Willkommen zu einer weiteren Vorschau auf den vom 28.-30. April stattfindenden NFL-Draft 2022. Heute widme ich mich der Positions-Gruppe der Linebacker und will euch wieder meine persönlichen Top 10 präsentieren. Ich bedanke mich für die positive Resonanz auf die letzten Artikel und die weiterhin steigenden Follower-Zahlen auf meinem Twitter-Kanal und freue mich auf weitere Diskussionen und eure Einschätzungen. Wer der nächste Ray Lewis wird oder ob die ausbleibende Renaissance der Position zu einem Wegfall an Super-Stars führen wird, das erfahrt ihr im Folgenden. Viel Spaß mit meiner Übersicht!

Der Status-Quo der Linebacker-Position und die Draft-Klasse 2022

Die Position des Linebackers litt in den letzten Jahren unter einem unerklärbaren Rufverlust. In modernen NFL-Defenses ist der klassische Linebacker heutzutage ein aussterbender Dino. Der große, schwere Mann in der Mitte mit Nähe zur Line-Of-Scrimmage. Ein Auslaufmodell? Durch ein Sammelsurium an neuen Formationen und Taktiken, sowie aufgrund des immer häufigeren Einsatzes von Hybrid-Spielern, galt die Position in den letzten Jahren als immer mehr vernachlässigbar. Ebenso divergieren die Anforderungen an Linebacker im Gegensatz zu klassischen Systemen. Der „neue Prototyp“ des Linebackers verlangt ein weitreichendes Skill-Set, das Schnelligkeit, Kraft und Athletik in der Box genauso beinhalten muss wie Coverage-Fähigkeiten. Linebacker müssen weiterhin gute Run-Stopper sein, aber sie müssen in der Lage sein immer häufiger gegen Multiple-Receiver-Sets Räume zu verteidigen. Etliche LBs fokussieren sich auf den Pass-Rush als vorgezogene LB/DE-Hybriden, Safeties spielen mittlerweile oft vorgezogen als S/LB-Hybriden und sowieso: viele Teams haben überhaupt nur noch zwei klassische Linebacker (MIKE, WILL) in der Formation. Moderne Offenses spielen nur noch selten den klassischen Smashmouth- mit Power-Runs beladenen Downhill-Football. Und: manche Teams werfen den Ball mittlerweile in 70% aller Spielzüge. Linebacker sind also leichter und flinker geworden und es gibt viele Spielsituationen in denen nur ein einziger Linebacker auf dem Feld steht. Auch die körperlichen Anforderungen haben sich dadurch verändert. Ray Lewis, Brian Urlacher oder Junior Seau waren bullige LBs mit 115 kg Körpergewicht aufwärts. Heutige LBs wie Devin White, Roquan Smith oder Bobby Wagner sind allesamt mindestens 5-10 kg leichter, dafür aber schneller. Das bedeutet: der klassische MIKE-LB muss flexibler sein und muss in der Lage sein, Sideline-to-Sideline spielen zu können. Und bezüglich der Coverage: er muss nicht nur underneath-routes verteidigen können, sondern auch Tight Ends bei Seams kontrollieren oder gar Slot-Receivern in Man-to-Man gegenüberstehen. Dennoch darf man den Einfluss von guten Linebackern keineswegs schmälern. Im Gegenteil. Die Raiders spürten letzte Saison, wieviel Unterschied ein gutes Linebacker-Corps doch machen kann. Seit Jahren hatten die Silver&Black in dieser Positionsgruppe keine Spieler, die zur Elite der Liga gehören. Mit Denzel Perrymans Aufstieg und einer genialen Rookie-Saison von Divine Deablo war eines klar: mehr Sicherheit in der Spielfeldmitte heißt deutlich weniger Sorgen in der Gesamtheit. Perryman, der die Saison mit satten 145 Tackles abschloss, war „all over the field“, seine Präsenz nicht zu leugnen. Von daher: wer dem Linebacker heute keinerlei Gewichtung gibt, wird schnell spüren, dass im Football jede Position von enormer Wichtigkeit ist. Und Nachlässigkeiten schnell bestraft werden. Wir erinnern uns, wie viele Yards die Raiders in den letzten Jahren an Tight Ends abgaben…

Für die Draft-Klasse 2022 kann man sagen: die Transformationen auf dem Feld sind auch leicht im Scouting erkennbar. Viele Linebacker im diesjährigen Draft sind Hybrid-Spieler. Und wir haben bei den Top Picks deutlich mehr „moderne Prototypen“. Die beiden Top-Prospects der Klasse, Nakobe Dean und Devin Lloyd sind zwei Beispiele dafür. In der gesamten Klasse gibt es kaum Spieler, die über 250 Pfund wiegen. Im Gegensatz zum letzten Jahr, in dem etliche Rookies eine grandiose Saison gespielt hatten (man erinnere sich an Micah Parsons), finden wir in der diesjährigen Klasse aber wenig Top-End-Talent und die Gesamttiefe der Klasse ist noch deutlich ausbaufähig. Neben Lloyd und Dean sehe ich ein durchaus starkes Top-10-Tier, danach fällt das Talent allerdings etwas ab. Mein Lieblingsspieler der Linebacker Prospects ist dieses Jahr Chad Muma. Im Folgenden seht ihr, warum und wer noch auf meiner Liste ganz oben steht. Eine wichtige Anmerkung vorweg: einige Prospects, die als Linebacker und Edge-Rusher gelistet sind, werde ich bewusst in letztere Kategorie packen. Dazu zählen unter anderem Nik Bonitto oder Arnold Ebiketie. Ihre Haupt-Stärken bestehen nicht im klassischen LB-Game, sondern den Pass Rushing Skills. Daher ist eine kleine Anpassung nötig. Und: leider entschied sich eines meiner Top Prospects, DeMarvion Overshown von Texas, gegen eine Partizipation in der diesjährigen Runde. Schade, aber ist so 😉

1

Nakobe Dean, MLB, Georgia

2021: 15 Spiele, 72 Tackles, 10.5 TFL, 8 Sacks, 5 PD, 2 INT, 2 FF

Obwohl Nakobe Dean bei der Combine keine Bäume ausriss, dürfte er mit Devin Lloyd weiterhin das Top-Duo bei den Linebackers darstellen. Deans Karriere war schon sehr früh von hohen Erwartungen geprägt, er gewann den Highschool Butkus Award und legte am College noch einen drauf: der Multisportler (Baseball, Basketball, Football) holte den Butkus Award für den besten Linebacker aller Universitäten. Dean ist ein extrem guter Pass-Rusher für seine Position, eine Führungsfigur der Georgia Defense und ihr Playcaller. Und er ist einer der besten Athleten im anstehenden Draft. Gegen ihn verzeichneten gegnerische Quarterbacks gerade einmal ein Rating von 30.7 bei ihren Pässen, weswegen Dean oben drauf als einer der besten Coverage LBs gilt. Er kann effektiv blitzen und ist ein Downhill-Runstopper mit hoher Beweglichkeit und Sideline-to-Sideline Fähigkeiten, sowie einem schönen Closing Speed. Sicher im Open Field Tackling und geduldig in Man-to-Man-Coverage, diagnostiziert Dean schnell Spielzüge, füllt seine Gaps und zeigt schönen Widerstand, wenn er im 2nd Level geblockt wird. Er reagiert kaum über und hat auch mit schnellen RBs keine Probleme, liest korrekt seine Assignments. Zwar sind Deans Richtungswechsel manchmal etwas langsam und er besitzt mit seinem kleinen Körperrahmen wahrlich nicht die besten Tools was Maße und Gewicht anbelangt. Gegen Tight Ends kann ihm das bei Seam Routes zum Verhängnis werden. Dennoch könnte er als WILL in der NFL mehr als eine durchschnittliche Karriere hinlegen. Dean ist ein ehemaliger 5-Star-Recruit. Von denen eben ein nicht kleiner Teil erfolgreich im Pro Level spielt. Ich sehe Dean als ersten Linebacker vom Board gehen und folglich ist er auch auf meiner Liste die Nummer 1.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 1st Round / Mein Board: 1st Round

Filmmaterial:

2

Devin Lloyd, OLB, Utah

2021: 14 Spiele, 111 Tackles, 22 TFL, 7 Sacks, 4 INT, 2 TD, 6 PD, 1 FF, 1 FR

Devin Lloyd wäre beinahe der Top-Pick auf meinem Board geworden. Nakobe Dean ist aber aufgrund des massiven Recruiting in den letzten Jahren eine Bank. Lloyds Erfolg kam etwas später und war nicht von gleicher Konstanz geprägt wie bei Dean. So richtig hot wurde Lloyd erst in den letzten beiden Jahren. Das ehemalige 3-Star-Prospect lief 2021 zu Höchstform auf. Lloyds mega Production stellt alles in den Schatten und da er 2020 nur in fünf Spielen auflief (Utah bestritt wg. Covid insgesamt nur 5 Partien), galt er bis vor der letzten Saison als Under-the-Radar Spieler. Eine gute Combine besiegelte aber nun wohl seinen hohen Draft-Status. Lloyd besitzt die ideale Statur und perfekte Körpermaße für die Position, er ist ein großer Linebacker, stark und massig, aber dennoch flink und beweglich. Er spielte in Utah neben Nephi Sewell in einer aufstrebenden LB-Unit. Zu seinen Stärken zählen u.a. sein Lateral Movement und seine Explosivität. Lloyd ist „all over the field“ und ein guter Pass Rusher. Er ist intelligent und merzt seine Schwächen kontinuierlich aus. Etwas, was NFL Scouts gerne sehen. Beispielsweise entwickelte er sich zu einem besseren Coverage-LB, wirkt teilweise wie ein Cornerback oder Safety. Kein Wunder, denn Lloyd spielte an der Highschool noch als Backfielder. Dennoch ist er stark wie ein Linebacker, arbeitet energisch gegen Blocks, zeigt dabei exzellentes Footwork. Seine Technik ist schön anzuschauen, dennoch wirkt er manchmal zu aggressiv. Gegen stärkere Blocker unterliegt er nicht selten. Dennoch ist er ein Versatility-Spieler erster Güteklasse. Er lief nicht nur als MIKE auf, sondern auch OLB, WILL oder sogar Edge. Er kann durchaus auch Slot-Receiver covern. Idealer Fit wäre bei ihm eine Tampa 2 Defense, in der er als MIKE spielt. Er zeigt mittlerweile kaum mehr Schwächen, außer dass er sich zu oft in Blocks verheddert. Alles in allem definitiv ein NFL-Starter. Und sein Vorname: wenn das keine Erinnerungen an Devin White weckt…Devin Lloyd jedenfalls könnte in der NFL eine ebenso steile Karriere hinlegen wie sein Namensvetter von den Buccaneers. In jedem Fall: die 1.Runde kann schon mal reingebucht werden.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 1st Round / Mein Board: 1st Round

Filmmaterial:

3

Chad Muma, MLB, Wyoming

2021: 13 Spiele, 142 Tackles, 8 TFL, 1.5 Sacks, 3 INT, 2 TD, 1 FR

Legend-Printer goes Brrrrrrrrrr. Damned, ich bin heiß auf Chad Muma. Kaum einem anderen LB schaue ich so gerne zu wie dem Small-School-Prospect von Wyoming. In den letzten Jahren starteten so einige Spieler von mäßig gerankten Unis in der NFL durch und das immer enger werdende Teilnehmerfeld im CFB verspricht auch für die nächsten Jahre so manche Überraschung. Mumas Talent ist unverkennbar und mich stört es ehrlich gesagt kaum, dass er nicht gegen die Top-Unis des Landes aufgelaufen ist. Rückblickend werden sich sich die Teams die Finger verbrennen, wenn sie ihn aus diesem Grund nicht draften. Muma ist eine Tackling Machine mit hohem Football-IQ und ein Fast Learner. Bei den Cowboys spielte er 821 Snaps (!) und war mit 142 Tackles der landesweit führende Defender in dieser Kategorie. An der High School noch als DB aktiv, kam er zu Anfang seiner CFB-Karriere zu den Special Teams, um 2021 endlich eine Breakout-Saison abzuliefern. Mittlerweile ist er ein Role Model-Spieler, der „sie alle macht“. Tackles aus langer Distanz, Diving Tackles, Hard Hits, kaum YAC, wenn er in der Nähe des Receiver steht. Doch das nicht alleine. Muma ist neben Leo Chenal einer der besten Block Shedder der Nation, seine laterale Schnelligkeit führt zu schnellen Releases und exzellentem Run-Defending. Er diagnostiziert wahnsinnig schnell einen Spielzug, kann zudem SAM, MIKE oder WILL spielen. Muma ist ein klassischer 3-Down-LB, der zudem etwas schwerer ist als Lloyd und Dean. Ein eher „klassischer“ Linebacker was die Maße und sein Gewicht anbelangt. Herausragend: die Konstanz, in denen er Plays macht. Er hat zwar keine überragende Beweglichkeit und deckt Underneath Routes deutlich besser als tiefe Routen, dies kompensiert er aber mit hohem Football IQ und harter Arbeitsethik. Nicht umsonst war er der Playcaller der Wyoming Defense und gibt erst nach, wenn der Spielzug abgepfiffen ist. In der Draft-Klasse 2022 stellt er für mich einen der besten Run-Stopper (neben Jalen Pitre bspw.) dar. Der Heavy-Hitter ist einer meiner Underrated Sleeper im anstehenden Draft, ein Geheimtipp. Er wird zwar häufig den Top 50 zugeschrieben, ich sehe aber einen klaren First Round Pick. Erwähnenswert, dass er ursprünglich von der Legend High School stammt. Ist der Name etwa Programm!? Legend printer goes brrrrrrrrrr.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd Round- early 3rd Round / Mein Board: 1st Round

Filmmaterial:

4

Leo Chenal, MLB, Wisconsin

2021: 11 Spiele, 115 Tackles, 18.5 TFL, 8 Sacks, 2 FF

Ich sehe, meine Erwartungen an die LB-Klasse weichen hier und da doch vom Consensus ab. Auch im Falle von Leo Chenal, der zwar einer der Risers auf den Mock-Boards darstellt, den ich aber immer noch deutlich stärker bewerte, als der Konsens. Er ist für mich einer der besten 3-Down-Linebacker der Klasse und ein „klassischer“ LB-Prototyp, der sich in seiner Karriere immer wieder bewiesen hat und in Nebraska aus einer traditionsreichen Defensiv-Schule kommt, die unter anderem Stars wie TJ Watt hervor gebracht hat. Chenal ist gebaut wie ein traditioneller Linebacker, ein eher schwerer Junge, ein typischer Run-Stopper MIKE. Für ein Kaliber seines Umfangs ist er dennoch erstaunlich explosiv, penetriert gegnerische Gaps mit Bravour und ist zudem athletischer, als man es bei seinem Gewicht erwartet. Er zeigt schnelle Reaktionen und ist technisch auf sehr hohem Level. Klasse Arbeit mit den Händen, gutes Block Shedding und verbesserte Pass-Rush Moves (Swim, Swipe) machen ihn aus, sowie seine Wendigkeit und Vielfalt am Point-of-Attack. Er besitzt einen großen Frame, macht Tackles auch aus weniger aussichtsreichen Positionen und findet meist einen guten Winkel, bevor er den Spielzug beendet. Er ist lediglich etwas langsam, kein Sideline-to-Sideline Spieler und trotz guter Reaktion kann es passieren, dass er Richtungswechsel nicht schnell genug vollzieht. Davon abgesehen finde ich, dass es wenig an ihm auszusetzen gibt. Chenal hat eine große Upside und wenig Bust-Potential. Diese Mischung macht ihn zu einem Defender, der im NFL Level weiterhin dominieren könnte. Ich würde Chenal ein 1st-Round-Grade geben, wobei ich realistisch denke, dass er in Runde 2 gedraftet wird. Nach seiner genialen Combine könnten wir hier aber auch den Surprise #1 Pick unter den Linebackern sehen. Watch out!

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd Round / Mein Board: 1st Round

Filmmaterial:

5

Damone Clark, MLB, LSU

2021: 12 Spiele, 135 Tackles, 15 TFL, 5.5 Sacks, 1 INT, 4 PD, 2 FF, 1 FR

Ein Hauptkriterium bei den Linebackers ist Production. Tackles am laufenden Fließband produzieren! Welchen Einfluss ein produktiver Linebacker auf den Spielverlauf hat, sahen wir letzte Saison bei Denzel Perryman. Damone Clark ist ein Spieler von genau dieser Sorte: Eine Tackle-Machine. Der Butkus Award Finalist kommt aus einer zuverlässigen “LB-U” (LSU), die unter anderem Patrick Queen für die NFL ready machte. Ich liebe LSU-Prospects und ich liebe auch Damone Clark. Wenn man seine Fähigkeiten in einem Wort beschreiben müsste würde ich “Range” (Reichweite) sagen. Mit enormem Wing-Span ausgestattet, ist Clark einer der besten Tackler im gesamten Draft und hat eine unglaubliche Beschleunigung auf kurzer Distanz und ein enorm gutes Timing. Und vor allem hat er ein Gespür für große Momente, wird immer dann stark, wenn sein Team ihn braucht und produziert regelrecht Highlight-Tapes. Durch sein Timing und seinen Antritt ist er natürlich ein überdurchschnittlicher Pass Rusher und besitzt dafür viele Qualitäten: Beweglichkeit, Footwork auf engem Raum, Burst. Aber das, was ihn so gefährlich macht ist, dass er diese Qualitäten mittlerweile auch in der Coverage einsetzt. Er verbesserte sich 2021 enorm in der Mann- und Raumdeckung. Worin Clark noch Probleme hat: mit Misdirection- und Counter-Plays, Blockshedding und seiner Gesamtübersicht bzw. seinen Routen, die er einschlägt um zum Ballträger zu kommen. Ich würde abschließend behaupten, dass Clarks Upside ziemlich groß ist, er aber in einigen Bereichen auf ein gutes Coaching angewiesen ist. Wenn die Detailarbeit geklärt ist, sehe ich Clark als überdurchschnittlichen Starter. NFL Teams werden ihn aber frühestens in Runde 2 holen.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd – 4th Round / Mein Board: 2nd Round

Filmmaterial:

6

Christian Harris, MLB, Alabama

2021: 15 Spiele, 80 Tackles, 11.5 TFL, 5.5 Sacks, 3 PD, 2 FF

Christian Harris wird viel und hoch gepriesen. Auf etlichen Boards ist er einer der Top-3 Linebacker. Ich jedoch glaube: er braucht noch etwas Zeit. Der ehemalige 4-Star-Recruit von Alabama geht ein Jahr früher als erwartet in den Draft und könnte sich als ein Faller herausstellen. Ich denke nicht, dass er es in die erste Runde schaffen wird. Man merkt schnell, dass er für einen Linebacker doch recht klein wirkt und es ist tatsächlich weniger seine Stärke, sondern eher seine Quirligkeit, die ihm zu Gute kommt. Harris ist ein athletischer Spieler, der bei Seam Routes Tight Ends decken kann und einen wahnsinnigen Long Speed hat und in Man-to-Man recht standhaft wirkt. Er ist ein guter Blitzer und beim Dropback gewinnt er schnell Tiefe in der Verteidigungszone. Er kann als 3-Down-LB spielen, hat schnelle Richtungswechsel, aber alles was mit physischen Fähigkeiten zu tun hat, muss er noch verbessern. Beispielsweise würde ihm mehr Konstanz gut tun und gerade beim Tackling sieht man Defizite, gegen schwerere Blocker hat er teils enorme Release-Probleme. Zwar reagiert er schnell auf Pulls und fieselt sich irgendwie zum Ballträger durch, ist aber manchmal recht langsam an der LOS. Insgesamt kann man sagen, dass er im ersten Jahr mehr Entwicklungsspieler als Impact-Player sein wird. Dennoch: ein Spieler mit großer Upside! Seine Combine war relativ überragend und ich kann jeden verstehen, der ihn in die Top 5 nimmt. Dass Damone Clark bei mir einen Spot über ihm liegt, ist einzig und allein persönliche Präferenz, denn als Ohio State und LSU Sympathisant freue ich mich immer über Spieler von diesen beiden Unis und glaube, dass die Linebacker Coaches bei LSU zu den besten des Landes gehören. Dies gilt allerdings auch für Alabama, weswegen es keine Schande ist, Harris auch schon früher zu picken.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 1st-2nd Round / Mein Board: 2nd Round

Filmmaterial:

7

Brian Asamoah, MLB, Oklahoma

2021: 12 Spiele, 80 Tackles, 3.5 TFL, 1 Sack, 2 FF

Asamoah ist einer der Risers unter den diesjährigen Linebackern. Seine Entwicklung innerhalb der letzten Saison ist erstaunlich, er ist ein Beispiel für kontinuierliche Verbesserung. Vor einem Jahr wurde ihm maximal ein Late-Round Draft-Grade zuteil, mittlerweile sehen ihn die meisten Mocks zwischen Runde 2 und 3 weggehen. Asamoah ist ein ähnlich athletischer LB wie Damon Clark mit einer irren Reichweite. Man fühlt seine Präsenz, er hat einen schnellen Antritt, auch wenn er deutlich kleiner ist als dieser und insgesamt zu den kleineren Spielern seiner Klasse gehört. Dennoch ist er dafür außerordentlich stark, zeigt Explosivität und Aggressivität und kann locker Sideline-To-Sideline spielen. Mir gefallen seine Zone Coverage Fähigkeiten, auch wenn er gegen große Tight Ends Probleme haben könnte. Asamoah zeigt dennoch insgesamt schnelle Reaktionen, natürliche Football-Instinkte und Schnelligkeit auf engem Raum, um konstant in der Nähe des Geschehens zu sein. Gegen Pocket-QBs ist er effektiv, mit schnellen Spielern kann er im Pass-Rush allerdings Probleme bekommen, seine Richtungswechsel sind nicht schnell genug. Technisch bewegt sich Asamoah auf hohem Niveau, aber seine Pass Rushing Moves sind definitiv noch ausbaufähig. Sollte er bei Pick #86 noch verfügbar sein, wäre er ein interessanter Pick für die Raiders. Perryman und Deablo sind effektive Run Stopper, mit Jayon Brown haben wir einen guten Coverage-LB. Asamoah könnte der Gruppe mit seiner Versatility nützlich sein und er hat definitiv eine dicke Upside. Sein Lieblings-LB ist übrigens Ray Lewis und wir erinnern uns: der war klein in seinen Maßen, aber der Größte im Outcome. Wie in Ray Lewis sehe ich auch in Asamoah einen Effort-Player, der nie aufgibt und durch spritziges, hartes, aber auch intelligentes Spiel ein kompletter 3-Down-Backer in der NFL sein kann. Und zudem eine interessante Führungsfigur.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd – 3rd Round / Mein Board: 2nd Round

Filmmaterial:

8

Brandon Smith, OLB, Penn State

2021: 12 Spiele, 81 Tackles, 9 TFL, 2 Sacks, 1 FF, 5 PD

Brandon Smith ist ein 5-Star Recruit und früherer Highschool-Star, der seit Jahren oben im Linebacker-Board steht. Und dennoch: er gehört für mich zu den Fallers der Klasse. Ich sehe zwar einen schönen Coverage Linebacker, aber keinen Allrounder und insgesamt einen soliden von Kraft strotzenden Spieler, aber nicht die entscheidenden Verbesserungen um ein Top-End Prospect darzustellen. Athletisch ist Smith sicherlich nah am Elite Bereich, landete immerhin auf Bruce Feldman’s Freak List auf Platz 32. Er besitzt auch gute Scheme Versatility, switchte 2021 von SAM auf WILL und er ist zudem einer der schnellsten Linebacker im Draft. Dennoch blieb er unter den Erwartungen eines 5-Stars. Smith verpasst zu viele Tackles, wirkt in Open Space bisweilen etwas verloren und muss im Run-Stop noch einiges drauf legen. Dennoch meine ich solide, wenn ich solide sage. Man wird keine negativen Überraschungen von Smith bekommen. Er kommt wie Clark auch von einer Linebacker-U. Penn State produzierte erst letztes Jahr einen der besten Rookies mit Micah Parsons. Smith ist ein 3-Down-Backer und wird Parsons zwar keine Konkurrenz machen, aber er kann locker NFL-Starter werden.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd Round / Mein Board: 3rd Round

Filmmaterial:

9

Quay Walker, MLB, Georgia

2021: 13 Spiele, 65 Tackles, 5.5 TFL, 1.5 Sacks, 3 PD, 1 FR

Georgias Linebacker Unit ist die beste seit Langem im College Football. In diesem Jahr befinden sich gleich drei Linebacker (Dean, Walker, Tindall) auf dem Board. Die Defense der Bulldogs ist gespickt mit weiterem Talent (Trevon Walker, Wyatt, Davis, Kendrick, Cine). Da fällt es manchmal nicht leicht, herauszufinden, wer nur auf der Welle mit schwimmt und wer ein maßgebliches Rädchen im Getriebe darstellt. Für alle Genannten gilt in diesem Fall: Believe the hype! Ich bin begeistert von allen und dass Quay Walker in meinen Top 10 ist, ist kein Wunder. Seine Spielweise zu beschreiben wirkt etwas schwer auf mich. Er wirkt irgendwie lang und schlaksig, was bei seiner Größe von 195cm auf kein Wunder ist. Aber Walker spielt auch so. Er wirkt relativ lässig, schlendert herum und ist geduldig, schlägt dann aber zu. Dabei hilft ihm seine Leverage und das, was ich in einem Report als „understands micro-movements“ gelesen habe. Heißt: er geht mit seinen Bewegungen sparsam um, versteht es dann aber intuitiv am richtigen Ort zu sein. Seine Change-of-Direction Skills sind auf gutem Level und er erkennt freie Räume, die er mit gutem Stellungsspiel füllt und mit genialem Tackling abschließt. Er verpasste in Georgia nur drei Tackles in der ganzen Saison. Elite auf diesem Gebiet! Dabei hilft ihm seine Abschluss-Schnelligkeit und seine Physis. Blocks nimmt er effektiv auf, da es ihm nicht an Stärke mangelt. Bei Interior Blitz-Packages ist er gefährlich und wird das wohl aufs NFL-Level mitnehmen. An seinen Coverage Fähigkeiten muss Walker noch arbeiten. Gegnerische QBs erzielten gegen ihn ein Rating von 95.6. Alles in allem ist Walker ein solider end 2nd to 3rd Round Pick, der etwas under-the-radar ist.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd-3rd  Round / Mein Board: 3rd Round

Filmmaterial:

10

Darrian Beavers, LB, Cincinnati

14 Spiele, 98 Tackles, 11 TFL, 4 Sacks, 1 INT, 2 FF, 2 FR

Boom or Bust? Diese Frage stellt sich im Zusammenhang mit Darrian Beavers. Der Linebacker der Cincinnati Bearcats zählt zu den Prospects, deren Prognosen unterschiedlicher nicht sein könnten. Ist er in manchen Mock-Drafts in Runde 2 zu finden, bescheinigen ihm andere Experten wiederum, dass er maximal als Undraftet Free Agent (UDFA) die NFL bereichern wird – wenn überhaupt. So weit will ich nicht gehen. Ich sehe in ihm einen soliden End-3rd-Rounder, im schlimmsten Fall einen Mid-5th. Was ist das Manko bei Beavers oder warum sollte man ihn draften? Nun, Beavers zählt zunächst mal zu den Oldschool LBs, ein klassischer Run-Stopper. Er ist in Man-to-Man Coverage nicht wirklich überzeugend und war vor drei Jahren noch ein bedeutungsloser UConn-Spieler, ehe er 2020 nach Cincy ging. Dort stand er in einer talentierten Defense mit weiteren High-Profile-Picks (Gardner, Bryant, Cook), die ihm mit Sicherheit einiges an Arbeit abnahmen. Zudem wirkt er etwas steif, seine Hüftbewegungen sind verbesserungswürdig, er verpasst viel zu viele Tackles und liest ab und an Spielzüge fehl. Kommt ein Run, stept er zunächst nach hinten, kommt ein Pass, erwischt man ihn manchmal (insbesondere bei PA) in der Bewegung nach vorne. Man merkt, wie viel Coaching es noch braucht, bis er ein kompletter Spieler ist. Und dennoch: Als krasser Athlet, der sich selbst einer Körpertransformation unterzog (spielte in UConn noch Safety) ist er ein Paradebeispiel für gute Arbeitsethik. Er ist ständig bestrebt, seine Fehler wieder gut zu machen. Seine besten Spielzüge folgen häufig auf größere Fehler, was zeigt, dass er einstecken kann und dann den nötigen Biss wieder findet. Immerhin brachte er es in die Endrunde der Butkus-Award-Auslosung. Seine Upside ist also zweifellos zu erkennen und wenn er in der NFL dynamischer und schneller werden kann und keinen Misreads aufläuft, wird er mindestens ein Quality-Backup sein. Als OLB in einer 3-4 Defense am besten geeignet. Sollte er in Runde 4 sliden, könnte er auch ein möglicher Pick für die Raiders sein. In Runde 3 stünde zur Debatte, welche anderen Prospects noch „on the board“ sind. Da Beavers sowohl Odd, als auch Even Front spielt und zudem in Sub-Packages als End eingesetzt werden kann, bringt er auch die nötige Versatility mit. Für Aufsehen sorgte Beavers an Tag 1 der Combine, als er etliche Running Backs im 1on1-Route-Running-Drill verblassen ließ. Er arbeitet zweifellos an seinem größten Manko, der Coverage. Auf meinem Board reicht es gerade noch so für die Top 10. Wir sind gespannt, wo Beavers Reise hingeht.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 4th-6th / Mein Board: End 3rd

Filmmaterial:

Weitere:

Channing Tindall, LB, Georgia // 3rd-4th

JoJo Domann, LB, Nebraska // 3rd-4th

Troy Anderson, LB, Montana State // 3rd-4th

Nephi Sewell, LB, Utah // 4th

Josh Ross, LB, Michigan // 4th

Zacoby McClain, LB, Auburn // 4th

Jack Sanborn, LB, Wisconsin // 4th

Geheimtipp:

Troy Anderson, Montana State

Es heißt immer, Small School Prospects wären overrated, da ihnen der Wettbewerb fehle, weil sie kaum gegen professionelle und erfolgreiche Universitäten spielten. Doch warum denkt kaum einer andersrum? Small School Prospects beweisen, wie sie sich trotz fehlender Aufmerksamkeit auf die nationale Bühne kämpfen und durchsetzen können. Allen Widrigkeiten zum Trotz. Und obwohl sie im Gegensatz zu Athleten von den Top-Unis auf weit weniger Komfort zurückgreifen können. Warum sie dann also nicht gleichwertig bewerten, wenn wir schöne Dinge auf dem Feld sehen? Warum nicht dem Small School Prospect Hype auf den Leim fallen? Troy Anderson ist einer von ihnen. Und Montana State wahrlich eine Small School. Also bitte: wer wagt, gewinnt!

Wen sollten die Raiders draften?

Ich habe ein paar klare Favoriten, wenn es um die Picks in der 3. und 4. Runde geht. Brian Asamoah, weil er wahrscheinlich der Best Available LB sein wird, falls er auf #86 fällt und er zudem sehr vielfältig ist. Jojo Domann, weil er einer der besten Coverage und Corner-Blitz Linebacker der Klasse ist und vielleicht sogar in Runde 4 noch zu haben sein könnte. Nephi Sewell, weil ich seinen Spirit und Effort liebe. Oder Darrian Beavers, wenn wir nach einem Hard Hitter suchen. Ich tendiere aber eher dazu, Linebacker erst ab der 4. Runde zu draften, wenn nicht gar später (im Fall der Raiders, nicht allgemein). Obwohl ich finde, dass die Klasse tiefer ist als vor ein paar Monaten noch gedacht, gibt es nur wenige Top End Player und overall wird wohl auf anderen Positionen noch mehr Value zu finden sein. Linebacker Value in der 4th und 5th Round erscheint mir am plausibelsten.

 

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