Nach dem Draft bedienten sich die Las Vegas Raiders an einem größeren Pool an Spielern, deren Namen zwischen 28. Und 30. April nicht aufgerufen worden waren. Insgesamt 15 Undrafted Free Agent (UDFA)- Unterzeichnungen konnten die Silver&Black vermelden und bei einigen davon war ihre Projection viel höher. Generell stellen UDFA-Signings eine Möglichkeit dar, einem Team Kadertiefe zu bieten, sowie einzelnen Spielern, die als Langzeitprojekte gelten bzw. die für einen Start in der NFL noch nicht bereit sind, eine Basis für Entwicklung zu bieten. Im Folgenden stellen wir euch fünf UDFAs zusammen, die den Sprung in den Active Roster schaffen könnten.
Bamidele Olaseni, OL, Utah
Bam Olaseni könnte ein Star werden! Und doch: es ist nicht verwunderlich, dass er nicht gedraftet wurde. Mit 26 Jahren gehört der schwergewichtige (153 Kilo!) Right Tackle zu den älteren Spielern der 2022er Draft-Klasse und er verfügt im Gegensatz zu anderen Prospects über wenig Erfahrung auf dem Feld. Als Late Bloomer begann Olaseni erst spät damit Football zu spielen und kommt zudem aus London, England, gehört also zur internationalen NFL-Garde. Sein Elternhaus legte großen Wert darauf, dass die akademische Ausbildung einen Vorrang dem Sportlichen gegenüber hat. Seine Karriere begann er als 18-Jähriger bei den London Blitz, einem lokalen Amateur-Team, ehe er selbst Tapes an US-Colleges sendete, um seinen Recruiting-Prozess anzukurbeln. Das aus Last Chance U bekannte Garden City Community College unterbreitete ihm dann ein Stipendium und übers JUCO ging es schließlich nach Utah. Olasenis physisch-athletische Gegebenheiten sprechen für ihn und eines seiner Highlight-Spiele hatte er gegen keinen geringeren als Kayvon Thibodeaux, seines Zeichens First Round Pick im diesjährigen Draft. Und er verkündete postwendend, dass sein Status als UDFA für ihn keine Rolle spiele. Hauptsache er habe die Chance bekommen, in der NFL anzutreten. Einen Stammplatz würde er sich nun erkämpfen und zudem beschreibt er sich als coachable, als student of the game. Olaseni wird mit Brandon Parker und Thayer Munford um Reps kämpfen und sollten die Raiders keinen Free Agent auf RT mehr holen, hat er bereits in diesem Jahr die Chance auf Einsatzzeit. Ein Spieler, mit dem er häufig verglichen wird: Trent Brown, seinerseits damals nur 7th-Rounder und körperlich mit Bam vergleichbar. Wenn Olaseni eine ähnliche Karriere hinlegt, könnte er der Steal des Drafts werden.

Isaiah Pola-Mao, S, USC
Die Safety-Gruppe wurde vom neuen Raiders-Regime noch nicht sonderlich adressiert. Neben dem gesetzten Trevon Moehrig scheint es dort eine offene Competition um die weiteren Plätze zu geben. Jonathan Abrams Zukunft ist ungewiss, nachdem die Raiders von seiner 5th-Year-Option keinen Gebrauch machten. Dass Pola-Mao nicht gedraftet wurde ist umso überraschender und bietet den Raiders hier ein Langzeit-Projekt. Und tatsächlich könnte er bereits in diesem Jahr erste Einsatzzeit sammeln. Sein Name klingt wie Balsam auf der Seele. Pola-Mao ist der Neffe des Hall-of-Famers Troy Polamalu und setzt damit das Familien-Erbe fort. 2021 war zwar kein Highlight-Jahr für den Ballhawk-Safety, er brachte, seine Verteidigung gegen den Lauf und seine Sideline-to-Sideline-Fähigkeiten sollten dennoch für eine Chance in der NFL reichen. Pola-Mao verfügt zudem über guten Football IQ und sein Pro Day manifestierte ein großes Interesse der Teams. Seine 4.34er 40-Time stach zudem positiv heraus und seine Versatility als möglicher Cornerback, sowie seine Lockdown-Ability machen ihn overall zu einem interessanten Hybrid-Spieler. Sein ehemaliger Team-Kollege Talanoa Hufanga wurde letztes Jahr von den 49ers gedraftet. , Pola-Mao war also durchaus in einem talentierten Backfield vertreten. Was bei ihm am meisten heraussticht: Attention to Detail! Das, was in der NFL die Spreu vom Weizen trennt! Auch wenn er noch etwas Entwicklungszeit braucht, sehe ich einen zukünftigen NFL-Starter und wer weiß, vielleicht haben die Raiders hier einen Diamanten verpflichtet.

Sam Webb, CB, Missouri Western State
Sam Webb ist ein Under-the-Radar Corner, der zwar phänomenale Highlight-Reels produziert, dessen Draft-Stock aber enorm litt, da Missouri Western State eine klassische Small School verkörpert. Er besitzt gute Ball-Skills und sein Körper ähnelt dem Prototyp für seine Position. Als klassischer Man-Press-Corner ist er geeignet für Patrick Grahams Scheme und vor allem: er ist ein Playmaker. In seiner Karriere machte er eindrucksvolle 39 Pass-Breakups und zudem sieben Interceptions, wurde mit der Einladung zur Combine und zum East-West-Shrine-Game belohnt. Die Raiders hätten zwar deutlich früher einen Corner draften können, mit Webb kommt nun ein eher selten gescouteter Spieler nach Vegas. Dennoch ist Webb sehr athletisch und muss allen voran nur Football-bezogene Dinge verbessern. McDaniels‘ Affinität, unbekannte Spieler zu draften, geht auf das Scouting Department von New England zurück und auch in diesem Fall entschied man sich für einen Spieler, der im Vergleich zu anderen unterm Radar war. Webbs disruptives Spiel könnte allerdings von Vorteil sein – falls er sich nicht durch zu viel Aggressivität selbst schlägt. Gerade bei Wideouts mit starken Releases zieht er häufig den Kürzeren.

Tre Turner, WR, Virginia
Big Play Tre, wie Tre Turner von den Virginia Hoosiers genannt wird, ist ein Speed-Receiver und Mann für tiefe Pässe und große Momente. Der ehemalige 4-Star-Recruit fing für Virginia Tech die 5.-meisten Yards in der Geschichte des Programms, partizipierte als Folge seiner guten Leistungen am Senior Bowl. Dort zählte er mit einer 40-Yard-Dash- Zeit von 4.51 zwar nicht zu den besten des Fachs, seine Point-of-Catch Skills und seine Positionierung auf dem Feld machen ihn dennoch zu einer Deep Threat. Sein Route Tree ist bereits auf NFL-Niveau, die physischen Anforderungen an das Pro-Level sind jedoch noch verbesserungswürdig. Letzte Saison machte Turner 11 Spiele, fing 40 Pässe für 675 Yards und erzielte drei Touchdowns. Er bekommt die Chance in einem tiefen Receiving Corps um einen Stammplatz zu kämpfen. Nach dem Weggang von Bryan Edwards ist dieser Wettbewerb nochmals enger geworden. Turner wird sich mit Robinson, Hollins, Cole, Stoner und Johnson um einen der freien Kaderplätze streiten. Die Raiders werden voraussichtlich sechs Receiver in ihrem 53-Man Active-Roster haben. Auf WR gesetzt sind bisher nur Davante Adams und Hunter Renfrow. Gut für Turner: einen Teil seiner Vorbereitung verbrachte er mit Randy Moss! Kuriosum: Bevor Turner bei den Raiders für 40.000$ Gehalt unterschrieb, boten ihm die Minnesota Vikings einen Vertrag für 2.500$ monatlich an. Kompletter Irrsinn und fast schon eine Frechheit!

Zach Van Valkenburg, DE/OLB, Iowa
Van Valkenburg spielte die letzten drei Jahre bei Iowa, nachdem er vom unbedeutenden Hillsdale College transferierte. Er machte von der Eligibility-Regel Gebrauch und spielte sechs Jahre am College. Für die Hawkeyes hatte er 22 Starts und stand 2021 14-mal in der Anfangsformation. Er brachte es auf 58 Tackles und eine persönliche Bestmarke von 15 Tackles for Loss, sowie fünf Sacks und wurde ins Second Team der Big-Ten-Auswahl gewählt. Zu seinen Stärken zählt der Run Stop und sein High Motor, der ihn Duelle gewinnen lässt, wenn diese schon verloren geglaubt sind. Er ist ein Gap Shooter mit Versatility und schöner Antizipation und ist never out of a play. Obwohl viele von Myron Tagovailoa-Amosa sprechen, sehe ich für Van Valkenburg eine größere Upside und der Lerneffekt unter Crosby und Jones könnte enorm werden. Seine Fähigkeit konstant ins gegnerische Backfield zu kommen braucht nur das nötige Fine Tuning und überhaupt ist die Konkurrenz auf der Edge-Position nicht erdrückend. Neben den zwei unangefochtenen Starters Crosby und Jones ist es allen voran Malcolm Koonce, mit dem sich Van Valkenburg und Tagovailoa-Amosa messen müssen. Competition ist damit garantiert. Spannend dürfte die Transition in die NFL auch hinsichtlich seiner Vielseitigkeit sein. Er kann auch auf Outside Linebacker spielen. In Grahams Scheme ein garantierter Fit!

Anmerkung: Bewusst ausgelassen habe ich hier Sincere McCormick, wenngleich ich davon ausgegangen war, dass er gedraftet wird. Dennoch glaube ich nicht, dass der starke, bereits sieben Spieler fassende, RB-Room weitere Gesellschaft im Active Roster bekommen wird. McCormick ist ein Developmental Prospect, das durchaus Talent hat, im Moment sehe ich hier aber keine Chance, sich gegen White, Bolden, Drake und Co. durchzusetzen.