Der große Spagat und viele Fragezeichen
Die Alabama Crimson Tide wirkt auch im zweiten Jahr nach Nick Saban leicht desorientiert. Nach einer enttäuschenden Saison und dem Verpassen der College Football Playoffs will das Team von Head Coach Kalen DeBoer nun wieder das Spitzen-Segment angreifen und Alabamas Erfolgs-Tradition auffrischen. Kann das trotz anhaltender Kritik gelingen?
Second Year Head Coach Kalen DeBoer wirkt angesichts der vielen Fragezeichen um die Zukunft seines Programms relativ entspannt. So ist es im Big Business des Football-Unterhauses. Zwischen PR-Terminen (DeBoer wirkte jüngst an der von FOX News produzierten Doku-Serie The Tides That Bind: Inside Alabama Football, in der das Team durch die 2024er-Saison begleitet wurde, mit), Spring Game- Planungen und der Roster-Aufstellung für 2025 dürfte klar sein, DeBoer hat keine Zeit sich mit Gerüchten oder Kritik, die nicht von innen kommt, auseinanderzusetzen. Dass diese aber in den letzten Wochen eine kleine Renaissance erlebten, gehört wohl ebenso zum Alltag in einem Programm, das das Siegen über Jahre für sich beanspruchte. Dennoch gab es berechtigte Fragen und Zweifel über einerseits die sportliche Ausrichtung der Tide und insbesondere die Pläne auf der Quarterback-Position. Andererseits spekulierten verschiedene Medien-Vertreter jüngst über das Zustandekommen hoher Wettquoten auf einen Bama-Conference-Title und die Schwierigkeit für DeBoer, Trainer-Ikone Nick Sabans Schatten zu entkommen. Der Lead Sports Columnist der Alabama Media Group, Joseph Goodman, postulierte sogar, dass die kommende Saison bei erneutem Scheitern sogar die letzte für DeBoer sein könnte und griff damit die Trainerdiskussion vom Oktober wieder auf, zu der ich hier einen interessanten Artikel aus dem Bama Hammer gefunden habe. Doch wider der Aufregung zeigt sich DeBoer entspannt – und Kritik an seiner Strukturiertheit und der Disziplin im Team wurde jüngst auch von Bamas Athletic Director Gerg Byrne abgewiesen. Also alles im Lot in Tuscaloosa? Wie ist der Status Quo? Und welche Pläne haben DeBoer&Co. für die Zukunft der Crimson Tide?
Eine Saison zum Vergessen – trotz kleiner Hoffnungsschimmer
Nach dem Karriere-Ende des wohl besten College-Head Coachs aller Zeiten befand sich Alabama in der letzten Saison in einem Übergangs-Jahr. War Neu-Trainer DeBoer zum Saisonanfang noch ein guter Job zu bescheinigen – im September gewann man noch den SEC-Schlager gegen Georgia mit 41:34 – so folgte im Anschluss der spektakuläre Loss beim Underdog Vanderbilt (35:40), sowie zwei Wochen später die aussagekräftige Niederlage in Tennessee (17:24). Dem nicht genug verlor Bama am vorletzten Spieltag der Regular Season sang- und klanglos in Oklahoma, das seinerseits nicht gerade ein Dauergast im Elite Tier des CFB ist. Die 13:19-Niederlage im ReliaQuest Bowl gegen Michigan, bei der Jalen Milroe vier Interceptions warf, tat ihr Übriges und ließ letztlich auch die umstrittene Entscheidung des Playoff-Komitees, der Tide keinen Playoff-Spot zu geben, legitim erscheinen. Wären die Niederlagen von Hochspannung gekrönt gewesen, so hätte ein Aufwärtstrend Mut fürs neue Jahr bringen können, doch selbst im „Vandy-Wunder“ war erkennbar: Bama ist physisch nicht mehr das, was es einmal war. Und trotz kleiner Hoffnungsschimmer wie True Freshman Ryan Williams darf getrost konstatiert werden: selten hatten wir ein so schwaches Kader-Top bei Alabama wie im letzten Jahr.
Abgänge, die kaum schmerzen
Ein Ansatzpunkt, der diese These untermauert und zugleich Hoffnung für die Zukunft sähen soll, ist beim Blick auf die Abgänge 2025 schnell gefunden. Während die Draft-Boards sonst vor Bama-Spielern überquillen, sind zur Combine für den Draft 2025 lediglich neun Spieler eingeladen. Dabei nennenswert? Außer Quarterback Jalen Milroe, O-Liner Tyler Booker, Linebacker Jihad Campbell und Defensive Back Malachi Moore kann sich keiner der Teilnehmer Hoffnungen auf einen hohen Draft-Spot machen. Die Draft-Klasse der Crimson Tide 2025 stellt also eine der historisch schwächsten dar. Allein im letzten Jahr wurden zehn Bama-Spieler ins Oberhaus berufen, fünf davon in den ersten beiden Runden. Dies zeigt einerseits die Schwäche Alabamas 2024, weckt aber Hoffnung, dass der aktuelle Kader über Potential verfügt, dem Trend entgegenzuwirken.
Ryan Grubb als Re-Adjuster der Offense
Ein Key Hire haben die Crimson Tide in ihrer Neu-Strukturierung insbesondere der Offense bereits getätigt. Offensive Coordinator Ryan Grubb kommt nach Tuscaloosa und verlässt die NFL, wo er zuletzt als OC in Seattle tätig war. Mit ihm will Alabama vor allem eines in den Griff bekommen: die individuellen Stärken in sinnvolleres Playcalling umzumünzen. Im Podcast The Bama Standard wurde jüngst kritisiert, dass es den Verantwortlichen zuletzt nicht gelang, insbesondere im Running Game, eine verlässliche Formel zu schaffen. Die physischen Skills der Spieler fänden häufig keine Verwendung und die Kleinigkeiten, auf die Saban Wert legte, müssten vom neuen Coaching Staff erst implementiert, gar erkannt werden. Es mangele dem Spiel an „Flow“ und einem klar strukturierten Rushing Plan, was 2024 zu einer verminderten Production geführt habe, die sich auch auf das Passing Game ausgewirkt habe. Um dies zu verbessern, soll die Anstellung von Grubb eine Kehrtwende signalisieren. Im letzten Jahr hatte Running Back Jam Miller ein per game average von gerade einmal 51,4 Yards, der Leading Rusher des Teams? Quarterback Milroe mit einem Wert von 55,8. Ein Ansatzpunkt für Grubb, obwohl zu fragen bleibt: Ist ein OC, der wegen fehlenden In-Game Adjustments seinen Job verlor, der Richtige für ein Programm, das (wieder) auf Elite Level operieren will?
Überraschende Untätigkeit in der Quarterback-Frage
Nach Jalen Milroes Draft Declaration bleibt die Frage, wer in Alabama den Quarterback-Spot übernehmen soll. Der Fakt, dass sich die Tide-Führung bislang entschloss, keinen Portal-QB per Transfer zu holen, könnte eine Chance für Milroe-Backup Ty Simpson darstellen. Simpson ist ein dekoriertes 4-Star Prospect, das 2025 bereits in sein viertes College-Jahr kommt – allerdings bislang kaum Play Time bekam. 2024 lief er nur in zwei Spielen auf, in denen er 96 Yards bei 14 Passing Attempts machte. Ist Simpson wirklich die Antwort für ein Programm, das sich traditionell als Krösus des College Football sehen will? Fairerweise muss man diesem Experiment eine Chance lassen, doch sind wir ehrlich: entweder haben die Heads in Bama schon einen Alternativ-Plan oder sie gehen ein enormes Risiko ein. Ähnlich dem Fall von Auburn Head Coach Hugh Freeze könnte DeBoers Philosophie darin liegen, einen Transfer-QB nicht überzubezahlen, die Welt des NIL lässt grüßen. Und stattdessen – in Sabanscher Manier – die „eigene Jugend“ übernehmen zu lassen. Denn dies konnte Saban gut: seine zukünftigen Starter in einer Backup-Rolle warten zu lassen – und sie im richtigen Moment zum Zug kommen zu lassen. Doch sind wir ehrlich: die Rolle von Transfer-QBs als Erfolgsgaranten nimmt zu. Und die Zweifel bleiben: schneidet sich DeBoer damit letztlich nicht ins eigene Fleisch?
Herausforderungen zwischen NIL-Sperenzchen und Kaderbildung
Um die Hoffnung auf baldige Besserung zu nähren, haben DeBoer und Grubb bereits die ersten Grundsteine gelegt, was den zukünftigen Kader der Tide anbelangt. Mit High School Star-QB Keelon Russell wurde ein 5-Star Recruit aus Texas ins Team berufen, der mit einem 1,7 Millionen US-Dollar umfassenden NIL-Deal nach Tuscaloosa kommt. Zudem gab es weitere hoch gegradete Freshman Prospects: Mit Michael Carroll kommt ein 5-Star Offensive Lineman von der IMG Academy, 5-Star Cornerback Dijon Lee soll die traditionell starken Bama-DBs ergänzen, während mit Justin Hill (Edge, Winton Woods), Akylin Dear (Running Back, Quitman) und Derek Meadows (Wide Receiver, Bishop Gorman) weitere High Profile Freshmen an Land gezogen wurden. Diese stoßen zu einem großen Core an weiteren Spielern, deren Projections deutlich besser ausfallen, als die des 2024er-Kaders. So werden aktuell allein vier Offensive Linemen für den NFL Draft 2026 in den Top-100 vorhergesagt, insgesamt könnten 2026 um die 16 Spieler gedraftet werden. Da NIL das College Football Tagesgeschäft weiterhin stark beeinflussen wird und die Kaderplanung für das aktuelle Jahr noch nicht abgeschlossen ist, bleibt noch etwas Zeit für die Verantwortlichen, die wichtigsten Fragen zu klären und das Team auf eine kompetitive Saison 2025 einzustellen. Jüngst unterzeichnete auch Star-Receiver Ryan Williams einen 6,5 Millionen- Deal, weswegen Grubbs und DeBoers größte Aufgabe es zu sein scheint, harte langwierige Arbeit einer möglichen Gefahr durch Diva-Mentalitäten Einzelner vorzuschieben. Nur so kann eine gelungene Transition gelingen. Und nur so kann Alabama wieder an die Erfolge unter Saban anknüpfen.
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