In ein paar Tagen ist es endlich so weit. Der NFL-Draft geht in seine 87. Runde und die zweite Phase der Off-Season geht los, nachdem die Teams in den vergangenen Wochen ihre Grundgerüste für die neue Spielzeit in der Free Agency zusammenstellen konnten. 21 Spieler wurden vergangene Woche eingeladen, um persönlich anwesend zu sein, wenn ihre Namen (aller Wahrscheinlichkeit nach) gezogen werden. Nachdem wir auch bei LocoFootball mit der Vorstellung der allermeisten Position Groups durch sind, präsentieren wir euch heute mit den Edge Rushers/Defensive Ends eine weitere Gruppe. Und so viel schon mal vorweg: diese hat es in sich!

Bevor es losgeht, noch ein paar Worte zu meinen Rankings und weiteren Artikeln, die ihr vor dem Draft lesen könnt: Wie ihr wisst stellt die Präsentation der Edge Rusher die letzte dar, die ihr vor dem Draft sehen werdet. Die Positionsgruppen der Quarterbacks, Tight Ends und Running Backs werden nicht mehr intensiv vorgestellt. Dies liegt zum einen an der Popularität dieser Positionen insgesamt und der damit einhergehenden Fülle an Draft-Reports, die sie schon abdecken, zum anderen an persönlichen Präferenzen. Schlicht und einfach: ich finde diese Position Groups nicht herausstechend genug, um nicht gar zu sagen, fast etwas uninteressant. Dies mag nicht an der Verschmähung einzelner Charaktere/Spieler liegen, mir fehlen in den angesprochenen Klassen aber einfach die Tiefe und herausragende Talente, sodass ich sie in meinem diesjährigen „Filmstudium“ zwar nicht ausgelassen habe, aber doch etwas stiefmütterlich behandelt habe. Darüber hinaus lag meine persönliche Präferenz hauptsächlich darin, mich auch intensiv umzuschauen, wen „meine“ Raiders draften könnten und wie ich bereits in meinem letzten Artikel angedeutet habe, Vegas ist mehr als „gesättigt“ auf diesen drei Positionen. Dennoch soll es einen weiteren Artikel geben, der – in Listenform – nochmal eine (aktualisierte) Gesamtübersicht meiner Top 10 Rankings geben wird. In dieser werden dann auch die eben erwähnten Positionen mit aufgeführt. Am Tag vor dem Draft wird es dann mein Big Board mit den Top 100 Draft-Picks (ebenfalls in Listenform) geben. In diesem Sinne: watch out! Und genießt die Vorfreude auf den großen Tag!

Ein paar Anmerkungen noch zu den Raiders: Der Draft wird dieses Jahr von Las Vegas gehostet, für die Silver&Black ist es allerdings kein „Heimspiel“, denn sie haben nach dem Trade für Davante Adams in den ersten beiden Runden keine Draft-Picks mehr zur Verfügung und kommen erst in der 3. Runde an Position #86 zum Zug. Der NFL-Draft 2022 bietet aber eine außerordentliche Tiefe an Talent und Value Picks sind selbst in den hinteren Runden noch durchaus möglich. Gerade die ersten vier Picks von Vegas (86, 126, 164, 165) befinden sich in einer Range, in der man Qualitätsspieler finden kann und die Positions of Need (OL, LB, CB) noch mit abdecken kann. Insbesondere die aufeinanderfolgenden Picks in Runde 5 stellen einen enormen Trade-Value dar. Passt auf: es ist durchaus möglich, dass die Raiders einen oder mehrere ihrer Picks in einen Trade involvieren! Sollte ein gewünschter Spieler fallen, der bei Vegas oben auf der Liste steht, ist durchaus auch ein Trade in die 2. Runde im Bereich des Machbaren. Andersrum: auch ein Trade nach hinten ist durchaus möglich! Ob die Raiders wirklich #86 brauchen, um ihren Wunschspieler zu bekommen oder ob nicht doch ein #90er/100er Pick reicht, ist definitiv noch nicht abschließend geklärt und es könnte in diesem Draft sowieso zu einigen unerwarteten Begebenheiten kommen. Und vergesst nicht: nothing is granted! Außer: dass wahrscheinlich die Hälfte aller Gedrafteten in Jahr 1 kaum eine bis überhaupt keine Rolle in ihren Teams spielen wird. Viele Rookies werden scheitern, andere werden aufblühen, der Großteil davon werden Namen sein, mit denen wir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht rechnen. Von daher: seid nicht enttäuscht, wenn wir keine Big Names bekommen. Befasst euch lieber anschließend mit den Spielern und ihren Stärken, wie sie unserem System helfen könnten und gründet eure Meinung auf dem, was sie zeigen, wenn sie ihre Chance bekommen!

Die Edge/DE- Klasse 2022

Die diesjährige Edge Rusher Gruppe ist meiner Meinung nach die beste Positionsgruppe im gesamten Draft, denn sie hat ein irres High- End- Talent und ihr fehlt es zudem nicht an Tiefe. Die Frage, die sich seit mehreren Wochen wie ein roter Faden durch die Analysten-Bewertungen zieht: Wer wird an Nummer 1 gedraftet? Und: wieviele Edge Rusher werden es in die Top 10 des Draft schaffen? Zwei Namen, die immer wieder genannt werden: Aiden Hutchinson, Standout von Michigan und letzte Saison immerhin im CFB-Semifinal, und Kayvon Thibodeaux, seinerseits 5-Star-Recruit von Oregon und eines der heißesten Prospects. Doch zu den beiden gesellte sich ein weiterer großer Name, der in einer der besten Defenses für Furore sorgte: Travon Walker von Georgia. In einigen prominenten Mock-Drafts wird mittlerweile davon ausgegangen, dass er den beiden „gesetzten“ Top-Spielern Konkurrenz machen kann und es eventuell sogar bis zum Pick #1 im gesamten Draft schaffen kann. Des Weiteren ist die Klasse voller Talent in der Tiefe und die Upside ist riesig. Es kann durchaus sein, dass sie einiges an Pro-Bowl-Kalibern produziert. Neben Hutchinson, Thibodeaux und Walker gehören insbesondere Jermaine Johnson II, George Karlaftis, Boye Mafe und Arnold Ebiketie ins High-End-Segment, aber selbst Namen wie Cameron Thomas, Nik Bonitto, Drake Jackson, Josh Paschal oder Kingsley Enagbare könnten es in der NFL zu einigem bringen. Es ist also einiges an Talent vorhanden, ich habe im Folgenden versucht das Ganze für euch in eine Übersicht zu packen. Meine Top 10!

(Anmerkung: die meisten der hier vorgestellten Edge Rusher spielen als klassische 4-3 oder 3-4 Defensive Ends, einige wenige wurden bei ihren Teams auch als Outside Linebacker eingesetzt. Sie sind aber dennoch hier gelistet. Zudem legte ich beim Scouting mehr Wert auf Pass Rush und Run Stop, als auf Coverage. Dies dürfte im Gesamten aber kaum einen Unterschied machen)

1

Aiden Hutchinson, Michigan

2021: 12 Spiele, 54 Tackles, 14.5 TFL, 12 Sacks

Hutchinson landet bei mir nicht nur auf Platz #1 der Edge Rusher, sondern definitiv auch in den Top #3 im gesamten Draft. Der Star-Defensive End spielte wie sein Vater in Michigan und kam als 4-Star-Recruit ans College, wo er bereits in seinem zweiten Jahr für Furore sorgte, über 10 TFL produzierte. Nachdem er 2020 in der Covid-Saison verletzungsbedingt raus musste, war bis vor der letzten Saison noch nicht klar, in welche Richtung es für ihn geht. Doch dann dominierte er 2021 auf voller Strecke, gönnte sich in 12 Spielen satte 14.5 TFL und 12 Sacks und zog mit seiner Mannschaft ins Halbfinale ein. Er wurde zum Big Ten Player of the Year gewählt und war sogar in der Diskussion um den Heisman Award. Für einen Edge Rusher tatsächlich ein starkes Stück! Hutchinson wird häufig mit den Bosa-Brüdern verglichen und in der Tat, seine Pass Rushing Skills sind phänomenal. Von der Antizipation beim Snap (er startet fast immer als erster) bis hin zu seinen Moves ist alles ausgefeilt, er schlägt Tackles auf der Inside und Outside, nimmt sehr schnell Geschwindigkeit auf, hat einen guten Burst und schnellen Release. Er ist stark im Bull Rush und ein wahrer Gap Shooter und verkleinert mögliche Pass-Fenster für gegnerische QBs – aufgrund seiner Größe und proaktiver Arbeit gegen die O-Line. Seine Augen hat er dabei immer im Backfield und reagiert mit lateralem Movement schnell auf Richtungswechsel. Seine Handarbeit ist aggressiv und von Stärke geprägt, am Point-of-Attack geht er gnadenlos zu Werke. Beim Tackling ist er kompromisslos und sicher (bis auf wenige Ausnahmen, was gleichzeitig eine seiner wenigen „Schwächen“ darstellt). Gegen den Lauf aber eine Bank. Im CFB-Halbfinale standen ihm einige NFL-Kaliber gegenüber, er ging etwas unter, weswegen er minimal in Kritik geraten war. Auf dem Tape sieht man dennoch kaum Negatives. Scouts gehen davon aus, dass Hutchinson jemand ist, um den herum auch NFL-Teams ihre Kader aufbauen werden, ein Herzstück eines jeden Kaders. Und: er ist multidimensional, kann sogar in der 3-technique spielen. Seine einzige Downside scheint die Frage zu sein, ob seine alte Verletzung wieder aufflammen könnte. Was er in der NFL verbessern könnte? Eventuell seinen Closing Speed bei Outside Runs oder seine Short Area Quickness, wenn er das erste Duell verliert. Ebenfalls seine Explosivität und Recovery, wenn er in der lateralen Bewegung geschlagen wird. Sonst gibt es eigentlich kaum Probleme. 2020 stand Hutchinson mit einem weiteren Star-Edge im Team: Kwity Paye, der letztes Jahr in die NFL gedraftet wurde. Paye war Team-intern 2020 die Nummer #1, Hutchinson verdeutlichte aber, dass er Paye in nichts nachsteht. Seine Arbeitsethik und Big Play Ability machen ihn zu einem Prospect, das sich in die lange Tradition erfolgreicher Michigan-Defender einreihen wird. Charles Woodson lässt grüßen!

Voraussichtliche Draft Runde:

Consensus: 1st Round, Top 3 / Mein Board: 1st Round, Top 3

Filmmaterial:

2

Jermaine Johnson II, Florida State

2021: 70 Tackles, 17.5 TFL, 11.5 Sacks, 2 FF, 1 FR, 1 TD

Boom, da haben wir die erste dicke Überraschung. Kein Kayvon Thibodeaux auf #2, sondern ein Riser des letzten Jahres und eine meiner Big Board Surprises. Jermaine Johnson ist ein Ausnahmetalent! Vor seiner College-Zeit nur ein 2-Star-Recruit, mittlerweile aber in einigen Mocks sogar in den Top 10 zu finden. Das Mindeste, was die meisten Johnson geben, ist ein 1st Round Grade. Und das vollkommen zu Recht! Kennt ihr noch die Netflix-Serie „Last Chance U“? Johnson war eines der JUCO-Talente vom Independence Community College in Kansas und hat sich wahrlich hochgespielt in den Rankings. Weil er aufgrund seiner schulischen Leistungen nicht ans College promotet wurde, musste er den Umweg übers Junior College einschlagen und kam letztlich zu Georgia. Dort bekam er kaum Spielzeit in zwei Jahren und spielte zeitweise sogar als Outside Linebacker. Dann der Transfer zu Florida State, wo er einschlug wie eine Bombe. Er brachte es auf 14 Sacks und 25 QB Hurries, wurde zum ACC Player of the Year gekührt und galt als Führungsfigur der Seminoles. Was Johnson bewiesen hat: sobald man ihm die Chance gibt, nutzt er sie. Seine Hauptschwäche ist die fehlende Erfahrung, aber dies hat er im letzten Jahr durch außerordentliche Spiele kompensiert. Er gilt als einer der athletischsten Ends im diesjährigen Draft, hat ideale Maße für die Position und sein Spiel ist durch Physis und Speed geprägt. In den Trenches hält er stark dagegen, seine Stunts sind fast auf Elite Level und er hat mit die besten Hände, was an seinem riesigen Arsenal an Pass Rushing Moves abzulesen ist. Bei der Combine trainierte er bei den Linebackers und Edge Rushers, daher ist er auch einer der besseren Coverage Ends. Er spielt immer mit Full Speed, setzt seine Hüften gut ein, was ihm laterale Schnelligkeit gibt und sein Spiel sieht flüssig aus, er macht kaum überflüssige Bewegungen. Beim Senior Bowl gewann er am laufenden Band seine 1on1s. Seine Schwächen sind coachable. Er hat bisweilen Probleme beim Release von größeren Linemen und es fehlt ihm manchmal etwas die Vision, das Backfield im Auge zu haben, weswegen er manchmal überreagiert, bei Counters oder Misdirections. Außerdem ist er nicht gerade ein „Range-Player“, er covert wenig Ground und besitzt nicht den Wingspan, den andere Edges in seiner Klasse haben. Dennoch: Johnsons Upside ist gewaltig. Um nicht zu sagen: gewalttätig! Ich glaube JUCO-Spieler, die eine Chance auf die NFL bekommen, nutzen diese meist. Last Chance NFL!

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 1st Round / Mein Board: 1st Round

Filmmaterial:

3

Kayvon Thibodeaux, Oregon

2021: 10 Spiele, 49 Tackles, 12 TFL, 7 Sacks, 2 FF

Thibodeaux ist bei mir nur auf Platz #3 zu finden und das schreibe ich seiner „durchschnittlichen“ Production zu. Spielerisch ist er natürlich ein Ausnahmetalent. Als 5-Star-Recruit 2019 als Nummer #2 Prospect ans College gekommen, interessierten sich insgesamt 27 Universitäten für seine Dienste, unter anderem Alabama. Dass Thibodeaux sich für Oregon entschieden hat, ist allerdings kein Wunder. Die Defense Line Schule der Ducks zählt seit Jahren zu den besten im CFB-Bereich. Und er spielte dort schon ziemlich heftig, um es milde auszudrücken. Dennoch: von einem Elite Edge Rusher will ich mehr Sacks sehen und insgesamt erwarte ich einen größeren Impact, mehr Game-Changing-Ability. Und: ich will kontinuierliche Verbesserung sehen. Daher finden sich Hutchinson und Johnson in meiner Liste vor Thibodeaux. Und wegen seiner größeren Upside hätte ich ihn fast noch Boye Mafe überholt. Geoerge Karlaftis ebenso, wegen seiner Allrounder-Qualitäten. Ein Schelm, wenn ich geglaubt hätte das durchzuziehen… Dass er trotzdem wahrscheinlich in den Top 10 gedraftet wird und auch auf meiner Liste mindestens in die Top #15 kommt, liegt natürlich an seinem krassen Overall Talent und seinem Spiel-Stil, der häufig mit dem eines Jadeveon Clowney verglichen wird. Wenige Schwächen hat er ja nicht. Am häufigsten lese ich: Hand usage needs work. Oder: Use of hands and hand placement could be an area of improvement. Mist, da tappe ich wieder in Unsicherheit. So etwas will ich nicht lesen, wenn wir über Elite-Edges sprechen! Zudem ist er nicht der beste Run-Stopper und seine Größe und Armlänge kann nicht mit der NFL Elite mithalten. Die NFL braucht Versatility und Reliability. Thibodeaux also doch nur ein Nischen-Spieler, ein Pass Rush Experte? Durchatmen, Freunde. Es gibt schon so einige Qualitäten, die er hat. Da wäre sein irrsinniger Speed und seine Beweglichkeit. Er ist immer nah am Ball, ein Run-and-Chase Edger, der eine sehr gute Balance hat, quirlig ist und über ein schönes Arsenal an Fake Moves verfügt. Sein Körper ist auf hohem athletischen Niveau und sollte er in einer 4-3 Defense spielen, hätte er kaum Probleme ein paar Kilo drauf zu legen. Sein langer Körper erlaubt ihm das ohne Einbußen. Was mir sehr gefällt ist seine Mobilität. Für ihn dürfte ein Lamar Jackson kein Problem darstellen. Und wenn, dann wird er seinen High Motor laufen lassen und seinen schnellen First Step auspacken, mit dem er viele Duelle schon im Ansatz gewinnt. Thibodeaux ist ein elektrisierendes Prospect, seine Gegner werfen immer wieder mögliche Off-Field-Issues ein, er sei nicht der beste Locker-Room-Guy, eher ein „social media type-of-guy“. Nur Show, um ihn nieder zu reden? Oder ist da was dran? Ich wage es nicht zu beurteilen, aber ich würde mich nicht wundern, wenn Thibodeaux einer der überraschenden Faller des Drafts wird. Obwohl ich es bei dem Hype um ihn nicht annehme. Was ich aber glaube: Thibodeaux wird kein Impact Player in Jahr 1 in der NFL!

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 1st Round Top 10 / Mein Board: 1st Round Top 15

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4

Boye Mafe, Minnesota

2021: 12 Spiele, 34 Tackles, 10 TFL, 7 Sacks, 1 FF

Hier einer meiner Surprise Picks: Boye Mafe, out of Minnesota! Boye „Ohje“ Mafe, wie ich zu sagen pflege 😉 Obwohl Mafe bereits 24 Jahre alt ist und damit zu den eher älteren Prospects gehört, unterscheidet ihn eines von anderen High-End-Picks: seine Elite Traits, die ihm zu einer unglaublichen Upside verhelfen. Elite ist Mafe in folgenden Kategorien: Fast Line Speed, Handarbeit, Pad Level, Explosivität, Timing. Diese Elite Traits gepaart mit weiteren Fähigkeiten, machen ihn zu einem der interessantesten Prospects im gesamten Draft. Was macht Mafe noch gut? Er ist ein Sideline-to-Sideline Spieler, der sich lateral extrem gut bewegt und ständig mit High Motor spielt. Er schaffte es zudem in die Top 20 auf Feldmans Freak List und nahm 50 Pfund seit der Highschool zu. Mafe ist ein Monster auf der Blindside und wird einigen NFL-QBs Angst und Schrecken einjagen. Ich würde behaupten, er ist der beste Pass Rusher im Draft. Und: er ist ein top Teammate, ein echter Glücksgriff für den Locker-Room. Eine kleine Geschichte dazu: als Mafe noch ein Teenager war, schickte sein aus Nigeria kommender Vater ihn kurzerhand nach Lagos, Nigerias Hauptstadt, wo er ein Jahr lang einen Auslandsaufenthalt hatte. Die dortige Kultur der Yoruba lehrte ihm Respekt, Mitmenschlichkeit und die Einsicht, dass man in den USA viele Möglichkeiten hatte – im Gegensatz zu Nigeria, wo die Menschen kämpfen müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Gereift ging er zurück und setzte von nun an seine Erfahrungen um. Zurück aber zum Football und zu seinem einzigen Manko: seine Schwäche gegen das Laufspiel. Hier fehlen ihm manchmal die Instinkte und er antizipiert Lanes nicht gut genug. Wenn er direkt konfrontiert wird oder Double Teams bekommt, hilft ihm zwar seine Stärke im Oberkörper, aber ihm fehlt die nötige Leverage, um sich da durchzusetzen, das Fine Tuning könnte noch verbessert werden, insgesamt eine Frage der Technik. Ob Mafe ein idealer 3-Down-Player ist, wird man sehen müssen, bei allen Pass-Situationen ist er im oberen Segment zu finden und wird seine Skills auch aufs NFL-Level transferieren können. Seine Senior Bowl Performance war unangefochten eine der besten. Er machte zwei Sacks, einen Forced Fumble und drei TFL. Es ist hier natürlich eine Frage der Nuancen. Thibodeaux bspw. ist m.M.n. ein besserer Overall-Spieler, bei dem man nichts falsch machen kann. Dennoch glaube ich ist Mafes Upside größer und seine Off-Field-Antics deutlich geringer als die von Thibodeaux. Man könnte aber genauso gut argumentieren, dass Mafe ein Developmental Player ist, der noch ein Jahr braucht. Verbessert er sich gegen den Run, glaube ich aber, er wird bereits nächstes Jahr einschlagen.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd Round / Mein Board: 1st Round

Filmmaterial:

5

George Karlaftis, Purdue

2021: 12 Spiele, 39 Tackles, 10 TFL, 4.5 Sacks

Geißelt mich nicht, wenn ihr (genauso wie ich) enttäuscht von der Leistung Clelin Ferrells wart, nachdem die Raiders vor vier Jahren ihren #4 Pick an ihn „verschwendeten“. Und doch: Karlaftis Stil erinnert mich etwas an den Ferrells. Ein großer, mit Power und Versatility ausgestatteter Defensive End, der nicht als Prototyp Speed Edger für Aufsehen sorgt, sondern vor allem durch Kraft und seine vielfältige Einsetzbarkeit auf dem Feld. Wie Ferrell, so generiert auch Karlaftis so einiges an Pressure auf die gegnerische Line, obwohl auch bei ihm die Production in Sachen Sacks noch besser sein könnte. Dennoch ist Karlaftis ein Effort-Player, der alle physischen Werkzeuge besitzt, um in der NFL zu einem Day 1-Starter zu avancieren. Ein Vergleich, der mir besonders gut gefällt und der sich letztlich auch vom Ferrell-Comparison positiv absetzen würde: Ryan Kerrigan. Als 3-Year-Starter bringt Karlaftis Zuverlässigkeit und Erfahrung mit. Was er gut macht? Er ist ein exzellenter Bull Rusher, arbeitet gegen Blocks und zeigt schöne Handarbeit, er gibt nicht nach, ist proaktiv und aufmerksam, zeigt schönen Football IQ. Zudem ist er ein schöner Change of Direction Spieler, gerade wenn er von der Outside auf die Inside arbeitet. Was er besser machen kann? Er könnte sein Pad Level verbessern, manchmal wirkt er out-of-balance, verliert er ein Duell gegen den Lauf, lässt er sich manchmal zurückschieben und wenn er mehrere Male in Folge verliert, wirkt er, als gingen ihm die Ideen aus. Die könnte daran liegen, dass er etwas kleiner ist als die Elite der Klasse. Ich bin gespannt, wie Karlaftis sich in der NFL gegen das Laufspiel behaupten wird. Ich sehe keine immense Upside, aber es dürfte fast klar sein, dass Karlaftis kein Bust wird. Einer der sicheren Bänke bei den Edges dieser Klasse! Im richtigen Scheme kann er aufgehen, vielleicht doch eine noch größere Upside entwickeln und wenn er durch einen Speed Edger auf der anderen Seite komplementiert wird, muy impressionate! Wer einen zuverlässigen High Quality (nicht zwangsweise Pro-Bowl, aber möglich) Spieler mit High Motor und Power sucht, sollte bei Karlaftis zugreifen. Seine 667 Snaps im letzten Jahr sind auf vergleichsweise hohem Niveau, man weiß was man bekommt. Und sein Platz #7 in Feldmans Freak List ist auf jeden Fall eine top Referenz!

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 1st Round / Mein Board: 1st Round

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6

Travon Walker, Georgia

2021: 13 Spiele, 33 Tackles, 7.5 TFL, 6 Sacks, 2 PD, 1 FR

Travon Walker ist DER Upside-Pick des NFL Draft 2022. Wenn er seine Talente auf dem nächsten Level verbessern kann und das nötige Fine Tuning erhält, kann er ein absoluter Superstar werden und mit den größten Defensive Ends der Geschichte mithalten. Denn von den Instinkten, dem Football IQ und Awareness her gesehen ist er bereits auf elitärem Level unterwegs. Leider sind es vor allem technische Aspekte, die ihn immer wieder etwas einbremsen und von der Production her gesehen könnte er auch noch etwas zulegen. Als ehemaliger 5-Star-Recruit ist dennoch Verlass auf ihn. Er hat eine schöne Antizipation bei den Plays, ist sehr athletisch, was man in seinen Bilderbuch-artigen Stunts sehen kann. Er ist ein Role Model End, der von allem etwas kann und zeigt Versatility, hat von der 3- bis zur 6-technique schon alles gespielt und ich mag es, wie stark er auf der Interior ist. Er kann sich selbst gegen Inside Zone Double Teams durchsetzen, weil er ein schönes Pad Level und eine tolle Leverage mitbringt. Auch schön sein Initial Punch und die Fähigkeit gegen den Run zu verteidigen. Ich bin angetan von Travon Walker, aber ich werde den Hype nicht ganz mitgehen. 1. Runde, in Ordnung, aber Top 10 würde ich nicht veranschlagen. Seine physischen Aspekte sind gegeben, er hat bei den Measurables die längsten Arme im ganzen Draft. Was ich nicht verstehe: warum dominierte er in Georgia nicht? In so einer Defense müssen die Zahlen eine andere Sprache sprechen. Mit viel Pech könnte ich mir Walker auch als einen Faller in Runde 2 vorstellen. Bei diesem Draft ist sowieso nichts gewiss…

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 1st Round / Mein Board: 1st Round

Filmmaterial:

7

Arnold Ebiketie, Penn State

2021: 12 Spiele, 62 Tackles, 18 TFL, 9.5 Sacks, 1 PD, 2 FF

Welche Production hätte der produktive Arnold Ebiketie gehabt, hätte er von zwei irren DT-Monstern wie Jordan Davis und Devonte Wyatt profitiert? Ich halte wie bereits erwähnt die komplette Georgia Defense für extrem talentiert. Vielleicht die talentierteste College Football Defense in der Geschichte des College Football. Genau deswegen tut sich bei mir ein gewisses Unbehagen auf, wenn manche Analysten Travon Walker mittlerweile sogar auf #1 overall draften würden. Ich halte hier dagegen. Walker ist zwar ein 1st Round Spieler, aber warum sollte man es nicht auch mit jemandem wie Arnold Ebiketie probieren? Er hat eine irre Production. Und das, obwohl er zu den „kleineren, leichteren“ Edges der Klasse zählt und in dieser Hinsicht wieder die Umstände gegen ihn sprechen. Aber schaut bitte auf die Wahnwitzigkeit Ebiketies. Und auf die unmittelbare Vergangenheit. Odafe Oweh, Micah Parsons, High Society im letztjährigen NFL-Draft. Penn State Products. Ebiketie war in der überaus erfolgreichen Schule von Penn State! Eigentlich bereits gute Referenzen. Dann schaut euch bitte sein Tape genauer an und sagt mir, was gegen sein 1st-Round Talent spricht? Ich mag ihn und halte ihn für den größten under-the-radar-Spieler der diesjährigen Edge Klasse. Er besitzt Elite Traits was seinen Speed angeht und zeigt eine schöne Beweglichkeit, sowie Short Area Movement und hat die nötigen Instinkte. Zudem verteidigt er annehmbar gegen den Lauf und hält bei Blocks gut dagegen. Fehlende Stärke macht er durch Finesse wett. Wenn er in der NFL noch mehr Muskelmasse zulegen kann, besitzt er m.M.n. eine große Upside. Er wird nicht in der Parsons-Liga mitspielen, aber er ist für Edge-needy Teams durchaus einen (hinteren) 1st Rounder wert.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd Round / Mein Board: 1st Round

Filmmaterial:

8

Nik Bonitto, Oklahoma

2021: 11 Spiele, 39 Tackles, 15 TFL, 7 Sacks, 1 PD, 2 FR, 1 FF

Bonitto ist ein Under-the-Radar-Spieler. Er fällt zwar auf, aber selten ist er über-spektakulär. Und wenn er patzt, dann nicht wie ein totaler Reinfall. Solide mit Upside, aber in der Entwicklung befindlich, so würde ich den Speed-Rusher der Sooners charakterisieren. Zwei Dinge kann Bonitto wirklich überdurchschnittlich gut: mit Schnelligkeit seine Gegenspieler auf der Outside Shoulder schlagen. Und als eigentlicher Edge Rusher in der Coverage ein Zeichen setzen. Mit anderen Nuancen erinnert mich sein Spiel bzw. seine Aggressivität manchmal an Brian Asamoah. Kein Wunder, denn Bonitto ist eben eher in einem 3-4 Scheme als Outside Linebacker gut aufgehoben, als auf der Interior. Bei Läufen in Richtung Seitenlinie ist er außerordentlich disruptive. Er geht hauptsächlich an der LOS auf die Jagd, hat aber eben auch nach hinten Augen und spielt sowohl in Zone- als auch Man-Coverage ordentlich. In seiner Doppelfunktion vielleicht sogar eines der interessantesten Prospects im Draft. Selbst Guards lässt er häufig alt aussehen, nicht weil er inside besonders stark wäre, ihm hilft vielmehr seine short-area-explosiveness. Deutlich verbessern muss er noch sein Balltracking und er hat auch leichte Probleme mit der Konstanz. Gegen gute NFL Tackles wird er da häufig den Kürzeren ziehen. Und wenn er einmal von starken O-Linern geblockt wird, lässt sein Footwork nach. Ich bin gespannt auf Bonitto, für mehr als die 2. Runde wird es aber definitiv nicht reichen.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd Round / Mein Board: 2nd Round

Filmmaterial:

9

Cameron Thomas, San Diego State

2021: 14 Spiele, 71 Tackles, 20.5 TFL, 10.5 Sacks, 1 FF

Thomas ist ein Sleeper Kandidat, der seit Monaten für Tag 2 des Draft gehandelt wird. Doch es gibt relativ viele Fragezeichen abseits seiner durchaus existierenden High-End-Fähigkeiten. Erstens wäre da die Nicht-Teilnahme an der Combine, durch die er nicht wirklich weiter bewertet werden konnte. Zweitens ist er ein Small-School-Prospect, das in seiner Division zwar Dominanz ausstrahlte, allerdings nie wirklich gegen große Namen seine Skills unter Beweis stellen musste. Und Drittens die Frage, wie man ihn am besten einsetzt. Sollte vor allem Letzteres geklärt werden, könnte er ein Steal werden. Denn die Dinge, die offensichtlich sind, gefallen mir und machen Mut. Seine Qualitäten sind in der NFL enorm wichtig. Dazu gehört sein furchtbar schneller First Step und die Fähigkeit schnell Spielzüge zu lesen. Er ist ein Gap Shooter, kann problemlos Lücken füllen und braucht nur Millisekunden, um zwischen Gaps zu switchen. Ebenso ist er ein High Motor, ähnlich wie Aiden Hutchinson, nur mit kleinerem Skillset, aber ebenso viel Effort. Ein No-Quitter mit schöner Handtechnik und einem grandiosen Swim Move. Zu seinen Schwächen zählt unter anderem sein Conditioning und seine Fitness. Er muss auch im 4.Quarter in der Lage sein, 100% zu geben. In mehreren Draft Reports habe ich gelesen, dass seine Leistung gegen Ende des Spiels abnimmt. Da sonst keine auffälligen Schwächen häufiger benannt werden, glaube ich, Thomas ist einer der besten Allrounder der Klasse. Auch was seine Versatility angeht, er hat von der 0-technique bis zur 7-technique Erfahrung auf allen Positionen der Defensive Line.

Voraussichtliche Draft-Runde:

Consensus: 2nd-3rd Round / Mein Board: 2nd Round

Filmmaterial:

10

David Ojabo, Michigan

2021: 13 Spiele, 35 Tackles, 12 TFL, 11 Sacks, 3 PD, 1 FR, 5 FF

David Ojabo ist der zweite Defensive End im Team von Michigan neben Aiden Hutchinson und aufgrund des Hypes um Letzteren, stand er lange Zeit nicht im Rampenlicht, war fast unter dem Radar versunken. Seine außerordentlichen Leistungen in seinem insgesamt zweiten (!!!) Jahr im College Football mit einigen Game Changern inbegriffen sicherten Ojabo dann aber einen immer größer werdenden Draft-Status zu. Sacks im zweistelligen Bereich und satte fünf Turnovers und spektakuläres Spiel trugen dazu bei, dass Ojabo der 1st Round Status fast sicher war. Doch dann die unglückliche Verletzung bei seinem Pro Day. Wer hat nicht die Szene gesehen, in der die NFL (einmal mehr) ihre Unmenschlichkeit zeigt? Die Szene, bei der sich Ojabo verletzt und alle Beteiligten, ob Scouts oder drum herum stehende Trainer, sich verhalten als wäre nichts passiert? Ihn einfach am Boden liegen lassen und ihren „Expertisen“ nachgehen? Eklig. Diese Verletzung hat mittlerweile leider dazu geführt dass Ojabos Stock ordentlich fällt. Denn die gerissene Achilles-Sehne ist ein Alptraum für einen Edge Rusher. Und ein Risiko für Teams. Wer das nicht glaubt, soll sich nur mal vergegenwärtigen, dass die gleichen Leute, die ihm Empathie-los zusahen, den Risikoreport für ihr Team verfassen. Also, ab nach unten und ich hoffe nicht, dass dies über Runde 2 hinausgeht. Denn ich mag Ojabo und traue ihm eine steile NFL-Karriere zu. Ein möglicher Steal aber für jedes Team, denn Ojabos High Ceiling ist es vor seiner Plug-and-Play-Funktion, warum ein Team ihn holen wird. Er ist ein Entwicklungsspieler, der noch sehr jung ist, aber in 2-3 Jahren in der NFL eine Breakout Saison haben könnte.

Voraussichtliche Draft Runde:

Consensus: 1st (vor Verletzung), 2nd (nach Verletzung) / Mein Board: 2nd (nach Verletzung)

Filmmaterial:

Weitere Prospects mit 2nd Round Talent:

Drake Jackson, USC

Kingsley Enagbare, South Carolina

Myjai Sanders, Cincinnati

Josh Paschal, Kentucky

Sam Williams, Ole Miss

Geheimtipps:

Boye Mafe, Cameron Thomas, Josh Paschal

Wen sollten die Raiders draften?

Ein Late-Round Prospect für die Raiders könnte Eyioma Uwazurike von Iowa State sein. Einer der wenigen Late Rounder, die ich geschaut habe. Für die Kadertiefe wäre er allemal geeignet, wenngleich ich den Raiders nicht zum Draft eines Edge Rushers raten würde. Unsere zwei streitbar besten Spieler im Kader, Maxx Crosby und Chandler Jones sind zu 100% gesetzt und die Zukunft des Teams, in Malcolm Koonce haben wir einen 2nd-Year-Player, dem man durchaus mehr Verantwortung geben kann und es gibt im Draft auf einigen Positionen Talente, die wir statt einem Edge gebrauchen können. Sollte dennoch eines der Top 10 Prospects bis auf die #86 oder später fallen, liegt es am McDanielschen Anforderungsprofil. Versatility Spieler sind hier gefragt. Also warum nicht einen Cameron Thomas dazu holen? Ähm, joa, aber bitte wirklich nur wenns gar nicht anders geht 😉

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