Am vergangenen Wochenende fand der 88. NFL Draft in Kansas City statt und die Raiders waren mit ihren ursprünglich 12 Picks mittendrin, statt nur dabei. Da ich die letzten Wochen fast ausschließlich mit Scouting beschäftigt war und die vierstündige Draft-Sonderfolge einiges an Zeit fraß, gibt es die Draft-Review zunächst in schriftlicher Form, ehe ihr euch bald wieder auf ein paar „reguläre“ LocoFootball Podcast-Folgen freuen dürft. Im Folgenden eine Übersicht der Raiders-Picks inklusive Grading.
Round 1 – Pick #7 – Tyree Wilson, Edge, Texas Tech
Mit ihrer ersten Selection wählen die Las Vegas Raiders ihren neuen Star-Spieler. Mit Gonzales oder Carter still on the board, ziehen sie hier für manche überraschend einen weiteren Pass Rusher. Wilson gilt als Boom-or-Bust Prospect, seine Upside ist jedoch extrem hoch. Ich habe Wilson bereits einen Artikel gewidmet (siehe Future Diamonds) und bin begeistert von ihm. Neben Maxx Crosby und Chandler Jones wird er in diesem Jahr wahrscheinlich nicht permanent starten, er wird aber häufig zu sehen sein und vor allem: von den Veteranen lernen. Vom Spieltyp her ähnelt er Chandler Jones und zudem bekundete er seinen Wunsch mit Mad Maxx in einem Team zu spielen. Wilson ist jemand, der hier sein will. Und sich entwickeln will. Kein Character Issue- Guy, auf den man sich nicht verlassen kann. Dies wird ihm m.M.n. in der NFL zum Erfolg verhelfen. Spielerisch bekommen die Raiders ein gutes Paket. Wilson ist ein Koloss und gleichzeitig ein Smart Mover mit guter Technik, um auf engem Raum zu gewinnen. Er hat mit die besten Change-of-Direction- Skills der Klasse und zerstört durchgängig die Struktur gegnerischer Plays. Ein disruptiver Spieler mit starker Play Recognition und den nötigen Skills, um den Raiders- Inside Rush zu verstärken. Obwohl ich persönlich Gonzales lieber gesehen hätte, gilt hier immer noch das, was ich bereits über ihn schrieb: Wilson ist ein Immediate Impact Player und ein deutliches Upgrade zu Malcolm Koonce, Clelin Ferrell und Co. Rechnet nicht mit zweistelligen Sack-Zahlen in seiner Rookie-Saison, aber mit einer langsamen Steigerung, die spätestens in Jahr 2 dazu führen wird, dass er unser Langzeit-Starter wird.
Grade: A-
Round 2 – Pick #35 – Michael Mayer, TE, Notre Dame
An #35 verpflichten die Raiders Michael Mayer, Tight End von Notre Dame, der auf einigen Boards in Runde 1 gelistet war. Vegas kompensiert hier den Abgang Darren Wallers und setzt auf einen der konstantesten Spieler des Jahrgangs. Ob Mayer ein Gronkowski werden kann bleibt zu bezweifeln, er dürfte allerdings ein Scheme Fit sein und sollte von Tag 1 an starten. In den letzten beiden Jahren fing Mayer jeweils über 800 Yards und mindestens 67 Catches. Seine Ausbeute in diesen Jahren: 138 Receptions für 1.649 Yards und 16 TDs. Mayer gilt als Allrounder und einer der besseren Blocking Tight Ends der Klasse. Die Raiders überraschten hier einerseits, weil sie sich durch den Pick der Chance auf Hendon Hooker beraubten, andererseits, weil TE nach den Verpflichtungen von O.J. Howard und Austin Hooper nicht den größten Need darstellte. Und dennoch: die Silver&Black bekommen hier wohl den Best Player Available und Mayers Alter (21) macht Hoffnung auf eine langfristige Karriere. Zudem passt er ins McDanielsche System. Seine Spielweise ähnelt der eines Rob Gronkowski, wenngleich dieser einen noch größeren Built und Frame hatte.
Grade: B+
Round 3 – Pick #70 – Byron Young, DT, Alabama
Ich habe Byron Young zu den Raider gemockt! Ja, wirklich, hört gerne nochmal in meine vierstündige Draft-Vorschau rein. Dann fällt euch auf: Ooops, stimmt ja doch nicht, es war ja leider ein anderer Byron Young, nämlich sein Namensvetter aus Tennessee, der sieben Picks später von den Titans gewählt wurde und als sauberer Edge/OLB mit Upside und High Character gilt. Autsch. Etwas disappointed war mein Gesichtsausdruck dann auch, wenngleich ich dem Alabama-Young auch Unrecht tue. Er könnte nämlich locker als der DT der Klasse gelten, der den höchsten Floor hat bzw. bei dem man wohl nicht weniger bekommt, als man bereits sieht. Young ist ein schöner Run Stuffer mit Inside Pass Rush Potenzial und ein Leader mit hohem Football IQ und High Motor. Young ist schwer zu bewegen und vielleicht der beste Interior D-Liner, wenn es um die Aufnahme von Double Teams geht. Er frisst daher unglaublich viel Raum in der Mitte und bringt eine gute Leverage mit. Er könnte direkt als 3-Down-Player eingesetzt werden und zeigt Ansätze von disruptivem Spiel. Technisch gesehen ist noch Luft nach oben und sein PR-Move-Repertoire ist ausbaufähig, die Tools bringt er aber mit. Auf #70 hätte ich persönlich zwar einen anderen Spieler gewählt, aber der Young Pick stellt zumindest eine solide Nummer dar. Ich kann mir sogar vorstellen, dass er bei uns mehr Erfolg im ersten Jahr haben wird, als Farrell und Butler im zweiten. Let’s roll, fella!
Grade: C+
Round 3 – Pick #100 – Tre Tucker, WR, Cincinnati
Die Tre Tucker Selection verstehe ich überhaupt nicht. Klar, die Raiders wollen in den Special Teams besser werden. Als Kick-/Punt-Returner machte Tucker auf sich aufmerksam und kann durchaus als Shiner auf seinem Fachgebiet bezeichnet werden. Ein Dante Hall 2.0? In jedem Fall wird Tucker unsere ST upgraden. Doch was planen die Raiders darüber hinaus mit ihm? Alles schreit nach Renfrow-Trade und in der Tat könnte Vegas mit einem Post June 1 Cut einiges an Geld sparen. Derzeit kursieren Gerüchte über einen eventuellen Trade für Ravens Linebacker Patrick Queen. Sollte sich das als wahr herausstellen und Tucker einigermaßen gute Auftritte als Slot Receiver dranhängen, so könnte der Pick im Nachhinein als wichtiger Baustein im Teambuilding gesehen werden. Andernfalls fragt man sich: warum eigentlich noch einen Receiver? Der Raiders WR-Room brannte letztes Jahr bereits vor Competition, doch die Verpflichtungen von Jakobi Meyers und DeAndre Carter sollten eigentlich genug sein. Tucker macht daher nur wirklich Sinn, wenn es jemanden wie Hunter erwischt. Im Moment sehe ich ihn aber als schlechtesten Pick. Und das nicht einmal wegen seiner Ausbeute. Tucker verbesserte sich jedes Jahr deutlich und fing 2022 immerhin 53 Pässe für 680 Yards. Dennoch: auf #100 ist er ein deutlicher Reach und die Raiders hätten hier besser andere Needs bedienen sollen.
Grade: E+
Round 4 – Pick #104 (von HOU) – Jakorian Bennett, CB, Maryland
Jakorian Bennett ist mein Lieblings-Pick in den Mid-Rounds. Die Raiders verpassten ihre Chance auf einen Elite-Corner, ab Runde 2 schielte aber dann wohl die ganze Fan-Schar auf diese Position of Need. Bennett könnte sich als typischer Ziegler Pick entpuppen. Etwas under-the-radar und wenig gehyped, könnte er schnell in der Liga Fuß fassen und aufsteigen. Bennett besitzt Lockdown-Fähigkeiten und ließ im letzten Jahr nur ein gegnerisches QBR von 57.5 zu. Er ist kein Ballhawk, brachte es 2022 aber immerhin auf 7 PBUs und eine Interception. Er gilt als einer der besten Corner, was Footwork und Change-of-Direction betrifft und landete nur nicht in meinen Top-10, weil ich schlicht und einfach zu wenig Tape von ihm geschaut habe. Das was ich nach dem Pick sah, gefiel mir dafür doppelt so gut. Haben die Raiders hier einen Rising Star geholt? Was klar sein sollte: Bennett war ein absoluter Value Pick und bringt instant Competition in den CB-Room.
Grade: A-
Round 4 – Pick #135 (von NE) – Aidan O’Connell, QB, Purdue
Für mich gab es in diesem Draft nur vier QBs, die für die Raiders als Franchise-Spieler in Frage kommen: Young, Stroud, Richardson und Hooker. Jeder andere Pick stellt in meinen Augen ein reines Glückspiel dar. Beim O’Connell-Pick sehen wir: Ziegler und McDaniels haben ihre eigenen Vorstellungen, was die Kompatibilität von QBs mit ihrer Scheme-Philosophie angeht. Soll heißen: du musst nur ein gutes Timing beim Wurf mitbringen, möglichst genau werfen und coachable sein, als formbar gelten. New England zeigte bereits beim Draft von Mac Jones, was McD&Co. in Vegas fortführen wollen: der neue QB muss nicht mobil sein, er muss kein Game Manager sein und auch nicht der beste Athlet. Für die Verantwortlichen zählen andere Kriterien. Doch so sehr wir es uns auch wünschen: Begeisterung sollte beim O’Connell Pick nicht aufkommen. Hand aufs Herz: was hättet ihr gedacht, wenn der Division-Rivale auf QB-Suche einen Spieler nimmt, der kaum über Elite Traits verfügt und im Pre-Draft-Process kaum aufgefallen ist? Und glaubt ihr, O’Connell kann in der NFL überhaupt annähernd an Mahomes, Herbert und Wilson herankommen? In meinen Augen hätten die Raiders von #70 uptraden sollen, um Hooker zu bekommen. Ich will nicht voreingenommen sein, aber im Moment klammere ich mich nur an die Hoffnung aufgrund einer Parallele zu einem der ganz großen QBs der Neuzeit: O’Connell kommt aus einer guten QB-Schule in Purdue, in der auch Drew Brees war. Ein großer Hoffnungsschimmer, obwohl wir jetzt in einer anderen Zeit leben.
Grade: C-
Round 5 – Pick #170 – Christopher Smith, S, Georgia
Einen Defensiv-Spieler aus Georgia nehmen wir doch mit Handkuss. Vor allem, wenn dieser in manchen Mocks 50 Picks früher genommen wurde. Christopher Smith ist kein Highlight Reel, aber er bringt Vorzüge mit, die den Raiders gefallen sollten. Allen voran: er kann Nickel spielen und covern. In den letzten beiden Jahren eindrucksvoll mit weniger als 55.0 gegnerischem QBR. Zudem ist er ein guter Lauf-Verteidiger, zwar kein Hard Hitter a la Abram, aber ein Versatility Safety, der in der Box genauso spielen kann wie als tiefer Cover Safety. Ähnlich wie Brandon Joseph hat er elitäre Fähigkeiten, was Play Recognition und sofortige Reaktion auf Plays betrifft. Seine leicht unterdurchschnittliche Athletik macht ihn zwar nicht zu einem Speed Coverer, er sollte aber leicht vorgezogen als Center Fielder mit multiplem Aufgabenset einen positiven Eindruck hinterlassen. Die Raiders deckten mit seinem Pick eine Need auf Safety ab und profitieren fortan von der Schulung der besten Defense im College Football, in der Smith keine untergeordnete Rolle spielte. Ich mag den Pick. Her mit den Football IQ- Guys!
Grade: B
Round 6 – Pick #203 – Amari Burney, LB, Florida
Gänzlich unbeachtet in meinem Scouting Prozess blieb Amari Burney, Coverage Linebacker von Florida. Als möglicher Backup von Divine Deablo (Weakside LB) gedrafted, repräsentiert er den Spielertyp, den Ziegler & Co. suchen: Athletisch, vielseitig einsetzbar, „Swiss Army Knife“-Style, hybrid. Burney ist ein schneller Spieler (4.54 40-time), der mit neun TFLs gezeigt hat, dass er auch blitzen kann und an der LOS operieren kann. Und er ist enorm schnell beim Lesen gegnerischer Schemes und Plays. Die Raiders wollen high IQ Spieler und obwohl Burney noch einiges lernen muss, bringt er doch ein interessantes Skillset mit. Als er gezogen wurde, war aber unter anderem noch Dee Winters auf dem Board, den ich eher genommen hätte. Burney stellt für mich eine große Unbekannte dar, aber ich bin gespannt, ob er seine Vorzüge, die er auf dem Papier hat, auch aufs Feld transferieren kann.
Grade: D+
Round 7 – Pick #231 – Nesta Jade Silvera, DT, Arizona State
Jade Silvera ist eine kleine Überraschung auf unserem Board. Statt auf einen O-Liner zu spekulieren, draften die Raiders einen weiteren D-Liner. Silvera ist ein Inside Tackle, der etwas underrated ist, aber als 4-Star Recruit ans College kam. Er gilt als außerordentlicher Competitor und Führungsfigur im Locker Room, was seine insgesamt fünf College Jahre untermauern. Die Raiders haben angekündigt, in den Trenches besser werden zu wollen und mit Silveras Explosivität und seinen Fähigkeiten im lateralen Spiel zeigt er, dass seine Production keine Eintagsfliege war. 2022 sorgte er für 24 Run Stops bei 38 Tackles und konnte zudem 20 Hurries, sowie 2 Sacks verbuchen. Seinen kompakten Körperbau und -rahmen gleicht er mit einem High Motor und Violent Hands aus. Er hätte auch locker 20-30 Spots früher gedrafted werden können, weswegen er in Runde 7 einen Value Pick darstellt.
Grade: C+
Overall Draft Grade: B-