Seit Montag-Abend ist es offiziell. Die Raiders gehen fortan den „Patriot Way of Football“. Auf der gestrigen Pressekonferenz verkündete Las Vegas den Wechsel von New Englands Offensive Coordinator Josh McDaniels nach Nevada. McDaniels wird dort Interims-Trainer Rich Bisaccia beerben und von nun an Head Coach der Raiders sein. Des Weiteren verkündeten die Silver&Black nach der Entlassung von Mike Mayock den Wechsel des General Managers der Patriots Dave Ziegler, der zum neuen GM der Raiders ernannt wurde. Beide arbeiteten sechs Jahre zusammen in New England und waren beteiligt an einer effizienten Personalplanung, innovativer Offensiv-Schemata und dem Formen talentierter Quarterbacks for the next level. Die wichtigsten Fragen rund um den Trainerwechsel und damit einhergehenden Implikationen könnt ihr im Folgenden nachlesen.
Was passierte am Wochenende?
Nachdem die Raiders einige Interviews für die Positionen des General Managers (u.a. mit Ed Dodds) und Head Coaches (u.a. Rich Bisaccia, Jerod Mayo) durchführten, kam McDaniels am Freitagabend nach Vegas und unterschrieb nach drei Tagen Verhandlungen und der Präsentation seiner Ideen offiziell am Montag die Bestätigung für das Signing. In der Vorwoche hatten die Raiders unter anderem Dave Ziegler zu Gast, der sich um den Posten als GM bewarb. Angetan von Ziegler erkundigte Vegas sich nach McDaniels, welcher laut Ziegler sofort mit ihm zusammen als Duo verfügbar wäre. Die Raiders fackelten nicht lange und verkündeten gestern offiziell in ihrer PK die neuen Führungsfiguren ihrer Organisation. Damit wurde klar, dass sich weder das Gerücht um Jim Harbough bestätigte, noch dass die Raiders ein umfangreiches Vertrauen zu ihrem bisherigen Coaching Staff hegen. Mit dem Duo McDaniels-Ziegler soll eine Gewinner-Mentalität Einzug nach Vegas erhalten, die beide Kandidaten von ihrer Arbeit in New England mitbringen.
Welche Referenzen bringen die beiden mit nach Vegas?
Zunächst: McDaniels und Ziegler kennen sich bereits 13 Jahre und haben erfolgreich zusammengearbeitet. Man kann davon ausgehen, dass Ziegler den „Final Say“ bekommt, also in der Kaderplanung und im Draft die bindenden Entscheidungen trifft. Einem GM gebührend, aber in der Ära Gruden eher auf den Kopf gestellt. Uneinigkeiten wie bei Gruden-Mayock dürften wir daher seltener erleben. Während Ziegler nun mehrere Jahre in General Manager Positionen arbeitete, betritt McDaniels als Head-Coach noch halbwegs Neuland. Vor 13 Jahren gab es ein kurzes Intermezzo in Denver, welches weniger erfolgreich endete. McDaniels hatte eine Bilanz von 7-17 Siegen in der NFL, konnte nie das Vertrauen der Broncos Organisation gewinnen und war unter anderem bekannt für Draft Busts wie Tim Tebow. Die Zeiten änderten sich aber und wenn es um Offenses geht, kann McDaniels eine sehr gute Bilanz vorweisen. Seit 2012 gewann er als Offense Coordinator mit New England sechs Super Bowls und ragte im Belichick-Coaching-Tree für seine kreativen Konzepte heraus, war jahrelang an der Seite von Tom Brady und brachte unter ihm einige Quarterbacks hervor. In NFL-Kreisen wird gemunkelt, dass seine Pläne ideal mit denen der Raiders korrespondieren könnten und sie in McDaniels den „perfect fit“ gefunden haben.
Was können wir von ihnen erwarten?
„Not a rebuild, not a reload, taking it to the next level“. Die Devise von Team Owner Mark Davis ist klar. Die Raiders glauben an McDaniels und Zieglers Fähigkeit, die Schwächen einer geplagten Offense zu neutralisieren. Es ist nicht davon auszugehen, dass nach dem Erreichen der Playoffs ein Set-Back eingeplant wird. Die Raiders wollen an ihre Leistungen anknüpfen und sich direkt verbessern. Die Playoff-Teilnahme allein ist nicht mehr das alleinige Ziel, Vegas will einen Super Bowl holen. McDaniels gilt als Offensive Mind und hat bewiesen, dass seine Offenses enormen Erfolg in der Redzone haben und sehr effektiv bei 3rd Downs sind. Beides gravierende Nachteile der Raiders, die sie diese Saison an weiterem Erfolg gehindert haben. Zudem verbindet McDaniels und Ziegler eine langjährige Freundschaft und beide gelten in NFL-Kreisen als Work Horses, die auf Kleinigkeiten und Details achten und stets einen Progress erwirken. Außerdem machen sie aus teils mittelmäßigen Einzelspielern ein Roster-Gefüge, bei dem sie alles aus den einzelnen Typen rausholen. Ich persönlich erwarte ein Anknüpfen an den bisherigen Erfolg und deutlich sichtbare Verbesserungen auf dem Feld. Ob es dennoch zum großen Wurf reichen wird, kann angesichts einer immer noch extrem starken Division und einem engen Teilnehmerfeld in der AFC bezweifelt werden. Allein die Anstellung dieser beiden wird nicht genügen, aber sie stellen interessante Personalien dar und können die nötigen Erfolge vorweisen. Es ist ebenso zu erwarten, dass wir einige interessante Spieler bekommen werden. Die Patriots drafteten in den letzten Jahren solide, aber ungewöhnlich. Das „Experiment Mac Jones“ ging voll auf und immer wieder blinzeln Talente hervor, die vorher keiner auf der Rechnung hatte. Bestes Beispiel hier immer noch der aus Deutschland stammende Jacob Johnson, der es dieser Jahr beinahe in den Pro Bowl geschafft hat. Es ist zudem zu erwarten, dass einige Spieler von dem neuen System profitieren werden. Insbesondere wohl Hunter Renfrow und Darren Waller, die bereits Schlüsselrollen spielen, aber als perfekte Scheme Fits gelten.
Was wird aus Derek Carr?
Obwohl sich beide (Ziegler-McDaniels) noch bedeckt zu Details äußerten, scheint klar zu sein, dass Derek Carr der Quarterback der Raiders bleiben soll. McDaniels bestätigte, dass es erste Gespräche mit Carr bereits gab und dieser positiv auf den Wechsel reagierte (was bei Dereks positivem Geist und seiner herzlichen Art auch klar gewesen sein dürfte). Es ist davon auszugehen, dass McDaniels System auf Carr zugeschnitten ist, ihm die Räume eröffnen wird, die ihm bisher fehlten. McDaniels schaffte es bisher immer Quarterbacks zu formen und zu NFL-Startern zu entwickeln (Brissett, Garoppollo etc.), von Derek Carr scheint er besonders überzeugt zu sein. Die Stärken seiner bisherigen Offenses (Redzone, 3rd Downs) dürften ganz klar ein Geschenk für Derek sein, der in seinem Contract Year wohl so viel Hilfe wie seit Langem nicht bekommen wird. Insbesondere die Stabilisierung der Offense Line dürfte ein großes Thema sein und seit Brady in New England wissen wir: sie hatten immer eine der besten der Liga! Dennoch: es ist nicht sicher, ob und in welchem Maße Carr eine Contract Extension bekommt. Wird Carr spielen, wenn die Raiders ihn nicht vorzeitig verlängern? Carr bekundete in der Vergangenheit immer wieder, dass er nur für die Raiders spielen werde. Wer weiß, was passiert, wenn diese ihm dieses Mal keinen Vertrauensvorschuss in Form einer Verlängerung bieten? Alles in allem kann man mit folgendem Szenario rechnen: Ziegler und McDaniels werden andere Optionen ausloten, bevor sie Carr verlängern. Wahrscheinlich aber nur pro forma. Man wird bei der Ausarbeitung des Vertrags zwar eine hohe Summe an Guaranteed Money blechen müssen, aber wahrscheinlich wird man die Anpassungen so schließen können, dass den Raiders genügend Cap Space zur Verfügung stehen wird um andere Mannschaftsteile zu verstärken (O-Line, WR bspw.). Fest dürfte jedoch stehen: Carr wird auch 2022 für die Raiders auflaufen!
Was passiert mit Rich Bisaccia?
Die Zukunft von Rich Bisaccia steht in den Sternen. Offiziell bekam er die Rolle des Special Teams Coordinators in Chicago angeboten und wird in den kommenden Tagen ein Gespräch mit den Jacksonville Jaguars für deren offenen Trainerposten führen. Es kamen noch keine Infos zu seinem weiteren Verbleib in Vegas ans Tageslicht. Obwohl es in den letzten Tagen eine wahre Flut an Solidaritätsbekundungen und Wertschätzung seiner Arbeit von Seiten der Spieler gab (u.a. öffentlich bei Twitter Maxx Crosby, Nate Hobbs, Solomon Thomas, Derek Carr) und Rich Bisaccia im Locker Room als Vaterfigur und Vertrauensperson gilt, kann man erwarten, dass Rich die Raiders verlassen wird. Vegas interviewte Bisaccia für den Trainer-Job, es ist allerdings davon auszugehen, dass das Gespräch mehr Makulatur war. Die Option Bisaccia als Special Teams Coach zu halten, würde mehreren Umständen Kredit zollen. 1. Würden die Raiders eine Führungsfigur halten können, die das Vertrauen der Mannschaft genießt, 2. Die Special Teams waren eines der erfolgreichsten Mannschaftsteile mit u.a. der Pro Bowl Selection von A.J.Cole und einer historischen Saison von Daniel Carlson, 3. Würde klar werden, dass das neue GM-HC-Gespann mit Leuten arbeiten kann, die wir bereits im Kader haben und folglich nicht Gefahr laufen einen kompletten Staff-Rebuild eingehen zu müssen und 4. Würde Mark Davis‘ Glaubwürdigkeit nicht angezweifelt werden. Denn der Raiders Owner sorgte bereits mit verkorksten Trainerengagements für Unmut und müsste sich im Falle eines erneuten Misserfolgs deutlichen Fragen stellen, ob die vertretene Vision die richtige ist. Vergesst nicht: Mark ist nicht Al Davis und während letzterer häufig All-In gegangen ist, aber am Ende ein positives Outcome erreichte, muss man bei Mark Davis immer noch konstatieren: er hat zwar den Umzug der Raiders nach Vegas angekurbelt und die Vision seines Vaters umgesetzt und er ist ein Die-Hard Raider mit vollem Herzen, der sportliche Erfolg blieb aber bisher gänzlich auf der Strecke und Davis steht auf Narrative der Superlative, leider zu häufig mit Vertrauen auf charakterlich fragwürdige „Untergebene“. Abschließend sei leider gesagt, ich gehe nicht davon aus, dass Bisaccia bei den Raiders bleiben wird. Und sollte er die Möglichkeit auf einen HC-Posten bekommen, wäre es für ihn nach 40 Jahren Coaching wohl das Beste, sie zu ergreifen.
Welche Umstellungen im Trainerstab sind zu erwarten und was wird aus DC Gus Bradley?
Gus Bradleys Zukunft ist nicht mehr sicher. Zwar traut man McDaniels/Ziegler zu, mit vorhandenem Personal zu arbeiten, dennoch werden sie auch „ihre Leute“ mit ins Boot holen. Einer könnte Jerod Mayo sein, der ein zweites Interview bei einem anderen NFL Team diese Woche absagte. Mayo galt als HC-Kandidat, eine Rolle als Defensive Coordinator würde ihm aber auch stehen, der Step zum HC könnte noch etwas verfrüht kommen. Ebenso könnte der von Miami entlassene Brian Flores, der ebenfalls vom Belichick Coaching Tree stammt, überraschend eingestellt werden. Die Patriots implementierten ein 3-4 Personal, während die Raiders mit 4-3 spielen. Ein etwas gewagter Vorstoß, aber eines ist sicher: die Nickel Formationen zu stärken dürfte ein Hauptziel der Raiders-D werden. Und das konnte Bradley nur mäßig, während es in New England gut funktioniert hat. Bradley steht für die Schaffung einer kompetitiven Defense, er brachte die Raiders in einigen Kategorien vom Bodensatz ins Top-Tier. Ob dies gewürdigt wird, steht in den Sternen, ich persönlich plädiere dafür Bradley zu halten. Es gibt weitere Positionen und Personalien im Coaching Staff, die deutlich mehr in Kritik geraten sind. Beispielsweise Offensive Coordinator Olson, der es nicht schaffte ein zuverlässiges Playcalling zu etablieren und Siege in Win-Now-Moments zu produzieren. Oder Tom Cable, Coach einer indiskutablen Offense Line. Meiner Meinung nach wird es in McDaniels Team kein Mittelmaß mehr dahingehend geben, weswegen am ehesten Olson und Cable weichen werden müssen. Die Klärung dieser Fragen wird wohl ziemlich schnell erfolgen. Mein Wunsch: Give Gus Bradley another shot!
Welche Personalplanung werden die Raiders in der Free Agency und im Draft fahren?
Das wird natürlich eine der spannendsten Fragen und wir lassen uns einfach überraschen. Dennoch stellt sich die übergeordnete Frage: wen sehen McDaniels&Co als systemtauglich? Ein Ziel wird sein, wichtige Free Agents wie bspw. CB Casey Hayward zu halten und Lücken in der Mannschaft mit richtigem Personal zu füllen. Für ersteres wird es entscheidend sein, wer nun DC, OC etc. bleibt. Sollte Gus Bradley die Raiders verlassen könnte das unter anderem das Aus für Spieler wie Facyson, Hayward oder Philon bedeuten, die unter Bradley ins Team geholt wurden. Auch wird interessant, wen sie für die Offense holen. Könnte da etwa ein Comeback von Nelson Agholor ins Haus stehen? Zu diesem Zeitpunkt ist über tiefere Kaderplanung nur zu spekulieren. Abwarten. Eines dürfte jedoch sicher sein: Die letzten Drafts und die Free Agency unter Ziegler brachten den Patriots kaum spektakuläre Namen, aber immer wieder Prospects aus den Mid-Rounds oder Free Agents, die sich schnell zu stabilen Leistungsträgern entwickelten (bspw. Bourne, Mills, Karras, Henry, Van Noy, Byrd, Phillips, Barmore, Stevenson oder Onwenu). Man darf gespannt sein, was sich die neue Crew dazu einfallen lässt.
Kleiner Tipp für den Draft: die Patriots hatten über Jahre starke Slot-Receiver, waren in der Vergangenheit aber immer wieder auf der Suche nach Number One Receivern mit hohen physical abilities (Gordon, Harry z.B.). Dies erhöht enorm den Draft Stock von Treylon Burks, der perfekt in McDaniels System passen würde. Watch out!
Was halte ich von dem Signing?
Kurzum: let’s give it a try! Zunächst konstatierte ich in der letzten Folge des LocoFootball Podcast, dass man Ziegler/McDaniels nur in Kombination holen sollte, sie dennoch nicht meine Favoriten für den Job wären. Und immer noch fühlt es sich wie eine klassische Raiders-Entscheidung an, die man eigentlich skeptisch betrachtet, in deren Bann man sich aber am Ende dennoch ziehen lässt. Obwohl ich mehrere Gründe finde, warum andere Kandidaten geeignet wären (z.B. Bowles, Harbough, Bisaccia), finde ich doch keinen wirklichen Grund gegen McDaniels. Die Tatsache, dass der erste HC-Job in Denver ein Reinfall war, überzeugt mich nicht unbedingt, denn das Ganze liegt knapp zehn Jahre zurück und in der Zwischenzeit hat McDaniels mehrere Super Bowls als Teil der wohl erfolgreichsten NFL Franchise der Ligageschichte gewonnen. Ein Hauptpunkt, der mich stagnieren lässt, ist McDaniels‘ leadership ability. Insbesondere nach den Bekundungen der Mannschaft für Rich Bisaccia, glaube ich, dass es schwer ist, den Locker Room instant auf seine Seite zu bekommen. Das Debakel bei den Colts, als er bereits die HC-Stelle 2019 angenommen hatte, ganze Familien umgezogen sind, um in seinem Staff zu dienen und er dann kurz vor Beginn einen Rückzieher machte, wiegt immer noch schwer im Hinterkopf. Dennoch: laut McDaniels bezieht sich eine der Hauptlehren seiner letzten Coaching Dekade auf die zwischenmenschlichen Fähigkeiten: „When I went to Denver, I knew a little bit of football but I didn’t know people and how important that aspect of the process and maintining culture and building a team was. And I failed.“ Von daher vielleicht übertrieben diese Annahme, er sei ein Charakterschwein? Wie auch immer, McDaniels bringt auf jeden Fall eines mit: er war erfolgreich in einer Winning-Franchise und er hat unter den besten (Bill Belichick) gelernt. Betrachte ich McDaniels Scheme und die Vorteile, die es Derek Carr bringen könnte, muss ich ganz klar festhalten, dass die Raiders an einer Fehlerlösung interessiert sind, die nicht bei Null beginnen muss, sondern versteht, wie bereits Vorhandenes zu sichern, erweitern und effizienter zu machen ist. Als ersten Ausblick würde ich den Raiders eine weitere Winning-Season prognostizieren. Nicht unbedingt mit einem besseren Record, aber mit deutlich sichtbaren Verbesserungen, eindeutigeren Siegen und umkämpfteren Niederlagen. Während ich für die Offense schon jetzt ein erhöhtes Potential ausmache, bleiben hinter der Defense noch zu viele Fragezeichen. Wird Gus Bradley bleiben? Was geschieht dann mit unserem Personal? Können wir Key Free Agents wie Casey Hayward halten? Wer sind die „McDaniels guys“ und wer wird dem Coaching Staff Rebuild noch zum Opfer fallen und wie werden die Raiders dies kompensieren? Es bleibt spannend, aber die Pieces werden sich fügen. Ich erwarte in der nahen Zukunft weitere Entscheidungen, aus denen wir dann wohl ganz schnell herauslesen können, welche Pläne die Verantwortlichen mit der Mannschaft haben. Bis dahin schenke ich dem neuen Tandem Ziegler-McDaniels das Vertrauen und glaube an zwei ihrer größten Tugenden: eine Hard-Workers‘-Mentality und den Sieges-Spirit, den sie aus New England mitbringen.