Seit seinem NFL-Debut am letzten Wochenende scheint sicher: Raiders Rookie Quarterback Aiden O’Connell passt ins System seines neuen Coaches Josh McDaniels. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Tom Brady – zumindest in der Art wie er sich bewegt – besteht bei AOC4 definitiv. Von seinem schnellen Release über den Zip in seinen Würfen, bis hin zu seinen Field Scanning Abilities und seiner Entscheidungsfreudigkeit: Die Parallelen sind klar erkennbar. Und er wäre nicht der erste junge QB, den McDaniels erfolgreich in die Liga einführt. Jetzt allerdings schon vom neuen GOAT zu sprechen ist eindeutig zu früh. Im Folgenden soll daher auch der in dieser Woche immer häufiger auftretenden Frage, ob AOC4 vor Jimmy Garopollo starten wird, eine Absage erteilt werden. Fünf Gründe, warum das nicht passieren wird.
Starter werden früh gedraftet
In der NFL werden die früh spielenden Quarterbacks auch früh gedraftet. Und die über lange Zeit startenden QBs ebenso, sprich die meisten Franchise QBs. Das Draft-Ranking spiegelt durchaus die Einsatzzeiten in den Folgejahren wieder. Als Folie dieser Behauptung verweise ich auf eine Statistik, die zwar schon etwas älter ist, aber durchaus aussagekräftig. Zwischen 1994 und 2016 wurden insgesamt 272 QBs gedraftet. Runden-basiert die meisten in Runde 1, nämlich insgesamt 57. Das sind immerhin stolze 21% aller QBs. Diese spielen ungleich häufiger, als die restlichen 79% aller übrigen Runden. 1st Round QBs wurden in diesen 22 Jahren in insgesamt 4.539 Spielen eingesetzt, in 4.192 Spielen starteten sie. Die 79% der restlichen QB-Draftees kommen zusammengenommen auf insgesamt 4.774 Spiele und nur 3.239 Starts. Das Gros der NFL Starting QBs wird also nicht nur in Runde 1 gedraftet, die Chancen auf Einsatzzeiten und Starts werden auch immer kleiner für QBs, die nicht in Runde 1 geholt werden. Tatsächlich verläuft die Kurve hier nicht proportional. Beispielsweise sehen wir, dass in Runde 5 gedraftete QBs deutlich weniger Einsatzzeit (nur 98 Starts) haben als in Runde 6 gedraftete (679 Starts). Man kann aber sagen, dass die Einsatzzeit ab Runde 3 im Vergleich zu den ersten beiden Runden deutlich abnimmt.
Auch die Erfolgsquote wird immer geringer
Zwar haben wir mit Tom Brady oder Aaron Rodgers Paradebeispiele für Late Round Picks, die zu Legenden wurden, der Normalfall ist das allerdings nicht. Klar, in Runde 1 geholt zu werden ist noch lange keine Garantie, um in dieser Liga langfristig zu bestehen, aber im Allgemeinen wirst du eher erfolgreich sein, als deine Late Round Counterparts. Round 1 QBs standen in dieser Zeit (1994-2016) insgesamt 204 Mal in den Playoffs, die zweitmeisten Playoff Appearances haben QBs aus der 6.Runde (!) mit insgesamt 50 Playoff Starts. QBs aus Runde 5 oder 7 schafften es zusammengenommen nur sechs Mal zu Playoff Starts zu kommen. Auch die prozentuale Sieges-Aufteilung spricht eine deutliche Sprache. QBs der Runden 1 und 2 gewannen knapp 51% ihrer NFL-Spiele. Wenn wir Runde 6 ausnehmen (ja, Tom Brady hat dazu entscheidend beigetragen), deren QBs knapp 54% aller Duelle gewannen, liegt der nächsthöchste prozentuale Sieges-Anteil bei 44%. Ein hoch gedrafteter QB spielt nicht nur häufiger, er gewinnt auch häufiger. Ausnahmen, ob Brady oder, um einen aktuelleren Kandidaten zu benennen, Brock Purdy, bestätigen hier nur die Regel.
4th Round QBs im detailed look
Tatsächlich steht es statistisch um Aiden O’Connells Zukunft gar nicht so gut (Spoiler: ich denke, er ist aber eine Ausnahme). O’Connell wurde mit dem 135.Pick in der 4.Runde des Draft 2023 verpflichtet. Round 4 Quarterbacks bekommen verglichen mit den anderen Runden nur sehr wenig Spielzeit in ihrer Karriere. Die Statistik zeigt: sie starteten in den angesprochenen 22 Jahren nur 464 Mal. Das sind zwar deutlich mehr Starts als ihre Pendants in Runde 5 (98), aber immer noch weniger als Runde 3 (567), und auch weniger als Runde 6 (679) und nur knapp mehr als die in Runde 7 (386). In der 4.Runde als QB gedraftet zu werden ist damit nicht wirklich verheißungsvoll und auch die Winning Percentage (22%) ist nach den 7th Rounders die zweitschlechteste.
Auch der Blick auf die moderne Ära ist hier vielsagend. Die Liste der 4th Round QBs seit 2017: Joshua Dobbs, Kyle Lauletta, Ryan Finley, Jarrett Stidham, Jacob Eason, James Morgan, Ian Book, Bailey Zappe, Jake Haener, Stetson Bennett und eben Aiden O’Connell. Um er vorweg zu nehmen: kein einziger von ihnen bis auf Bailey Zappe startete auch nur ein Spiel in ihrer Rookie-Saison. Bei Stidham dauerte es, wir erinnern uns, ganze drei Jahre, ehe er letzte Saison sein erstes Spiel als Starter für die Raiders (vs. 49ers) hinlegte.
Man könnte durchaus anmerken, dass es wohl keinen wesentlichen Unterschied macht, ob ein Quarterback nun in Runde 3 auf #100 oder in Runde 5 auf #160 gedraftet wird. Die Runden-Selektion spiegelt nicht zwangsweise die Fähigkeit auf dem Platz wieder.
Und dennoch: Rookie-Starters sind äußerst selten. Die Zahl an Quarterbacks, die in den letzten vier Jahren nicht in Runde 1 gewählt wurden und trotzdem starteten, ist relativ überschaubar. In den letzten drei Jahren bekamen folgende Non-Round 1- Rookies Einsatzzeiten als Starter (!): Bailey Zappe (2 Spiele), Sam Howell (1 Spiel), Brock Purdy (6 Spiele), Davis Mills (11 Spiele), Skylar Thompson (2 Spiele), Desmond Ridder (4 Spiele) und Jalen Hurts (4 Spiele).
Ergo, bis auf Jalen Hurts, Davis Mills und Brock Purdy kam es zu keinen nennenswerten Rookie-Startern und selbst diese konnten erst später zu festen Startern avancieren.
Und überhaupt: welche QBs, die nicht in Runde 1 geholt wurden, konnten sich in den letzten Jahren überhaupt als langfristige Starter behaupten? Am ehesten QBs aus dem Draft-Jahr 2016. Dort haben zwei Mid-Late-Rounder einen langfristigen Impact ausüben können: Dak Prescott und Jacoby Brissett. 2014 konnten sich die 2nd Rounder Derek Carr und eben Jimmy Garoppolo langfristig in der Liga halten. Ansonsten gibt es kaum Ausnahmen der Regel. Die besten QBs sind in Runde 1 weg, beim Rest bestätigen Ausnahmen die Regel. Das wird auch für AOC4 nicht anders sein.
Rookie Starters und wen sie ersetzten
Wenn wir einen Blick auf die Rookie-Starter der letzten Jahre/Jahrzehnte werfen, wird ebenfalls klar, dass die meisten von ihnen kaum durch spielerische Leistungen einen Starting Job erwarben. Klar, ein Mac Jones, Patrick Mahomes oder Trevor Lawrence, die ja allesamt auch der ersten Runde entsprangen, wurden explizit mit dem Willen geholt, sie direkt auflaufen zu lassen. Je weiter hinten wir aber in die Draft-Runden gehen, desto schwerer kann die These vom Walk-In-Starter gehalten werden. Wenn wir uns die Rookies von oben anschauen: Bailey Zappe bekam nach einer Verletzung von Mac Jones den Vorzug, Sam Howell galt als Long Term Project, Thompson musste notgedrungen rein, weil Tua mal wieder mit einer Gehirnerschütterung beschäftigt war und das Wunder Brock Purdy wurde nur realisiert, weil Jimmy G bereits draußen war und dann Trey Lance keinen Ansatzpunkt gefunden hat. Selbst Davis Mills wurde nur als Notlösung geholt, weil Deshaun Watsons Situation bis dato ungeklärt war. Ergo: Die einzigen Non-Round-1-Rookie QBs, deren Einsatz vollauf geplant war: Jalen Hurts und Desmond Ridder. Sie wurden mit gleichwertigen QBs in eine Competition gepackt und haben sich durchgesetzt. Das Märchen vom Walk-In-Winning-Rookie scheint damit auf den zweiten Blick eine Rarität darzustellen, die so in der Realität kaum stattfindet.
Und Jimmy G?
Ein letzter Grund liegt an unserem Main-QB: Jimmy Garoppolo wurde nicht aus Spaß geholt! Man will mit ihm gewinnen und auch wenn Aiden O’Connell sich derzeit stark präsentiert, ist Jimmy G unsere gesetzte #1! Klar, seine Verletzungsanfälligkeit ist kein Punkt, den man wegdiskutieren sollte. Und sollte es wieder zu seinem Ausfall kommen, natürlich würde AOC4 direkt übernehmen (müssen). Spekulationen über einen QB-Flip und AOC4 als Week 1 Starter sind aber meiner Meinung nach ins Reich der Mythen abzuschieben. Einzelne schlechte Tage im Training Camp verweisen noch lange nicht auf eine Substitution Jimmy G’s. Garoppolo wird von seinen Mates als Führungsfigur dieses Teams angesehen. Und so wird es auch (erstmal) bleiben!
Fazit und Ausblick
Für Aiden O’Connell ist jetzt die Zeit gekommen, sich zu empfehlen, sich zu präsentieren. Aber es ist für ihn auch eine Zeit des Lernens. Sein erster Auftritt wirkte sehr sicher, 15 von 18 Pässen kamen an und man erkennt: er kann eine NFL-Offense übers Feld führen. Besser als gedacht sogar! Und dennoch: Auch AOC4 wird seine Rookie Bills bezahlen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass dies schneller passiert als manch einem lieb ist. Von einem Mid-Round-Prospect zu einem gefestigten Starter ist es noch ein langer Weg und selbst, wenn ich den aktuellen Hype nachvollziehen kann: das Lehrbuch der Enttäuschung beherbergt ein Kapitel: die zu große Erwartung. Dies soll nicht heißen, dass wir AOC4 nicht vertrauen sollten. Wenn er weiter gut performt, wächst dieses Vertrauen sogar und die Perspektive könnte heißen: AOC4 – The best 4th Round QB since Rich Gannon! Im Moment empfehle ich aber allen Raiders-Fans: erwartet euch nicht zu viel und gebt dem Mann Zeit! Und vor allem: Trust in Jimmy Garoppolo!