Future Diamonds – Scouting Report zu Anthony Richardson
(Aus dem Archiv des alten Blogs, 2023)
Die Quarterback-Suche der Raiders befindet sich auf Hochtouren. Nachdem diese Woche mit den Jets, Commanders, Panthers und Saints mögliche Nachfolge-Teams für Derek Carr bekannt wurden, verkündeten die Verantwortlichen, dass ein Trade noch vor der Deadline am 15. Februar ausgearbeitet werden solle. Es kam das Gerücht auf, Carr verzichte auf seine No-Trade-Klausel, was ihm den Vorteil der eigenständigen Entscheidung über seine Zukunft geben könnte. Für die Raiders heißt das: neues Draft Kapital incoming! Die Spekulationen über Carrs Nachfolgekandidat reißen also nicht ab und ein Spieler wurde in diesem Zusammenhang häufig genannt: Florida Gators Quarterback Anthony Richardson. Wer er ist und was er drauf hat, erfahrt ihr heute in einer weiteren Ausgabe der Future Diamonds Serie.
Eigentlich wollte ich heute einen Double Header präsentieren und neben Richardson auch einen Scouting Report über Malik Hooker schreiben. Doch Richardson hat mich so fasziniert, dass ich mir einige Stunden mehr Filmmaterial von ihm angeschaut habe – ich bin quasi an ihm hängen geblieben, weswegen es heute nur etwas über ihn zu lesen gibt. Und obwohl gestern das Gerücht durchkam, die Raiders würden lieber einen Veteranen, statt einen Rookie auf QB verpflichten, glaube ich, es macht Sinn sich intensiver mit Richardson zu beschäftigen. Zudem sei eines gesagt: im derzeitigen Pre-Offseason-Gewühle sollte man kaum einem Gerücht trauen. Und: Teams versuchen zudem gezielt mit Gerüchten von eigentlichen Draft-Strategien abzulenken. Die Tatsache, dass man in Vegas lieber einen erfahrenen Recken an Bord hätte, soll nicht über darüber hinweg täuschen, dass man eventuell bereit ist, einen weiteren Rookie-QB hinter dem Veteranen reifen zu lassen. Zudem ist es durchaus möglich, dass ein Draft-QB direkt ins kalte Wasser geworfen wird, siehe Mac Jones, der in New England direkt zum Einsatz kam und für den die Patriots Cam Newtons weitere Dienste eiskalt abwiesen. Die Raiders haben einige Optionen, Tom Bradys Name ist immer noch en vogue und es ist fraglich, ob Pick #7 reicht, um einen der hoch gehandelten QBs (Young, Stroud) zu bekommen. Wäre Richardson also ein Reach? Und bekommt man ihn überhaupt, wenn man ihn nicht an #7 draftet? Fragen über Fragen und zum jetzigen Zeitpunkt doch mehr Spekulation als Tendenz. Die Abhängigkeit von zukünftigen Faktoren ist groß, aber was man jetzt schon sagen kann: die Raiders haben Richardson auf dem Schirm! Berichten zufolge sei GM Dave Ziegler fasziniert vom Florida-Prospect, auf das er bereits im September einen intensiven Blick geworfen hatte. Ziegler war beim College Football Matchup zwischen Tennessee und Florida zu Gast und Zeuge des knappen 38-33 Sieges der Volunteeres gegen die Gators. Richardson warf in diesem Spiel für 453 Yards und zwei Pass-Touchdowns (sowie +60 Yds im Lauf mit 2 TDs), überzeugte durch seine Playmaking Ability und seinen Long Arm. Zwar würde ich diesem Besuch nicht zu viel Bedeutung beimessen, aber spätestens seit diesem Spiel ist allen im Draft-Milieu bekannt: Richardson hat Talent ohne Ende und könnte unerwartet hoch gedraftet werden. Ein Blick auf ihn lohnt sich. Doch was macht Richardson zu einem interessanten Prospect? Kann er seine Skills auf ein NFL-Level transferieren? Woran muss er noch arbeiten? Und: würde es sich für die Raiders lohnen einen Top-10 Pick für ihn auszugeben?
Was bei Richardson sofort auffällt: der ehemalige 4-Star-Recruit ist ein moderner Dual Threat Quarterback, dessen Stärke in seiner Mobilität liegt. Er wird oft mit Lamar Jackson oder Cam Newton verglichen und in der Tat: die Vergleiche sind treffend. 2022 steuerte er 713 Lauf-Yards bei. Dem stehen nur 2553 Passing Yards entgegen, sowie 17 Touchdown Pässe. Wahrlich nicht die Creme-de-la-Creme im College Football. Eine Red Flag findet man ebenfalls schon beim Blick auf seine Statistiken: er komplettierte nur knapp 53% seiner Pässe. Eigentlich müsste ich hier schon aufhören zu schreiben. Denn in der modernen NFL wird das wahrlich nicht ausreichen! Richardson belegt in dieser Statistik Platz 102 aller College QBs. Und ganz ehrlich: dieser furchtbar niedrige Prozentsatz macht auch mich skeptisch. Und nichtsdestotrotz: beim Blick aufs Detail offenbaren sich seine Vorzüge. Und: in einigen Bereichen seines Spiels ist er bereits jetzt überdurchschnittlich gut veranlagt, gar auf elitärem Level. Spätestens seit Brock Purdy ist klar: viele Schwächen lassen sich in der NFL durch gutes Coaching wettmachen. Und Josh McDaniels ist der Meinung einen jungen Quarterback entwickeln zu können. Wenn Richardson es schafft seine mangelnde Wurfgenauigkeit zu fixen und seine Feinmechaniken zu verbessern, haben wir mit ihm einen zukünftigen NFL-Star! In anderen Bereichen ist er bereits NFL-ready: Seine Athletik und sein Körperbau stechen hervor, er ist mit 1,93m ein größerer Quarterback, was seine Field Vision positiv beeinflusst und zudem ist er physisch gegen harte Tackler gefeit, weil er im Running Game das Skillset eines Full-Time RB besitzt: er hat die Schnelligkeit, Härte und Geduld und kann zudem schöne Moves einsetzen – Anklebreak Alert! Gepaart mit seinem Strong Arm erfüllt er schonmal die Grundvoraussetzungen. Laut eigener Aussage wirft Richardson den Ball über 70 Meter. Doch allein die Athletik macht keinen guten NFL Starter. Ich habe mich daher auf folgende Punkte bei der Filmstudie konzentriert: Wie geht Richardson durch seine Progressions? Mit welchen Coverages hat er Probleme bzw. wie beeinflussen Shifting Formations seine Wahrnehmung auf dem Feld? In welchen Formationen und bei welcher Art von Play blüht er auf? Bewahrt er in der Pocket Geduld und wie verhält er sich in Drucksituationen? Welche Arten von Würfen kann er machen? Auf welchem Level ist sein Footwork? Tendiert er dazu, Plays unnötig am Leben zu halten? Kann er wenn nötig Plays extenden? Wieviel Risiko geht er dabei ein?
Als Bewertungsgrundlage habe ich die Spiele gegen Tennessee, Utah und Florida State genommen. Es fällt auf: Richardson ist neben Designed QB Runs am effektivsten bei Rollouts und Bootlegs. Häufig sehen wir den Klassiker: Rollout Right, kurzer Stop und dann der tiefe Pass zur Spielfeldmitte oder auf die Outside. Dabei geht er blitzschnell seine Progressions durch und fixiert sich selten auf gedeckte Receiver, findet immer wieder Underneath Routes zur Absicherung vor zu großem Risiko. Manchmal wagt er auch den langen Pass und ist dabei relativ akkurat. Was man von seinen Short und Intermediate Pässen nicht behaupten kann. Dort begeht er zu viele Anfängerfehler, wenn er beispielsweise zu viel Wurfkraft aufbringt. Man sieht bei seinen Pässen: Richardson ist nicht per se ein ungenauer Werfer. Er kann auch Tight Windows treffen und wirft vorzüglich aus dem Lauf heraus. Doch seine Mechanics leiden etwas am Finetuning. Er gibt dem Ball manchmal mehr Druck als nötig und nutzt zu häufig die volle Armbewegung, wo es auch leichte Pässe getan hätten. Es ist dabei nicht so, dass er seine Receiver komplett überwirft und gelegentlich denkt man sich: in der NFL hätte sein Receiver den Ball gefangen. Dennoch wirft er overall zu ungenau, weil überdreht. Was man ihm zu Gute halten muss: er beherrscht dennoch alle Wurfarten und er scheint ein natürliches Gefühl für Defender zu haben, deren Bewegungen er häufig zu analysieren scheint. Er wirft häufig „between coverages“ und vertraut auf seine Receiver. Sein Release ist exzellent. Richardson wird definitiv weniger Zeit als Derek Carr brauchen, bis er wirft. Das könnte auch unsere O-Line entlasten. Zur Spielfeldmitte geht das besonders schnell bei ihm. Leider sehe ich auch hier zu viel Inkonsistenz. Richardson muss besser werden was seine Pocket-Präsenz angeht. Er hat ein gutes Gespür für Pressure und sein Footwork auf engem Raum ist exzellent. Zudem kann er Druck ausweichen und kreiert häufig Big Plays out of structure. Doch seine Anfälligkeit in der Pocket zeigt sich bspw. bei überhasteten Backpedal Throws auf seinem hinteren Bein und seinem häufigen Wunsch aus der Pocket auszubrechen, obwohl diese ihm noch Zeit gibt. Dafür muss er einige Male büßen und kann etlichen Sacks bisher nur entkommen, weil er noch im CFB spielt. In der NFL werden einige seiner Fehler härter bestraft werden. Richardson sucht zu häufig das Big Play, wo Geduld gefragt ist. Ein weiterer Nachteil ist hierbei insbesondere fahrlässige Ball Security. Die Quarterback Busts der letzten Jahrzehnte hatten meist eines gemeinsam: sie waren ungenau, weil überhastet. Dieses Überhasten sieht man bei Richardson auch nicht selten. Wenn er zu Boden geht, will er den Ball noch schnell im Fallen werfen, wenn er ein Play abbrechen soll, will er es unbedingt zu Ende führen und manchmal wirkt er irritiert von wechselnden Coverages. Ein Problem stellen beispielsweise Overload Blitzes auf seiner Strong Side dar. Ein TJ Watt würde sich freuen, gegen Richardson zu spielen. Mit Single High hat er in der Regel weniger Probleme, aber manchmal sieht er Geister bei QB Spies oder Fake Blitzes, sowie Man-Zone-Variationen. Wenn er diese mangelnde Konstanz in den Griff bekommt, hat er alle „Intangibles“, die einen Elite QB ausmachen. Zu sagen er wäre in der Pocket nicht gut ist bspw. nur situationsabhängig richtig. Was mir an seinem Pocket Play gefällt ist sein Short Area Footwork. Richardson schafft es, eine gute Base mit guter Balance zu halten. Er kann sich schnell lateral bewegen, shufflen und „riecht“ Sacks auf seiner Blindside. Wenn er seinen Scramble richtig liest, zeigt er elitäre „escapability“, also die Fähigkeit seinen Tacklern zu entkommen. In diesen Situationen ist er ein Mike Vick oder Lamar Jackson, der tot geglaubte Plays wiederbelebt und zu großem Raumgewinn konvertieren kann. Im Tennessee Spiel hat sich dieses Bild von ihm einmal mehr bestätigt. Auf irrational geniale Plays folgten teils kurze Setback Plays und 4th & Outs, die mit mehr Konstanz verhindert werden hätten können.
Alles in allem sehe ich in Richardson einen möglichen Elite QB der neuen Generation, dem es schlicht und einfach an den Feinheiten fehlt. Seine Upside ist hoch und sein Talent rar. Die entscheidenden Fragen dürften bei ihm lauten: können seine Schwächen „weggecoacht“ werden? Und: wie lange braucht er dazu? Richardson selbst hat das Problem bereits erkannt. Während der Saison verwies er mehrmals darauf, dass er ein kompletterer Quarterback werden wolle. Böse Zungen behaupten, dass Richardson das größte Boom-or-Bust Prospect im diesjährigen Draft ist. Ich persönlich finde Pick #7 etwas zu hoch gegriffen, doch ob Richardson in Runde 2 noch verfügbar ist, kann eher bezweifelt werden. Ich glaube, er ist der zweitbeste QB der Klasse und m.M.n. vor Stroud und Levis anzusiedeln. Einen Bryce Young wird er in meinen Augen nicht in die Tasche stecken, aber es würde mich nicht wundern, wenn er bereits in seinem ersten Jahr in der NFL starten würde. Andernfalls ist Richardson als Developmental Prospect ein Knaller. Er könnte von einem Lernjahr profitieren und beim Ausmerzen seiner Fehler im zweiten Jahr einschlagen. Ob Richardson überhaupt eine Wahloption für die Raiders ist, bleibt natürlich noch offen, da Vegas‘ QB-Frage vielleicht schon vor dem Draft geklärt ist. Je mehr ich allerdings von ihm sehe, desto mehr glaube ich, dass ein Wurf ins kalte Wasser gelingen könnte. Er braucht ein gutes Grundgerüst um sich und könnte direkt von unseren Star Receivern (Adams, Waller, Renfrow) lernen. Sein dynamisches Spiel und sein ultra-rares Skillset machen ihn zu einer realistischen Option für die Raiders. Und seien wir mal ehrlich: Derek Carrs Hauptproblem 2022 war nicht allein die geringe Genauigkeit seiner Würfe, sondern vielmehr die Kombination aus mangelhaftem Pocket Play, zu langem Kleben an Receivern und der Unfähigkeit aus der Pocket zu entkommen, wenn diese kollabiert – was letztlich erst zur mangelhaften Wurfgenauigkeit geführt hat. Richardson wird 2023 zwar kein „besserer“ QB als Carr sein, weil die Erfahrung fehlt, er kann aber im richtigen System aufblühen.
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