Ihr habt auf Twitter über den heutigen Artikel abgestimmt und hier ist er: In der heutigen Ausgabe der Future Diamonds präsentiere ich euch fünf Spieler, die ich im NFL Draft 2023 für Sleeper Kandidaten halte. Spieler, die meist in den mittleren/hinteren Draft-Runden ausgewählt werden, von denen ich jedoch erwarte, dass sie besser als erwartet performen. Ebenso Spieler, die hoch projected werden (bspw. Round 2), aber noch höher gedrafted werden sollten. Im Folgenden eine Auswahl. In den kommenden Wochen werde ich dann weitere Sleeper/Under-The-Radar/Underrated Kandidaten vorstellen.
Mr. Irrelevant hat 2022 endlich wieder zugeschlagen. Mit dem 262. Pick im letztjährigen Draft holten die San Francisco 49ers mit Brock Purdy einen der Masse eher unbekannten Quarterback, den vorher die wenigsten auf dem Zettel hatten – der aber letztlich einschlug und sich den Titel Überraschungsspieler des Jahres durchaus verdient hätte. In Scouting Reports wurde Purdy zuvor häufig als Spieler beschrieben, der zu klein für die NFL sei, Drucksituationen nicht gewachsen sei, zwar eine gewisse Pocket-Präsenz entfalten könne, aber nicht das Talent habe, das Spielfeld adäquat lesen zu können. Ihm wurde durchweg eine NFL-Karriere als Backup zugesprochen. Der Rest der Geschichte ist bekannt, Purdy ersetzte nicht nur die verletzten Jimmy Garoppolo und Trey Lance, vielmehr führte er die Niners bis ins Conference-Finale und brachte alle Kritiker zum Verstummen. Trotz seines letztlich niedrigen Draft-Spots in der 7.Runde. Auch dieses Jahr sind die NFL-Teams wieder auf der Jagd nach Surprise Picks und Sleeper Candidates. Spieler, die vom Consensus schwächer bewertet werden, als sie eigentlich sind. Spieler, die das Potenzial haben einzuschlagen, für einen Breakout früh in ihrer Karriere prädestiniert sind. Beispiele für Sleeper finden wir in der Liga zu Genüge. Wer hätte beispielsweise rückblickend gedacht, dass Maxx Crosby (Pick #106), Hunter Renfrow (#149) oder Bo Jackson (#183) erst in der 4./5. respektive 7.Runde gepickt wurden? Legenden wie Bart Starr, Roger Staubach oder Tom Brady, aktuelle Stars wie DK Metcalf oder Deebo Samuel und im letzten Jahr beispielsweise Isiah Pacheco bei unseren Rivalen – allesamt waren im jeweiligen Pre-Draft Prozess bei keinem Scout unter den Topkandidaten oder gar an #1 ihrer Position. Wer könnten dieses Jahr die Auserwählten sein? Bei welchen Spielern schlafen die Scouts? Welche Spieler werden trotz ihres großen Talents „übersehen“ oder „zu spät“ gedrafted? Und welche Spieler sind immer noch underrated, obwohl sie bereits hoch projected sind? Meine Early Sleeper 2023 (Teil I)
Tank Dell, WR, Houston
Dell kommt aus einer faszinierenden Saison mit hoher Production. Er fing 17 Touchdowns für 1.399 Yards und bekam dafür ein PFF Overall Grade von 83.5. Er gilt als eher kleiner Receiver, weswegen ihm noch nicht die nötige Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Was ich an Dell mag: er setzt sich nicht nur durch Geschwindigkeit und Antritt durch, sondern durch einen enormen Grad an Antizipation und Short Area Quickness, sowie der Präzision seines Route Runnings. Seine Fähigkeit im Richtungswechsel und beim Start&Stop ist elitär. Oder wie es NFL Stock Exchange ausdrückt: „Stop on a dime, all the time!“ Diese Instinktivität macht ihn in meinen Augen zu einem unterbewerteten Receiver. Weitere Pluspunkte? Dell hat als 5-Year-Player enorm viel Erfahrung aufgrund hoher Einsatzzeiten. Ein neuer Tyreek Hill? Relax. Seine Physis hatte auch Limitierungen. So ist bspw. Ball Security weiterhin ein großes Problem bei Dell. Er muss physischer werden, um in der NFL zu bestehen. Und dennoch: Don’t pass on this guy! (Zwei weitere Under-the-Radar Wide Receiver stelle ich euch beim nächsten Mal vor: Cedric Tillman und Michael Wilson, falls ihr euch vorbereiten wollt)
Zach Kuntz, TE, Old Dominion
Kuntz ist ein Tight End der eher unbekannten Old Dominion University. Zu eurer Beruhigung: er spielte nicht nur gegen No Name Teams und spielte zudem bereits bei Penn State, von wo er zu ODU transferierte. Er gilt als Athletik-Freak und kommt aus einer Saison mit 73 Catches für 692 Yards und zwei Touchdowns. Als zuverlässige Redzone Threat hat er sich bereits einen Namen gemacht, aber seine Physicals könnten ihn auf dem nächsten Level weitere Vorteile bringen. Als ehemaliger Leichtathlet finden wir bei ihm eine ideale Kombination aus Größe, Schnelligkeit und Durchsetzungsvermögen. Aufgrund seiner Körpergröße von unglaublichen 2,03 Metern, ist er ein Juwel bei Contested Catches und dominiert gegnerische Defensive Backs allein wegen seiner Größe. Er läuft aber auch eine 40-Yard-Zeit von 4.57 Sekunden, weswegen er als Spielertyp doch sehr rar gesät ist. 4.57 für Tight Ends liegt zwar nicht im Elite-Segment, aber angesichts seiner Größe ist das durchaus passabel. Zudem kommen seine gute Hand-Augen-Koordination und seine Antizipation bei Zone Coverages. Gegen Man Coverage muss er seine Technik verbessern. Ein guter Auftritt bei der Combine wird sein Skillset aber nochmals unterstreichen. Kuntz ist kein Blocking Tight End und sicher kein kompletter Spieler. Routen gewinnt er nicht wegen seiner Beweglichkeit und er wird sich auch nicht von schnellen Backfieldern auslaufen lassen. Als Waffe im Pass-Spiel und in 3rd Down Passing Situations, sowie bei 50/50 und High Balls wird er aber sein Talent unterstreichen können.
Darnell Wright, RT, Tennessee
Die Offensive Line Klasse 2023 ist im Vergleich wohl nicht die beste der letzten Jahre. Dennoch fallen beim Blick auf das High-End-Segment häufig Namen wie Peter Skoronski, Paris Johnson Jr. oder Broderick Jones. Den mit Abstand interessantesten Spieler finde ich bisher jedoch Darnell Wright. Der zweimalige SEC Lineman of the Week bekommt in den meisten Mocks ein 2nd Round Grade, gelegentlich sehe ich ihn in Runde 3. Meiner Meinung nach ist Wright aber neben Skoronski der Top Lineman der Klasse! Massiv underrated! In 829 Snaps ließ er letztes Jahr keinen einzigen Sack zu und sieht auf den ersten Blick wie ein athletischer Charles Cross auf der rechten Seite der Line aus. Er ist ein Prototyp RT und erinnert mich an Lucas Abraham aus dem letzten Jahr, den ich auch als underrated Prospect sah. Als Redflag gilt seine Handgröße, die kleinste bei einer Combine je gemessene Größe. Davon abgesehen gibt es jedoch mehrere Green Flags bei ihm: Athletisch, er lässt sich kaum auf der Outside Shoulder schlagen, sein Hand Placement sitzt und er besitzt Positions-Vielseitigkeit. Er nimmt dem gegnerischem Speed Rush das Tempo und hat ein gutes Gefühl für Balance. Für die NFL sicher auch von Vorteil: seine Recovery Ability und Special Moves wie die Snatch Trap Technique. Zwei der wichtigsten Traits vereint er mit diesen Fähigkeiten in seinem Spiel: Armlänge und Footwork/Rebalance. Für mich ist Darnell Wright ein Sleeper mit hohem Floor, der eigentlich als Top-Kandidat aller Lineman gelten sollte. Ein Pick für die Raiders in Runde 2?
Sidney Brown, S, Illinois
Ich liebe das Illinois Backfield! Seit dem Draft von Nate Hobbs beschäftige ich mich intensiver mit einer der dieser polarisierenden Secondary, die dieses Jahr neben Devon Witherspoon einen weiteren Blockbuster ins Rennen schickt: Sidney Brown. Im Consensus gilt Brown bereits als 3rd Rounder, sein Sleeper Status mag daher streitbar sein. Für mich ist Brown allerdings klar besser und momentan mein #3 Safety hinter Brian Branch und Antonio Johnson. Der 5-Year-Starter (!!!) ist ein High-End Athlet mit High Motor und einer enormen Zielstrebigkeit. Ein Football Guy mit aggressivem Spiel, Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit, der sowohl Downhill, als auch lateral überzeugen kann. Brown versteht Football und Schemes, kommuniziert mit seinen Mitspielern. Überwiegend agierte er in der Box, man kann ihn aber auf vielen Positionen nutzen. Er hat Erfahrung als Nickel, Slot, Strong oder Free Safety, ist also enorm vielseitig und ein guter Hybridspieler. Seine größte Schwäche sind verpasste Tackles, er muss also an seinen Mechaniken und an besserem Timing arbeiten. Dennoch wirkt sein overall Spielstil sehr flüssig, was auch seine sechs gefangenen Interceptions beweisen. Seine 16 Run Stops verweisen darauf, dass er mehr All-Rounder als Run Stop Spezialist ist, aber genau diese Kombination könnte ihm zu Gute kommen. Brown gilt als typischer 3rd Rounder, ein 2nd Round Grade finde ich aber angemessener! Sleeper?
Ivan Pace Jr., LB, Cincinnati
Pace Jr. ist ein Linebacker der Cincinnati Bobcats, der ähnlich physisch wie Sidney Brown zu Werke geht. Ein High Motor Spieler, der dafür geschaffen ist, die gegnerische Pocket anzugreifen. Seine Coverage Skills sind ausbaufähig, aber als Gap Attacker mit hoher Awareness ist er ein Rohdiamant. Pace Jr.‘s Projections gehen Richtung Tag 3, wobei er durchaus schon früher off-the-board gehen sollte. Er ist vielleicht kein lateraler Spieler und wirkt etwas limitiert in seiner Gesamtbewegung, sein elitäres Downhill-Skillset ist dennoch erwähnenswert: Wenn er das A- oder das B-Gap anspielte, erreichte er ein Pass Rush Grade von 93.3 mit einer PR WIN % von 3.3. Absoluter Irrsinn! Diese Leistungen konnte er auch beim Senior Bowl unter Beweis stellen. Pace Jr. zeigt beeindruckendes Talent als Designated Pass Rusher und Pocket Attacker über die Mitte, sowie als Run Stopper von sich Reden machen. Und zudem als Special Teamer auflaufen. Kein 3-Down-Linebacker, aber als 2-Down problemlos Plug&Play einsetzbar. Teams, die in Short Yardage Situationen Hilfe brauchen und einen Impact-Spieler suchen, sind bei Pace Jr. richtig!