Future Diamonds – Scouting Bericht zu CJ Stroud

(Archiv-Artikel, 2023)

In knapp zweieinhalb Monaten ist es wieder soweit. Der NFL Draft steht vor der Tür und für die Raiders wird die Quarterback-Frage nach Tom Bradys verkündetem Karriere-Ende nun immer brenzliger. Wird vielleicht nun doch ein QB im Draft geholt? Und wenn dem so ist, fokussiert sich Vegas auf die 1.Runde oder wird in den Mid-Rounds ein Developmental QB herangeholt? Neben Bryce Young, für den ein Uptrade wohl kaum möglich erscheint und Anthony Richardson, den wir vor Kurzem gescoutet hatten, fielen in den letzten Tagen wieder vermehrt zwei Namen: CJ Stroud und Hendon Hooker. Was ich von den beiden halte und ob die Raiders zuschlagen sollten, erfahrt ihr heute und morgen in den Future Diamonds. Den Anfang machen wir mit CJ Stroud.

CJ Stroud, QB, Ohio State

Eine private Geschichte von Stroud  soll gleich zu Beginn verdeutlichen, dass es ihm am mentalen Aspekt im Spiel wohl nicht fehlen dürfte: 2015, als er noch im Jugendalter war, wurde sein Vater zu 38 Jahren Gefängnis wegen Raubes und Entführung verurteilt. Der noch junge CJ wuchs anschließend unter eher ärmlichen Verhältnissen mit seiner alleinerziehenden Mutter und drei Geschwistern auf. In der High School wohnte er aufgrund zu hoher Fahrtkosten und seiner prekären Situation in einem Verschlag-ähnlichen Appartment direkt am Trainingsgelände. Strouds Geld war knapp und seine Familie wäre um ein Haar obdachlos geworden. Vom Kauf von Equipment für CJs Leidenschaft Football gar nicht erst anzufangen. Damals, bis auf CJs spielerisches Können, kaum Anzeichen für das was folgen sollte. Und so entschied sich der junge CJ, beglückt mit dem Talent eines Athleten, alles auf eine Karte zu setzen: er wollte seine Dämonen abstreifen und seine Familie retten – er wollte in die NFL, um am Ende nicht irgendeine unbedeutende Statistik zu werden. Hätte er es nicht geschafft, wäre es ihm wie tausenden anderen Athleten ergangen. Doch es kam wie es kommen musste. Von der Rancho Cucamonga High School ging er zu Ohio State, der Uni, die in den letzten Jahren so einige NFL-QBs hervorbrachte: Justin Fields und Dwayne Haskins beispielsweise. Den Weg dorthin konnte er nur bestreiten, weil er in seiner letzten High School Saison, der zweiten als Starter, mit 47 Touchdowns auf sich aufmerksam machte. Die Scouts hatten ihn daher erst spät auf der Liste. In Ohio brach er dann aber nicht nur Rekorde, er wurde auch zweimaliger Heisman-Trophy-Finalist und profitierte vom neuen NIL-Agreement, bekam also zum ersten Mal die Chance, sich selbst zu vermarkten. Dies nutzte er unverhohlen aus: er kaufte sich einen dicken Schlitten, seiner Mutter eine Wohnung und gab sogar seinen Mitspielern immer wieder Gutscheinkarten aus. Ein Mann also, der weiß, wo er herkommt. Ein Mann, der gelernt hat aus dem Dreck am Boden Gold zu machen. Zielstrebig. Geduldig. Bescheiden. Eigenverantwortlich. Dass seine private Geschichte beeindruckend ist, wird bei der Beschäftigung mit Stroud schnell deutlich. Und allein dafür bekommt er von mir Pluspunkte. Die NFL braucht Charakter-Spieler und wenn man sprichwörtlich einmal durch die Hölle gegangen ist, läuft es sich im Himmel umso angenehmer. Doch wir würden nicht über Stroud schreiben, wenn er nicht auch Football-bezogen was drauf hätte. 2022 warf er für satte 3684 Yards bei einer Completion Percentage von 65.9 und einem fabelhaften QB Rating von 125. Er warf die zweitmeisten Touchdowns im College Football (41), obwohl er nicht mal an seine Bestmarke im Jahr zuvor (44) einstellte. Und das, obwohl er mit Ohio State gegen die Besten des Landes spielte.

Ich habe die Saison über einige Male bei Ohio State reingeschaut, als Stroud spielte und war natürlich begeistert. Allerdings nie so begeistert, dass ich glauben würde, er könne der #1 Pick im Draft werden. Dies bleibt wohl Bryce Young vorbehalten und selbst nach intensiverem Scouting favorisiere ich Young immer noch. Die Kombination aus Pocket Skills und Mobilität hat es mir im modernen Spiel einfach mehr angetan. Während der Saison dachte ich mehrmals, Stroud sei ein Abklatsch von Fields – nur ohne Mobilität. Heute, nach mehrstündigem „Stroud-Schauen“, muss ich sagen, dass ich äußerst happy wäre, wenn die Raiders ihn bekommen. Mit Pick #7 ist es zwar unrealistisch, dass er überhaupt noch auf dem Board ist, aber ein Uptrade um zwei, drei Spots, wäre hier eher machbar als ein Uptrade nach ganz oben für Young. Und je mehr ich Stroud sehe, desto mehr gefällt mir sein Overall Gameplay. So erging es mir auch bei Richardson. Der Blick aufs Detail öffnet manchmal neue Türen.

Im Halbfinale der College Football Playoffs gegen Georgia durften wir, trotz Niederlage, einen Stroud beobachten, wie er sich schlägt wenn er unter Druck in einem großen Spiel steht. Und, was soll man sagen, er hat seine Aufgabe sehr gut gemacht. Mit 348 Yards und vier Touchdowns bei keiner Interception strahlte er enorme Sicherheit aus und konnte bei der 41-42 Niederlage zeigen, dass er die beste Defense des Landes teilweise vorführen konnte. Klar, Stroud profitierte von seinen Receivern. Er hat einige gute: Beispielsweise Emeka Egbuka, der an diesem Tag acht Pässe für 112 Yds. fing. Oder Marvin Harrison Jr., Sohn des ehemaligen Wide Receiver Superstars Marvin Harrison. Oder Julian Fleming. Und dennoch: sein bester Mann, nämlich Jaxson Smith-Njigba, war nicht mal mit von der Partie, da er sich als ineligible gemeldet hatte. Stroud nahm die Geschicke also in seine eigene Hand und wäre fast mit einem Sieg aus seinem letzten Spiel gegangen.

Der Narrativ passt also, doch wie sieht es en Detail mit seinem Skillset aus? Was mag ich (/mögen wir) an Stroud und in welchen Bereichen kann er noch zulegen?

Seine wohl beste Eigenschaft ist, im Gegensatz zu bspw. Anthony Richardson, seine Wurfgenauigkeit. Sowohl die Platzierung seiner Würfe, als auch seine overall accuracy zählen zu den besten der Klasse. 2021 schaffte er es beispielsweise 56.5% seiner Pässe über 20 Yards anzubringen, in der Intermediate Range satte 71.1% und bei kurzen Pässen sagenhafte 85%. Das Vertrauen, das er seinen Receivern schenkt ist dabei zu beachten, ist es doch die Feinabstimmung, die in der NFL den Unterschied zwischen guten und durchschnittlichen QBs ausmacht. CJ wirft in enge Anspielfenster und platziert den Ball meistens vor dem Receiver, um die Möglichkeit auf YAC zu optimieren. Stroud beweist hier eindrucksvoll: mit guter Antizipation und Timing lassen sich viele Spiele gewinnen. Unstimmigkeiten wie zuletzt bei Derek Carr könnte er minimieren. Er hat, wie man sagen würde, ein Natural Feel für seine Mitspieler. Er weiß stets, was seine Teammates tun und setzt diese in Szene. Sein Football IQ hilft ihm hierbei und ich denke, er könnte problemlos NFL Schemes erlernen und diese anwenden, obwohl die Ohio State Offense nicht zu den innovativsten gehört, was das taktische Repertoire anbelangt. Dennoch macht er sehr wenige Fehler. In zwei Saisons warf Stroud nur 12 Interceptions, was einerseits an seinem guten Umfeld liegt, andererseits mit seiner Vision zu tun hat. Er hat einen guten Blick für Gefahren am defensiven Horizont. Er verkörpert – im Gegensatz zu Richardson und Young – allerdings eher einen klassischen Pocketpasser. Viel Mobilität können wir von ihm nicht erwarten. Und dennoch: er liest auch die gegnerische Line gut und wirkt spritzig und geduldig, wenn Druck kommt. Seine Pocket Awareness ist sehr schön anzuschauen, wenngleich er wohl nicht die Escapability eines Richardson besitzt. Dafür ist seine Wurftechnik ausgefeilter. Richardson wirft irre Long Passes, hatte aber bei Short/Intermediate Schwierigkeiten. Stroud hat das nicht. Aber er hat den gleichen Zip wie Richardson. Schönes quick decision making. Schöne Flugbahnen des Balls, vor allem bei Würfen an die Seitenlinie (bsp. Post Routes nach außen oder Fly/Out Routes). Seine Würfe kommen schnell, sein Release ist gut. Was mir sehr zusagt: er hat keine Scheu Hits einzustecken, wirft häufig mit Front Step bei herannahenden Gegnern. Bei Ohio hat er zudem gelernt an der LOS das Heft in die eigene Hand zu nehmen, Plays situationsbedingt zu ändern. Das spricht für seine Eigenständigkeit und Eigenverantwortung, wenngleich ich glaube, dass McDaniels lieber Spieler sucht, die weniger autonom agieren. Was mir sehr gefallen hat: er kann in entscheidenden Spielen elitär performen. Wir sahen dies gegen Georgia, aber auch gegen Utah beispielsweise, als er im Rose Bowl eindrucksvolle 573 Yards erwarf und sein Team zurück ins Rennen brachte. Wenn ich Stroud zusehe, sehe ich einen intelligenten Smart-QB mit den nötigen Techniken und Selbstvertrauen, auf dem höheren Level erfolgreich zu sein. Ich glaube sein Ceiling ist nicht so hoch wie das eines Richardson, sein Floor dürfte jedoch höher liegen als bspw. bei Justin Fields. Vor allem glaube ich, dass Stroud bereits in Jahr 1 direkt Impact erwirken kann. Ein Plug&Play Starter – mit ein paar negativen Kritikpunkten.

Diese möchte ich im Folgenden kurz beleuchten: neben Feinmechaniken, die ich schlecht beurteilen kann, fehlt es Stroud vor allem an der Fähigkeit Druck zu absorbieren und aus der Pocket auszubrechen. Er ist weder der Schnellste, noch hat er Ideen aus einer verlorenen Pocket Profit zu schlagen. Sein QB Rating sank außerhalb der Pocket um knapp 50 Punkte. Die Komplexität von NFL Defenses könnte ihm am Anfang zu schaffen machen. Zudem fehlt Stroud der Long Arm. Er kann zwar tiefe Pässe werfen, im Elite-Segment landet er aber nicht.

Was ich persönlich nicht als Nachteil sehe, was in der Vergangenheit aber durchaus interessant war: Ohio State Quarterbacks schneiden in der Regel eher mäßig in der NFL ab. Dies führt zur Frage: machte sein gutes Teamgefüge Stroud besser, als er ist? Oder allgemein: muss ein angehender QB am College eher in einem schlechten Team spielen, um sein wahres Potenzial besser bewerten zu können? Bekommen wir mit einem QB aus einem Top-Team eine Mogelpackung? In meinen Augen ist das eine sehr hypothetische Frage, die vor den meisten Drafts aber regelmäßig in unterschiedlicher Form auftaucht. Gute QBs scheitern umgekehrt oftmals am Nichtvorhandensein anderer Offensivwaffen. Das ist sowohl am College, als auch auf NFL Level der Fall. Auf die Raiders bezogen wäre die Frage: kann unsere gute Receiving-Abteilung (Adams, Waller, Renfrow) Stroud helfen, die Essentials besser zu verinnerlichen? Und ist das Corps stark genug um Strouds Fehler durch ihre Hilfe gering zu halten? Die Antwort sollte „Ja“ heißen.

Um einen Eindruck von Stroud zu erhalten, klickt die Videos unten im Artikel. Ich kann den Raiders in jedem Fall nur dazu raten auf ihn zu setzen, falls er noch zu haben sein wird. Nachdem ich nun einige QBs angeschaut habe, kann ich festhalten, dass Vegas die Qual der Wahl haben wird, falls ihre Strategie einen 1st Round QB vorsieht. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass nach meinen Stroud Filmsessions der vorher gefühlte Abstand von Young auf Stroud kleiner geworden ist. Sowohl für Richardson, als auch für Stroud kann ich konstatieren: PICK THEM!

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