundstock für die nächsten Jahre bilden können. Insbesondere Maxx Crosby und Yannick Ngakoue zeigen Spiel für Spiel, warum der Raiders Pass Rush einer der besten der Liga ist. Rookie Nate Hobbs konnte mit 7 Tackles, einer Interception und 2 pass deflections erneut von sich reden machen, der Einsatz von Malcolm Koonce und Divine Deablo sind hoffentlich Indikatoren, dass die Raiders sie künftig mehr in die Rotation einbinden werden. Deablo machte 11 Tackles bei 38 Snaps und war damit leading tackler des Teams. Über seine zwischenzeitlichen Probleme in der Coverage kann man noch hinwegsehen, war es doch quasi erst sein erster NFL Einsatz in dem Umfang. Malcolm Koonce wurde auch eingesetzt und machte immerhin seinen ersten QB Sack. Es wird interessant sein, wieviel Erfahrung die beiden noch sammeln können, je weiter die Saison voranschreitet. In der Offense gab es auch Lichtblicke. Allen voran Hunter Renfrow brachte es wieder einmal auf unglaubliche 102 Yards bei neun gefangenen Pässen. All & Renfrow!

Wie soll man die kommenden Wochen/Monate angehen? Ist es Zeit für einen erneuten Rebuild?

Jetzt zu frustriert zu agieren könnte die Raiders auch die letzten Chancen in den verbleibenden Wochen kosten. Ich betone hier nochmal ganz klar, dass ich nichts davon halte jetzt einfach Carr durch Mariota zu ersetzen und zu denken alles würde besser laufen. So sehr man die Raiders jetzt auch kleinreden mag, man muss auch zugeben, dass das Gros ihrer Niederlagen unnötig und meist selbstverschuldet war. Es ist nicht so, dass die Raiders jede Woche komplett untergehen, ohne selbst Chancen auf einen Sieg zu haben. Von daher sollte weiter die Devise gelten, mit der man auch in das Washington Spiel gegangen ist: Carr bleibt auf Eins, Mariota sollte mehr reps bekommen und in aggressiven Packages häufiger genutzt werden. Die Raiders müssen ihre Strafen fixen. Und sie müssen effektiver werden, gerade beim 3rd Down und in der Redzone. Damit dies kein Lippenbekenntnis bleibt würde es sich anbieten jüngeren Leuten mehr Spielzeit zu gewähren. Der Einsatz von Divine Deablo beispielsweise war gleichkommend mit einer Kritik an unseren Linebackers, die in den letzten Wochen einfach schlecht gespielt haben (oder ständig verletzt sind). So würde ich weitermachen. Junge Leute häufiger in die Rotation bringen, konstant fehleranfällige Leute wie bspw. Brandon Parker einfach mal auf der Bank lassen. Auch sollten die Raiders im Ton rauer werden. Mark Davis sollte jedem einzelnen klarmachen, dass sie von nun an auch um ihre eigene Zukunft in Vegas spielen.

Was einen erneuten Rebuild angeht, ganz klar: Macht mal langsam, Leute! Diejenigen, die jetzt schon ein Rebuild-Jahr fordern haben keine Ahnung. Vor allem, was soll überhaupt komplett neu strukturiert werden? Nennt mir bitte ein einzige Unit, die nicht mindestens einen legitimen NFL Starter aufweist? Genau, gibt es nicht und insbesondere die Defense der Raiders braucht eigentlich keinen Rebuild, denn dort finden wir im Gegensatz zu den Vorjahren auf nahezu jeder Position Spieler, die sich verbessert haben. Bei der Offense sieht das etwas anders aus. Dennoch: die Stichworte heißen hier Improvement und Ergänzung. Und das ist vor allem zu erreichen, wenn die Raiders sich auf Schlüsselpositionen verbessern. Einen kompletten Rebuild von Null an braucht es gar nicht. Die Raiders waren auf einem guten Weg und auf diesen werden sie so schnell nicht zurückkommen, wenn man jetzt das ganze Team durcheinander würfelt. Dafür wäre es meiner Meinung nach an der Zeit, wenn sich herauskristallisiert dass die Raiders der letzten Wochen weiterhin auf kompletter Linie versagen. Dies zu beurteilen scheint allerdings noch zu früh.

Kann man in Vegas überhaupt Home-Field-Advantage haben?

Mit traurigem Blick schaue ich auf die Zeit im Colosseum in Oakland zurück. Was wäre, wenn die Raiders nie umgezogen wären. Was wäre, wenn sie Del Rio noch eine Chance gegeben hätten, statt Gruden zu holen und das Großprojekt Vegas anzugehen? Eines steht fest: die Fans der anderen Mannschaften reisen gerne nach Vegas. Und dies spiegelt sich auch im Zuschauergefüge wieder. Bei nahezu jedem Heimspiel sehen wir mittlerweile große Teile der Zuschauerränge in den Farben unseres jeweiligen Gegners. Die Raiders verloren die letzten drei Heimspiele und errangen in sieben Partien in Las Vegas vor heimischem Publikum nur drei Siege. Traurig und vor allem viel zu wenig. Die Reiselust der Away- Fans dürfte nicht getrübt werden, gilt Vegas doch als Erlebnis- und Eventort und in diese Hallen des Glückspiels werden gegnerische Fans auch in Zukunft zahlreich pilgern. Sollte die Saison nun scheitern, bleibt ein fader Beigeschmack und die Nostalgiker unter uns dürften wohl bald wieder Oakland herbei sehnen. Oder geknickt eine Träne verdrücken – der „guten alten Zeit“ wegen…

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