Am 16. März beginnt in der NFL die Free Agency. Für die Teams der erste große Stichtag auf dem Weg zur Zusammenstellung der Saison-Kader 2022. In knapp anderthalb Monaten ist es dann soweit. Beim NFL Draft werden die besten Spieler des College Football Verbands (NCAA) ausgewählt und treten ihre Karriere im professionellen Sportbetrieb an. In den Wochen und Tagen vor dem Draft dürften sich die Strategien für einige Teams nochmal von Grund auf ändern. Verstärkungen werden kurzfristig gesucht und Erfolg oder Misserfolg in der Free Agency werden darüber entscheiden, ob Draft-Picks neu ausgewählt oder gesamte Draft-Pläne kurzfristig überarbeitet werden. Im Folgenden werden vier realistische Szenarien skizziert, wie die ersten drei Runden für die Las Vegas Raiders ablaufen könnten.

Im Zentrum stehen dabei folgende Fragen: Wie verstärkt sich das Team in der Free Agency? Welche Konsequenzen für den Kader ergeben sich daraus und ändern sich dadurch die Prioritäten? Und: wird dann tatsächlich nach positionsbezogenem Nutzen (position of need) gedraftet oder nach langfristigem Wert (Best Player on the Board)? Die letzte Frage scheint bereits von Head-Coach Josh McDaniels geklärt worden zu sein. In einem Interview während der NFL Scouting Combine konstatierte McDaniels, er würde hauptsächlich Spieler draften, die sogenannte Value Picks darstellen. Also auf dem hausinternen Big Board oben stehen. Ein Draft-Pick, der zwar für Position X Sinn mache, sei immer dem nachzuziehen, der positionsübergreifend besser ist. Kurz: wenn die Raiders beispielsweise einen Receiver dringender benötigen als einen Linebacker, wird dennoch der Linebacker gedraftet werden, falls man ihm zutraut insgesamt der bessere Spieler zu sein. Dies könnte beispielsweise geschehen, wenn bei Pick #22 schon fünf Receiver gedraftet wurden, aber keine Linebacker und Linebacker #1 als wertvoller erachtet wird als Receiver #6. Überhaupt ist es keine Schande, seine „Needs“ nicht vollständig abgedeckt zu haben. Wir erinnern uns: Defensive Tackle war vor der letzten Saison eine der Hauptbaustellen der Raiders Defense. In der ersten Runde des Drafts hätten die Raiders locker Christian Barmore draften können und diese Position of Need füllen können. Dennoch drafteten sie Alex Leatherwood, weil sie ihm im gesamten mehr Zukunftspotential zuschrieben als Barmore. Die DT-Position wurde dann durch ein ganzes Set an Rotationsspielern bzw. Veteranen oder Spielern, die sich beweisen wollten, aufgefüllt. Thomas, Jefferson, Philon, allesamt keine Raketen, aber letztlich setzte sich beispielsweise Jefferson durch und avancierte gegen Ende der Saison zu einem unserer besten Defender. Es ist also klar: es wird immer die eine oder andere „unterbesetzte“ Position geben. Die folgenden Szenarien sollen diese Überlegungen mit aufnehmen und dennoch einen halbwegs realistischen Mix aus Need und Value in Aussicht stellen.

Szenario 1

Hier gehen wir davon aus, dass die Raiders in der Free Agency einen Cornerback bekommen. Glaubt mir, Vegas wird für JC Jackson hoch pokern und zudem versuchen Casey Hayward zu behalten. Sollte einer von beiden an die Raiders gebunden werden, haben sie mit Treyvon Mullen einen weiteren starken Corner. CB würde dann erstmal als Top Need rausfallen und man würde sich auf einen Offensive Lineman fokussieren und das Receiving Corps ausbauen. Da die Receiver-Klasse extrem tief ist, könnte man mit dem Top-Pick auch in der O-Line zuschlagen.

Runde 1, Pick #22: Trevor Penning, OL, Northern Iowa

Sollte es den Raiders irgendwie möglich sein Charles Cross zu bekommen, sollten sie bei “meinem” Top O-Liner zuschlagen. Realistischer ist aber Trevor Penning, ein nasty player. Penning ist ein großes Monster mit viel Aggressivität. Auf dem College spielte er zwar nicht gegen die Top-Tier-Teams, aber seine Upside ist groß und er kann es in der NFL mit ein paar Verbesserungen zu etwas Großem bringen.

Runde 2, Pick #53: Lewis Cine, S, Georgia

Cine ist ein guter Allrounder mit Tendenzen zu physischem Spiel mit hartem Tackling. Schnell und entschlossen gegen den Lauf mit sehr guter Versatility im Pass Game. Die Raiders suchen jemanden wie ihn. DC Patrick Graham hat angekündigt hauptsächlich in einem 4-2-5 Scheme spielen zu wollen. Dies erfordert vielseitige Safeties und Tiefe auf der Cornerback Position. Cine als Downfield-Player mit seinen langen Armen wäre ein guter Pick. Ebenso könnte er bei einem möglichen Abram Trade dessen Lücke füllen.

Runde 3, Pick #86: Christian Watson, WR, North Dakota

Watson ist eines dieser Small-School-Prospects, bei denen unweigerlich sein großes Talent auffällt. Seine guten Leistungen im Senior Bowl und der Combine ließen seinen Draft-Stock extrem steigen. Watson besitzt Elite-Speed und könnte für die Raiders die lang erhoffte Deep-Threat-Verstärkung werden. Er ist ein Field-Stretcher, aber auch guter Route Runner und hat Big Play Ability.

Szenario 2

In diesem Szenario füllen die Raiders in der Free Agency ihre Wide Receiver Needs. Ein Trade für Brandin Cooks oder eine Free Agency Verpflichtung von bspw. Allen Robinson wären durchaus möglich. Überhaupt: wenn der Number One Receiver gefunden ist, verfügen die Raiders in Kombination mit Renfrow und Waller durchaus über ein gefährliches Passing Game. In seinem dritten Jahr in der Liga wird auch Bryan Edwards Man könnte einen weiteren FA oder mid-to-late-round Wide Receiver akquirieren. In diesem Szenario könnten die Raiders in den ersten drei Runden mit folgenden Spielern ihr Glück versuchen.

Runde 1, Pick #22: Roger McCreary, CB, Auburn

McCreary ist einer der komplettesten Corners im Draft, wendig, standhaft mit guter Balance und schnellen Richtungswechseln. Ein top Press Corner und guter Athlet. Intelligent und vielseitig, er lässt sich selten austricksen und hat am College gegen die besten Receiver gespielt, ist also Competition auf hohem Niveau gewohnt. Spielt überall gut, auch auf der Outside. Er kann Vegas sofort helfen gegen das neue Horror-Trio von AFC West QBs zu bestehen.

Runde 2, Pick #53: Bernhard Raimann, OL, Central Michigan

Mit Raimann geht ein deutschsprachiger O-Liner im Draft an den Start. Der gebürtige Österreicher zählt zu den Talenten mit großer Upside und krasser Athletik. Als ehemaliger Tight End kann er auf beiden Seiten als Tackle eingesetzt werden. Er hat das Zeug es mit Double Teams aufzunehmen und ist schnell für einen O-Liner. Schönes Durchsetzungsvermögen im Open Field Blocking beim Pass Rush. Im Laufspiel eher Durchschnitt, aber mit keinen nennenswerten Nuancen nach unten.

Runde 3, Pick #86: John Ridgeway, DT, Arkansas

Ridgeway ist ein Interior Defender, der hauptsächlich Nose, 1-technique und 3-technique gespielt hat. Nicht der Schnellste, aber hauptsächlich gegen den Run ein Bollwerk. Er lässt sich kaum von Double Teams beirren und ist ein echter Competitor. Da wohl mit Hankins und weiteren D-Linern (evtl. Thomas, Jefferson) nicht unbedingt zu rechnen ist, wäre Ridgeway eine Zukunftsinvestition wert.

Szenario 3

Dieses Szenario ist eines meiner Favoriten. Die Raiders können in der Free Agency allen voran die Offensive Line verbessern. Hier gibt es einige schöne Möglichkeiten (hört dazu #23 vom LocoFootball Podcast) und man wäre nicht mehr auf einen frühen OL-Pick angewiesen. Szenario 3 ist für mich ein typisches Best Player on the Board- Szenario. Alle drei Spieler befinden sich im Consensus Range, alle drei werden bei mir deutlich höher eingeordnet. Ein wahres Geschenk, wenn es zu diesem Szenario kommt.

Runde 1, Pick #22: Treylon Burks, WR, Arkansas

Über Burks habe ich schon mehrmals geschrieben. Er ist mein DK Metcalf, AJ Brown oder Deebo Samuel 2.0. Burks spielte in Arkansas meistens auf Slot, ist aber aufgrund seines Durchsetzungsvermögens, seinem Körpereinsatz und der Stärke am Point-Of-Catch auch auf der Outside einsetzbar. Wenn WRs wie Williams oder Garrett schon vergriffen sind, sollten die Raiders Olave oder Burks holen.

Runde 2, Pick #53: Perrion Winfrey, DT, Oklahoma

Einer der Fast Riser im Draft, ein massiger Freak auf der Inside, der eigentlich First Round Potential hat. Da er im Consensus allerdings als 2nd Rounder gilt, dürften die Raiders hier einen Shot bekommen. Winfrey kreiert enormen Downfield Pressure und gilt als einer der besseren Interior Pass Rushers. Versatility, Intelligenz, Wille: alles vorhanden. Ein schöner Value Pick. Vielleicht sollten die Raiders Winfrey holen und Jefferson weiter verpflichten. Würde mir sehr gefallen.

Runde 3, Pick #86: Jalen Pitre, S, Baylor

Booooom!!! Jalen Pitre ist einer meiner top Geheimtipps und wäre einer der idealsten Scheme Fits für die Raiders Defense, die mit Corner-Safety-Hybriden arbeiten wird. Pitre könnte der Jevon Holland von diesem Draft sein: lange als 3rd oder gar 4th Rounder gehandelt und dann: Peng, 1st Round! Er ist der BESTE Run-Stopper im ganzen Draft! Elite Geschwindigkeit, starkes Hüft-Movement und immer in der Nähe des Balls zu finden. Pitre könnte im richtigen Scheme ein Star werden.

Szenario 4

Ebenfalls ein Top Szenario! Es wäre verwunderlich, wenn in den ersten beiden Runden kein Offensiv-Spieler von den Raiders gedraftet wird. In diesem Szenario allerdings kein Problem. Man holt sich Allen Robinson in der Free Agency und füllt die WR-Needs in späteren Draft-Runden auf. Dafür konzentriert man sich darauf, die Defense in den ersten beiden Runden wettbewerbsfähig zu machen. Wir brauchen gegen die Offenses der AFC West schlagkräftige Counterparts!

Runde 1, Pick #22: Jordan Davis, DT, Georgia

Hier der Number One Pick ganz klar Jordan Davis! Ein spezieller Spieler, den man nicht alle Tage findet. Er war das Rückgrat der unglaublich starken Front Seven in Georgia. Ein pfundiger, schwer bewegbarer Interior, der in der Combine mit seiner Schnelligkeit geglänzt hat. Davis könnte ein zukünftiger NFL-Star werden und würde den Raiders von Tag 1 an helfen.

Runde 2, Pick #53: Derion Kendrick, CB, Georgia

Derion Kendrick bekommt von mir Lobeshymnen und Vorschusslorbeeren. Der ehemalige 5-Star-Recruit spielt mit einer irren Antizipation und hat einen großen Radius, der im Backfield für Disruption sorgen kann. Ein reiner Outside Corner, den die Raiders schon lange suchen.

Runde 3, Pick #86: Darrian Beavers, LB, Cincinnati

Es ist durchaus möglich, dass die Raiders schon im ersten Pick auf einen Linebacker zurückgreifen. Nakobe Dean und Devin Lloyd wären mögliche Kandidaten. Mit Beavers könnte Vegas allerdings einen High Versatility Spieler in den Mid-Rounds bekommen. Beavers ist eine Maschine mit High Motor, aber er ist auch beweglich und in der Coverage einsetzbar. Ein guter Allrounder!

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