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Interview: Im Gespräch mit Martin Hanselmann

(Archiv-Artikel, 2022)

Locos und Locas, heute habe ich ein kleines Interview-Special für euch. Ich sprach mit dem ehemaligen deutschen Nationaltrainer und Ex-Stuttgart Surge Coach Martin Hanselmann über die Entwicklung des deutschen Footballs, die ELF, seine Karriere als Trainer und darüber, was heutzutage nötig ist, um in die NFL zu kommen. Mit welchen Spielern hat er am liebsten gearbeitet und welche Figuren der deutschen Football-Szene haben ihn am meisten beeinflusst? Und: was denkt Martin eigentlich über die Raiders? Das und mehr erfahrt ihr im Folgenden! Danke an Martin und Johannes fürs Mitmachen! (PS: Das Interview wurde bereits vor wenigen Wochen verfasst, wundert euch daher nicht, falls der ein oder andere Aspekt wie bspw. der Raiders Record nicht aktualisiert sind)

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Moin Martin, bevor es richtig losgeht, ich habe vor etlichen Jahren unter Florian Berenberg in der Bayerischen Jugendauswahl, den Warriors, gespielt. Er hatte glaube ich damals den Job von dir übernommen? Du hast damals glaube ich auch schon Seminare für Coaches und sogar Schiedsrichter gegeben. Kann mich noch an ein Camp für Refs in Rothenburg erinnern an dem ich teilnahm, das zwar jemand anders hielt, du aber mitorganisiert hast. Machst du das immer noch? 

Hallo, ja Florian war damals Cheftrainer der bayerischen Jugendauswahl. Er hat diese Position stark geprägt und ja viele junge Leute auch langfristig an unseren Sport gebunden. Ich habe die Ausbildung im American Football Verband Bayern insgesamt 27 Jahre gemacht. Die Schiedsrichtausbildung habe ich aber lediglich ein paar Mal mitorganisiert. Das war nicht so oft der Fall. Zwischenzeitlich macht Steff Copei die Ausbildung der Coaches in Bayern und ich bin gerne noch als Referent dabei.

Damals wirkte alles im Vergleich zu heute sehr rudimentär und weniger „professionell“. Was hat sich die letzten 15- 20 Jahre in Football-Deutschland deiner Meinung nach getan? Wo steht der deutsche Football heute?

Professioneller Sport ist ja ein weiter Begriff und wir müssten jetzt erst einmal eine Definition dazu finden. Wenn ein deutscher Leichtathletik Olympionike noch arbeiten muss und sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen muss, ist das dann professionell? Seine Einstellung zum Sport ist es sicherlich. So ist es ja noch heute auch im Football. Wir haben einige Athleten, hauptsächlich aus dem Ausland, die ihren Lebensunterhalt damit bestreiten aber die Mehrzahl der Spieler sind Amateure im Sinne von Verdienstmöglichkeiten. Da hat sich meines Wissens nach nicht viel in den letzten Jahren verändert. Mit der Perspektive an ein College zu kommen oder dann auch in der NFL Fuß zu fassen haben viele junge Spieler schon eine sehr professionelle Einstellung zu unserem Sport bekommen. Leider haben sich die Trainingsbedingungen für die Athleten nur bedingt verbessert. American Football steht mehr in der Öffentlichkeit und unser Sport hat an Popularität gewonnen. Das ist wichtig für die weitere Entwicklung und hilft sicherlich den Jugendprogrammen genug Spieler zu bekommen. Wir haben auch, so glaube ich, mehr aktive Spieler in den Vereinen denn je. Die Verbände wachsen und können so auch sportpolitisch besser in der Öffentlichkeit auftreten. Hier kann sich in Zukunft sicherlich sehr viel ändern wenn man die richtigen Entscheidungen trifft. Wir sind heute auf jeden Fall bekannt in der Sportszene. Allerdings möchte ich das auch etwas einschränken, denn „bekannt sein“ heißt nicht, dass der Sport auch verstanden wird. Aber man kennt den Sport American Football und das ist sehr gut.

Und woran mangelt es noch?

Ich denke es mangelt ganz stark noch an den Voraussetzungen unter denen junge Spieler den Sport erlernen. Das beginnt für mich bei den Trainingsvoraussetzungen, geht über die Trainingsgeräte und dann auch zum Coaching. Noch heute, nach 40 Jahren American Football in Deutschland, erlebe ich wie Vereine darum kämpfen ausreichend gute Bälle zu haben. Oft fehlt auch das entsprechende Trainingsequipment und die Möglichkeiten Meetings zu organisieren. Also, ich denke da ist noch viel Platz für Verbesserungen in der Zukunft.

Für unsere LeserInnen eine kurze Review. Den meisten dürftest du bekannt sein als ehemaliger Trainer der deutschen Nationalmannschaft. 2001 hast du mit dem Team immerhin die Europameisterschaft gewonnen. Kannst du deine Trainer-Karriere kurz für uns zusammenfassen? Welche Stationen hattest du und was hat dir am meisten Spaß gemacht?

Das wird jetzt schwer es kurz zu halten! Immerhin bin ich schon sehr lange im American Football Sport dabei. Wie viele habe ich als Spieler begonnen und dann meine Leidenschaft für diesen einmaligen Sport so richtig entdeckt. Nach meiner Spielerlaufbahn war ich dann erst in der Jugend als Trainer tätig. Damals unter Erich Grau der Cheftrainer war. Dann wurde ich Cheftrainer der Franken Knights. Dort war ich zuvor auch Spieler. Ende 2000 wurde ich dann Bundestrainer im AFVD. Hierauf folgten Stationen in der GFL in Düsseldorf, Nürnberg und Köln. Nach den Falcons in Köln habe ich drei Jahre bei den Würzburg Panthern mitgearbeitet bevor es dann nach Stuttgart zu den Scorpions und Surge ging. Alle meine Stationen haben mir viel Freude gemacht und oft war das Engagement mit einem Aufbau verbunden. Gerade etwas auf zu bauen und auch zu erleben wie sich ein Programm entwickelt hat mir immer Freude gemacht.

Wer hat dich in deinem Werdegang am meisten geprägt und mit welchen der „alten Recken“ (Coaches, Spieler, etc.) hältst du heute noch Kontakt?

Da gibt es eine ganze Reihe an Personen die mich und meine Arbeit als Trainer geprägt haben. Im Football war und ist es bis heute mein Freund Bob Nielson. Zur Zeit der NFL-Europe hatte ich das Glück die Möglichkeit zu bekommen bei Frankfurt Galaxy sehr viel zu lernen. Da war es vor allem die Zeit mit HC Dick Curl von dem ich sehr viel lernen durfte. Wir hatten uns angefreundet und ich erinnere mich gerne an die Treffen mit ihm in Rothenburg o.d.Tbr.. Er mochte Rothenburg sehr gerne und wir trafen uns dann bei mir im ctksportpark oder bei einem Kaffee in der Stadt und sprachen über Football. Kollegen wie Rudi Herrscher, Steffen Breuer und auch Walter Rohlfing haben mich sicherlich stark beeinflusst.

Deine letzte Station war bei der Stuttgart Surge in der ELF. Nachdem das Team aber nicht erfolgreich war, nahmst du nach über einem Jahr als HC wieder Abschied. Was waren die Hintergründe?

Es war für mich eine sehr spannende und am Ende lehrreiche Zeit in Stuttgart. Nach so vielen Niederlagen in Folge ist es nicht ungewöhnlich, wenn man sich vom Cheftrainer trennt. Allerdings ist das Thema sicherlich umfangreicher und komplexer.

Und wie siehst du die Entwicklung der ELF allgemein?

Die Entwicklung der ELF ist enorm und die Expansion hat für mich eine wirklich rasante Fahrt aufgenommen. Wenn das Geschäftsmodell so aufgeht kann es eine echte Alternative zum Verbandssport werden. Allerdings glaube ich geht es wenn dann eben nur im American Football und Bedarf noch einer großen finanziellen Investition. Auf alle Fälle hat es gezeigt, dass Alternativen möglich sind und man sich nicht ausruhen kann. Nun ist der Verband gefordert!

Hat sie das Zeug zu einer zweiten Version der NFL Europe?

Ich denke dieser Vergleich ist schwer zu führen. Die NFL-Europe war eine Idee der NFL und entsprechend mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Die ELF hat eine andere, ja sogar neue Dimension. Ich erinnere mich noch an die FLE von Axel Gernert. Auch damals schon gab es die Idee einer Profi-Liga. Auch diese Liga ist sehr gut angekommen, scheiterte dann aber an der Finanzierung. Die tatsächlichen Zahlen der ELF kenne ich nun auch nicht, aber ich bin mir sicher alle Franchises haben eine sehr restriktive Finanzpolitik. Also wirtschaftlich kann es eine Chance geben. Sportlich wird die ELF noch einige Zeit hinter der NFL-Europe bleiben müssen. In der NFL-Europe waren es Akteure aus den Colleges und der NFL, aufgefüllt mit einigen nationalen Spielern. Die ELF arbeitet meiner Meinung nach in einer anderen Richtung und ist stark auf die Ausbildung der regionalen Vereine angewiesen.

Inwieweit transformiert sie die deutsche Football-Landschaft?

Die ELF zeigt eine Progression die von vielen Akteuren, ob das nun Spieler, Trainer, Funktionäre oder auch Fans sind, als eine Perspektive verstanden wird. Als eine Transformation würde ich jetzt nicht gleich bezeichnen, aber eine längst fällige Perspektive und Progression. Dazu muss man aber auch wissen, dass ja alles von einer Entwicklung lebt und Stillstand tatsächlich zum Rückschritt werden kann.

 Mit welchen Spielern hast du die letzten Jahre am intensivsten zusammengearbeitet?

Sehr intensiv arbeite ich mit dem jungen WR Noah Bomba zusammen. Noah entwickelte sich in den vergangenen Jahren sehr gut, er hat die entsprechende Größe um auf hohem Level zu spielen. Er ist sehr ehrgeizig und es macht mir sehr viel Freude mit ihm zu trainieren. Außerdem mit einigen sehr jungen Talenten aus dem südlichen Raum.

Welche Talente im deutschen Football können es aktuell in die NFL schaffen?

Ich glaube noch sehr stark an Marcel Dabo. Er hat alle Eigenschaften um in der Liga zu spielen und ich hoffe die Coaches geben ihm die Gelegenheit sein Können zu beweisen. Das ist eben oft der springende Punkt auf diesem Level. Der Athlet muss die Chance bekommen zu zeigen was er kann, ständig immer nur im Training dabei zu sein macht niemanden besser. Dann halte ich sehr viel von Marlon Werthmann. Er hat eine Chance auf einen Platz finde ich, er bewegt sich sehr gut und ist stark.

Du hast in den 80ern mit Football spielen begonnen. Mitte der Neunziger fingst du mit dem Coaching bei den Franken Knights an, zählst also quasi zum „alten Eisen“ im deutschen Football. Was viele verwundert: wie kann man in Deutschland eigentlich Geld mit Football verdienen?

Nun wie überall schätze ich hat es mit Leidenschaft, Ehrgeiz, Kontinuität und Fleiß zu tun. Ich habe mich nie von meinem Ziel abgewendet. Das war nicht immer einfach und sicherlich habe ich dabei manchen Menschen ganz schön vor den Kopf gestoßen. Aber ich bin froh, dass es die Möglichkeit zwischenzeitlich gibt in Europa und viele junge Coaches gibt das eine Perspektive weiter zu machen. Dies ist eine Forderung die ich schon lange immer wieder erwähne, wir benötigen mehr bezahlte Trainerstellen. Auch der DOSB hat erst kurz vor der Pandemie eine Aktion zum Profi-Trainer ins Leben gerufen. Im gesamten Sport in Deutschland werden wir uns auf Dauer mehr solche Stellen leisten müssen. Das Ehrenamt kann das nicht mehr erfüllen. Dazu sind die Anforderungen an einen „Coach“ viel zu sehr gestiegen.

Wie verlief der Prozess vom passionierten „Nischen-Sportler“ hin zum professionellen Coach?

So ein Prozess ist sicherlich schleichend gegangen und ich denke ich habe diesen auch gar nicht so bewusst erlebt.  Ich habe einfach gearbeitet und irgendwann musste dann eine Entscheidung getroffen werden. Durch die Unterstützung meines Bruders Stefan, mit dem ich seit 1997 ein Sportzentrum habe, wäre es so auch nicht möglich gewesen. Da ziehe schon immer meinen Hut vor Leuten wie Shuan Fatah der ja wirklich noch viel mehr ein Risiko getragen hat. Aber man sieht bei ihm wie erfolgreich es gehen kann.

Und wie sieht dein Alltag als Coach aus?

Sehr viel Video schauen und Gespräche führen. Das Scouting ist ein großer Teil des Alltag bei uns. Während der Saison ist die Trainingsplanung auf den nächsten Gegner die Hauptaufgabe. Dazu muss natürlich auch das Team und die Reisen organisiert werden. Der Austausch mit dem Staff, dem Board und der Presse nehmen auch einen großen Teil der Zeit ein.

Kannst du eine typische Woche für uns skizzieren?

Wenn wir am Sonntag gespielt haben dann analysiere ich das Spiel am Montagmorgen und mache mir Gedanken über die guten und weniger guten Aktionen im Spiel. Grundsätzlich starten wir im Coaching Staff dann bereits ab Montag mit dem Game-Plan für das nächste Spiel. Dazu wird viel Video des Gegners studiert und analysiert. Montagabend sind dann die ersten Meetings mit den Spielern und den Coaches. Am Dienstag sieht es ähnlich aus. Am Abend sollte dann der skizzierte Game Plan stehen und wird im Staff dann besprochen um diesen am Mittwoch in ersten Teilen an die Spieler zu geben. Die Strategie wird dann in die Trainingsplanung eingearbeitet und besprochen. Diese braucht auch immer sehr viel Zeit und Dialog mit den Coaches. Ab Mittwoch dominieren Meetings, Presse und die Trainingseinheiten den Tag. Wir arbeiten am Feinschliff und dem Scouting Report für die Spieler. Dazu wird das Team organisiert bei Auswärtsfahrten oder Heimspielen. Und nach dem Spiel geht die Woche wieder los!

Welchen Rat würdest du Football-Interessierten geben, die Coach werden wollen? Wo beginnt man und wie wird man zum „Tactic Guru“?

Natürlich beginnt man am besten einfach mit dem „Coachen“ in einem Verein. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten und viele Vereine freuen sich über junge Trainer. Während dem coachen erkennt man dann bald die Leidenschaft die einen packt. Wenn man sich dann sicher ist kann man die Trainerausbildungen des DOSB/AFVD in den Landesverbänden durchlaufen. Hier lernt man dann das notwendige Handwerkszeug für seine Arbeit. Die taktischen Fähigkeiten entwickeln sich dann sicherlich im Laufe der Zeit. Hier empfehle ich die vielen Clinics die angeboten werden zu besuchen. Ich selbst muss sagen habe immer viel gelernt, wenn ich anderen Coaches über die Schulter schauen durfte. Hierzu organisiere ich seit vielen Jahren eine jährliche Reise an ein College in den USA. Dort kann dann jeder Trainer den Coaches dort bei der Arbeit zusehen und die Trainingseinheiten begleiten. Das finde ich persönlich eine tolle Gelegenheit sehr viel über unseren Sport zu lernen.

Wie würdest du deine Coaching-Philosophie beschreiben?

Das finde ich immer eine schwierige Frage. Ich kann es auch nicht wirklich definitiv sagen. Auch glaube ich das entwickelt sich ja mit der Zeit immer mehr. Grundsätzlich glaube ich an Fleiß und dass wir mit gezieltem Training sehr weit kommen. Ich bin auch eher in meinem Trainingsaufbau an einer Entwicklung interessiert. Auch wenn das dann länger dauert und man mehr Geduld braucht. Es muss am Ende um die Spieler gehen. Es ist ihr Spiel und wir als Trainer unterstützen sie dabei.

Was müssen deutsche Athleten mitbringen, um erfolgreich zu werden? Stimmt es, dass deutsche Footballer über mehr Herz und Passion zum Spiel verfügen als ihre amerikanischen Pendants?

Das kann ich so bestimmt nicht unterschreiben. Die Leidenschaft der Athleten für den jeweiligen Sport ist, so denke ich, überall ähnlich. Der eine Athlet ein wenig mehr und der andere sieht es gelassener. Wir sind alle so individuell und einzig artig, dass man das so auf keinen Fall sagen kann. Wenn man mit dem Football beginnt muss man erst einmal einfach Spaß und Freude an dem Sport mitbringen. Die Freude am American Football Sport wird das Interesse so sehr beeinflussen, dass der Athlet von alleine viele Dinge richtig macht um gut zu werden. Dann erst finde ich kommt der Coach und entwickelt einen Spieler entsprechend seines Talents. Dann auch kommen die Faktoren der Leistungsfähigkeit ins Spiel. Für mich ist da Selbstdisziplin ein wichtiger Faktor, natürlich auch alle anderen Komponenten.

Reden wir ein wenig über die Xs&Os, also über Taktik und Strategie. Wenn du den amerikanischen Highschool/College Football – Bereich mit Deutschland vergleichst. Was sind die größten schematischen Unterschiede? Wie komplex ist der deutsche Football im Vergleich?

Hier sehe ich einfach nach wie vor einen so großen Unterschied. Wenn wir an unserem Sportsystem festhalten, und das gilt für andere Sportarten auch, wird der Unterschied noch gravierender werden. Wir können einfach nicht dieselbe Zeit für das Training und die Meetings aufwenden. Wir versuchen zwar schematisch oft mithalten zu wollen und scheitern dann aber einfach an der Umsetzung. Die GFL und die ELF sind hier schon weiter, aber auch hier wird ja noch zum Großteil mit Teilzeit- Sportlern trainiert. Es ist schwierig täglich mit Athleten am Abend nach derer Arbeit zu trainieren. Das macht es eben viel einfacher in einer High-School oder am College. Hier ist der Sport in das Bildungssystem eingearbeitet. In meinen Augen sind es auch weniger die Xs&Os die den Unterschied machen. Es sind die Techniken die gelernt werden müssen und von den Spielern angewendet werden. Hier haben unsere Athleten einfach das Nachsehen und wir können das ohne neue Strukturen auch nicht auffangen.

Welche strategischen Konzepte/Schemes findest du am interessantesten und warum?

Da ist es schwer ein Konzept herauszunehmen. Neue und moderne Konzepte sind ja oft eine Mischung aus vielen unterschiedlichen Philosophien. Mich begeistert meist die Perfektion die ein NFL-Team hat. Hier wird im Angriff wie in der Verteidigung so variabel gespielt. Das begeistert mich sehr. Als Grund würde ich hier die Trainingsstruktur nennen. Wenn man bedenkt wie viel Zeit diese Teams mit Meetings und Walk Through`s verbringen finde ich das unglaublich interessant.

Wie sieht „moderner“ Football aus? Sprich: welche Konzepte, die heute essentiell sind gab es vor 20 Jahren nicht?

Spontan fallen mir da im Angriff die gesamten RPO-Modelle ein. In der Verteidigung hat sich die Front sehr verändert und viele Teams spielen mit mehr Verteidigern im Backfield. Vor 20 Jahren waren es im Angriff die Play-Action Konzepte und mit der Veränderung der Techniken in der DL wurden dann auch die Techniken in der OL angepasst und so verändern sich Konzepte. Für die Verteidigung ist es das vermehrte Pass Spiel, welches dann mehr Fokus darauf legen lässt. Auf alle Fälle finde ich modernen Football schneller und viel athletischer. Wenn man sich auch die Werte der Combines anschaut sieht man wie sich die Anforderungen an Spieler in Kraft, Beweglichkeit, Geschwindigkeit und anderen Eigenschaften verändert haben. 

Welche Bücher empfiehlst du angehenden Coaches, um mehr Verständnis für die taktische Seite des Sports zu entwickeln?

Hier gibt es viele gute Buchreihen von verschiedenen Autoren die den Sport im Detail erklären. Aber auch hier muss jeder Coach für sich entscheiden was er da lernen will. Ich könnte jetzt kein spezielles Buch empfehlen. Tatsächlich lese ich selbst gerne verschiedene Biographien von Trainern. Mich interessiert deren Denke und das beeinflusst natürlich auch den Gameplan und die Taktik. 

Du betreibst auch einen eigenen Podcast. Den „Football Hautnah! Podcast“ gibt es u.a. auf Spotify. Für mehr Infos checkt Twitter unter https://twitter.com/HautnahPodcast ! Erzähl uns doch ein wenig über das Projekt. Was war die Intention und welche Inhalte finden wir?

Das war tatsächlich auch so eine spannende Geschichte. Vielleicht muss man vorab noch sagen, dass ich mich selbst nicht so gut verkaufen kann wie das zum Beispiel ein Patrick Esume macht oder auch andere Kollegen. Es gab schon immer Leute in meinem Umfeld die sagten du musst mehr in die Öffentlichkeit und bei allem was du tust das muss ins Marketing. Das ist jetzt ein Punkt von dem ich keine Ahnung habe und mich auch immer gerne rausgezogen habe. Aber da kam also Johannes Reuter auf mich zu, Johannes ist ein ehemaliger Sportler der bei uns trainiert hat und Football Fan wurde. Er kam also und fragte mich ob ich auf so ein Projekt Lust habe. Meine Antwort war glaube ich, wenn es nicht mehr als eine Stunde in der Woche braucht und ich keinen Clown machen muss dann gerne. Das hat er mir versprochen und wir haben begonnen. Johannes hat unglaublich viel Geduld mit mir und ist sehr entspannt. Als wir das Format besprochen haben war es uns beiden wichtig eine Ernsthaftigkeit in das Programm zu bekommen. Und so versuchen wir einfach aus einem Trainerleben zu erzählen und wollen die Hörer mit auf eine Reise in das tägliche Footballgeschäft nehmen.

Verfolgst du noch die NFL und wenn ja, was ist dein Lieblingsteam?

Ja, ich verfolge die NFL sehr intensiv. Mehr auch als College Football. Ich sage immer College Football ist die Entwicklungsabteilung der NFL. Was sich bewährt wird dann übernommen in die NFL. Ein Lieblingsteam habe ich aber tatsächlich nicht. Bei mir ist es oft Spielerbezogen. Als Mark (Nzeocha) bei den 49ers war habe ich mich natürlich sehr für die 49ers interessiert. So verfolge ich auch das Team von Jakob Johnson oder auch Sandro Platzgummer. Gerade gefallen mir die Bills mit Josh Allen sehr gut. Also ein richtiger Fan eines Teams bin ich nicht, ich würde mich eher als American Football Fan bezeichnen.

Meine Homepage dreht sich ja weitgehend um die Raiders, daher würde unsere Community sich sicher freuen, wenn du für sie ein paar Worte übrig hast. Verfolgst du die Raiders und wenn ja, wie bewertest du unsere aktuelle Saison?

Wie gesagt, durch Jakob interessiere ich mich gerade für die Raiders. Gerade spielen die Raiders für mich eine schwierige Saison. Bei 6-8 lässt das Team in Spielen immer wieder aufblitzen wie gut sie sein können. Dann aber wieder haben sie Spiele bei denen sie weit unter ihren Möglichkeiten spielen. Wenn das Team zu einer Kontinuität findet dann ist es gut für jeden Gegner. In der AFC-West sind natürlich die KC und auch die Chargers sehr gute Teams.

Ist da Potenzial für die Zukunft?

Wie bereits gesagt finde ich Kontinuität einen wichtigen Baustein für den Erfolg. Das sehe ich bei den Raiders gerade extrem. Schaffen sie es hier eine Linie zu finden sind sie schwer zu stoppen.

Noch was in eigener Sache. Dein Sohn Dominic steht in Braunschweig unter Vertrag. Er war damals bei den Warriors unser bester Receiver. Ich war damals Tight End, leider mit zu vielen Drops, weswegen ich mit ihm und Franky (ehem. Königsbrunn/Stuttgart QB) eine Passing Session einlegen musste. Ewig ist es her, vielleicht 2005!? Was hat sich bei ihm getan?

Dominic lebt jetzt in Hamburg und hat eine Familie dort.

Wie verlief seine Football Karriere?

Er ist ja direkt nach seiner Jugendzeit in die GFL nach Dresden. Von dort aus hat er dann eine tolle „Football-Reise“ gestartet. Mit den NewYorkerLions hat er einige German Bowls gewonnen und als Nationalspieler die Europameisterschaft.

Und: wie schwer ist es als Familie, dem Football so lange treu zu bleiben? Treibt euch die unendliche Passion und welche Opfer muss eine „Football Family“ bringen?

Es ist schwierig zu sagen was es da gibt. Ich bin geschieden worden und dann war es ja nicht so erfolgreich. Für mich ist es sicherlich diese unglaubliche Faszination von American Football die ich mit Leidenschaft verfolge. Grundsätzlich aber gibt es ja tolle Beispiele die den Sport in der Familie leben und alle hinter dieser Passion stehen. 

Martin, es hat mich sehr gefreut dieses Interview mit dir zu führen und ich lege euch allen ans Herz, mal in den Hautnah Podcast reinzuhören! Dank dir fürs Mitmachen und ganz viel Respekt von meiner Seite, du warst für den deutschen Football eine Figur von enormer Strahlkraft. Viele, die erst in den letzten Jahren im Zuge der Hype Wave zum Football kamen unterschätzen, wie viel Passion und Leidenschaft diejenigen in die Sache stecken mussten, die Football hierzulande mit aufbauten! In diesem Sinne, viel Erfolg bei deinen weiteren Stationen und: stay football!

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