Jimmy G verletzt? Josh Jacobs auf dem Weg in den Holdout? Brian Hoyer Week 1 Starter? Die Raiders am tanken und Caleb Williams der Future QB1? Im Raiderversum wird derzeit viel gemunkelt über die Zukunft der Franchise und eventuelle Personalplanungen. Der viel kritisierte Youtuber WifiWillie brachte erst gestern ein Video mit dem Titel The Raiders Already Know Who Their REAL QB is… , andere NFL „Experten“ überschlugen sich in den letzten Wochen mit waghalsigen Prognosen über den Raiders-Kader. Doch was ist dran an den Spekulationen? Eine Einordnung.
Tanken die Raiders für Caleb Williams?
Diesem Szenario gebe ich eine 100%ige Absage. Die Raiders können es sich nicht leisten, für Williams alles aufs Spiel zu setzen. Aus zweierlei Gründen. Der erste Grund ist ein interner und betrifft das Thema Tanking an sich. Zwar sind Tanking-Vorwürfe spätestens nach den Anschuldigungen gegen Dolphins Owner Stephen Ross (2019) und Hue Jacksons Vorwürfen gegen die Führungsriege der Browns wieder in aller Munde und in den Bereich einer gewissen Wahrscheinlichkeit gerückt, dennoch sind dies absolute Ausnahmen. Gezieltes Tanking kommt kaum vor bzw. ist schwer nachweisbar und ist nie von allen Akteuren einer Franchise getragen. Teams in Umbruchphasen und Rebuilds könnten dazu neigen, nicht mehr mit voller Konzentration zu agieren, „es schleifen zu lassen“ und somit am Ende zu den Schlusslichtern zu zählen. Ein „Tanking-Management“, das dich direkt auf Draft-Spot #1 bringt, dürfte aber schwer umzusetzen sein. Eine komplett verkorkste Saison zu planen ist mit Sicherheit ähnlich schwer, wie eine erfolgreiche vorherzusagen. Die Raiders befinden sich weiterhin in einer Transformation und auch in Jahr 2 sind keine zu großen Sprünge zu erwarten. Dennoch würde es mich überraschen, sie in aussichtsloser Rücklage zu sehen. Die Raiders sind vielleicht kein Playoff-Team, haben ihren Kader aber an einigen Stellen, zumindest leicht, verbessert. Der zweite Grund harmoniert mit dem ersten. Caleb Williams wird fast sicher im kommenden Jahr an #1 gedraftet werden. Um ihn zu bekommen müssten die Raiders das schlechteste Team der NFL werden. Ein Rückschritt im Vergleich zur Vorsaison. Und: ein möglicher Vertrauensverlust für Josh McDaniels. McD hat nun „seine Jungs“, kann endlich „sein System“ anwenden. Eine massive Verschlechterung würde nicht nur das Vertrauen der Fans zerstören, auch müssten sich die Verantwortlichen abermals dem Realitäts-Check stellen und sich dann fragen: was haben wir mit McD überhaupt erreicht – außer die Zerstörung der Franchise? Für mich gibt es nur ein Szenario, bei dem die Raiders Caleb Williams bekommen würden: sie traden auf #1 hoch! Dies hätte zwar einen massiven Preis zur Folge, wäre aber verschmerzbar, wenn die Gesamtentwicklung der bisherigen Draft-Picks positiv verläuft. Im dritten Jahr könnte man schonmal ein paar Future Picks „verschleudern“. Ob es Sinn macht, sich VOR dieser Saison auf so ein Szenario zu einigen, wage ich aber auch zu bezweifeln. In einer starken QB-Klasse mit weiteren Bomben wie Bo Nix, Drake Maye oder Michael Penix ist eine hoffnungsvolle, zu frühe, Festlegung auf einen solchen Weg nicht nur sinnlos, sondern auch gefährlich. Risikomanagement gleich null. Läuft nicht, in der heutigen NFL!
Aber nicht vielleicht doch, wenn Jimmy G verletzt ist?
Entschuldigt, aber auch hier muss ich dem Träumen eine Absage erteilen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jede Prognose darüber, ob Jimmy G in Woche 1 der Starter ist, bloße Spekulation. A pointless discussion! Zwar plagen ihn immer wieder Verletzungen und der operative Eingriff in seinen Fuß vor wenigen Wochen ließ die RaiderNation kurzzeitig erstarren, zu rechnen ist allerdings nicht mit einem längeren Ausfall. Jimmy G soll angeblich bis zum Trainingcamp zu 100% fit sein. Die Raiders planen ganz regulär mit ihm. Und sie wollen mit ihm gewinnen! Selbst wenn Jimmy G über weite Strecken der Saison ausfallen würde, ein Brian Hoyer würde ihn nicht ersetzen. Die Raiders würden hier wahrscheinlich Aiden O’Connell testen – oder kurzfristigen Ersatz holen. Aber auch wenn dieser die Mannschaft wohl kaum führen könnte, so bleibt doch zu sagen, dass er von einem überdurchschnittlichen Receiving Corps leben könnte und das Spielsystem weitgehend vom Laufspiel dominiert wird. Und: auch ein Mac Jones konnte in Jahr 1 unter McDaniels zeigen, dass er Spiele am Leben halten kann. Solange aber Jimmy G nicht offiziell längerfristig ausfällt, würde ich am Narrativ festhalten, dass er sowohl unser Week 1-Starter ist, als auch, dass es keine „versteckten“ Risiken gibt. Die Vertragsklausel bzgl. Verletzungen ist, wie wir nach einigen Horror-Meldungen erfuhren, Makulatur und Standardprozedere. Die Sorge um Jimmy G ist also zum jetzigen Zeitpunkt weder sinnhaft, noch fundiert genug.
Josh Jacobs im Holdout – was würde das bedeuten?
Viele reden von einem möglichen Holdout von Josh Jacobs. Klar, die Vertragssituation ist weniger befriedigend und Jacobs famoses Statement „If you want me to play like a hero, pay me like a hero“ ein klarer Fingerzeig. Und dennoch: Jacobs steht unter dem Franchise Tag. Und der Markt für Running Backs ist aktuell alles andere als gut. Zudem die Tatsache, dass, ungeachtet aller Leistungen, die Position einer hohen Fluktuation unterliegt. Gute Running Backs findet man wie Sand am Meer. Nun ist Jacobs mit Sicherheit kein „System-RB“. Jacobs ist ein Multi-Fit und in der Lage allein Spiele zu gewinnen. Mit Blick auf den Gesamt-Kader muss aber ganz klar konstatiert werden: er allein wird den Unterschied nicht machen! Von einem möglichen Jacobs-Holdout auf den Zusammenbruch des Gesamtkonstrukts zu spekulieren, ist waghalsig und unverhältnismäßig. Ich hoffe auch: Pay the man some money! Aber nicht zu jedem Preis! Ich glaube zudem, dass Jacobs eine Vertragsverlängerung bekommen wird und schiebe diesen Narrativ auf diese ereignislose Zeit vor dem Trainingcamp und der Pre-Season. Hinter den Kulissen sieht die Lage bestimmt anders aus. Beide Seiten bemühen sich um einen Deal. Und Jacobs ist seine Situation bewusst!
Was müsste also passieren, um Williams zu bekommen?
Die Raiders, deren erklärtes Ziel eine Verbesserung zum Vorjahr ist, müssten erneut ganz schwach aussehen. Und sie müssten Leistungsträger verlieren. Jimmy G, Jacobs und weitere sind hier gemeint. Ich sehe in der NFL eine so große Competition, dass das Fehlen von ein, zwei Akteuren nicht zwangsweise den Unterschied macht. Erst wenn das Team an mehreren Stellen schwächelt, weitere Verletzungen bekommt und zudem den Saisonstart verkorkst, erst dann, wage ich von Williams zu sprechen. Von diesem Zeitpunkt sind wir aktuell aber weit entfernt!
Wie geht es weiter?
Ich schlage daher vor, im Sinne der eigenen Beruhigung, den Blick aufs Wesentliche zu richten. Es gibt noch Lücken im Kader zu füllen, Stichwort Marcus Peters. Die Raiders gehen bald ins Training Camp und wir werden einige Position Battles sehen. Für einige Spieler kann es restrukturierte Verträge geben. Und wir haben einiges vor, im engen Teilnehmerfeld die Richtigen zu selektieren, wenn es um die Zusammenstellung des 53-Man-Roster geht. Wir haben daher wahrlich andere Probleme und müssen anderen Entwicklungen den Vorrang geben, bevor wir überhaupt Ausblicke auf die nächste Saison geben können. 2024 werden die Raiders zudem von einer grandiosen Cap-Situation profitieren. Selbst im Falle einer erneut schwachen Saison hätte Vegas im nächsten Jahr die Qual der Wahl. Eine in meinen Augen komfortablere Situation, als sich jetzt auf einen Weg festzulegen, der sowieso keine Garantie hat, erfolgreich zu sein.