In einer knappen Partie verlieren die Las Vegas Raiders ihr Wildcard-Playoff-Match bei den Cincinnati Bengals mit 16-23 und scheiden damit aus dem Rennen um den Super Bowl aus. Im letzten Drive führte Derek Carr die Silver&Black bis kurz vor die Endzone der Bengals, doch die Raiders vergaben beim letzten Spielzug der Partie durch eine Goal-Line-Interception die letzte Chance auf ein Unentschieden und die Möglichkeit auf einen Overtime-Sieg. Neben vielen unnötigen Strafen machten den Raiders vor allem Nachlässigkeiten in der Redzone Probleme. In die Kritik gerieten auch die Schiedsrichter. Die Referees sorgten bei einem Touchdown von Bengals WR Tyler Boyd für Unverständnis, als sie den Passspielzug klar durch einen Abpfiff stoppten, den Touchdown dann allerdings zählen ließen. Dennoch: trotz der Niederlage gibt es Hoffnung. Ein Kommentar.

Irgendwie stand dieses letzte Play der Saison beim 4th Down für eine ganze Spielzeit. Sechs Jahre hatte ich meine Raiders nicht mehr in den Playoffs gesehen, nach 20 Jahren als Anhänger des Teams war es erst das zweite Mal. Streng genommen ein drittes. Ich wurde 2001 Fan der Raiders. Im Jahr, in dem sie in den Super Bowl einzogen. Und sang- und klanglos gegen Tampa Bay verloren. Seitdem? Tote Hose! Passenderweise die Frage des DAZN-Kommentators: „Mit welchem QB spielten die Raiders 2016 ihr letztes Playoff-Game?“. Ich sofort auf Twitter. Klar, Mike Glennon. Zack, Tweet abgeschickt, dann doch die Zweifel. Verwirrung. Es war nicht Glennon. Es war Cook! Conor Cook, Ex-Michigan QB, highly praised auf den Boards, in der NFL nur Average-„Ware“. Dann die Einsicht. Ich kann die unzähligen QBs der letzten zwei Jahrzehnte nicht mehr aufzählen. Es waren die unterschiedlichsten Pappenheimer. Busts wie Jamarcus Russell. Underperformer wie Terrell Pryor. „Talente“ wie Flynn, Glennon oder eben: Cook. Die es allesamt meist zu wenig brachten außer Vorschusslorbeeren. Irgendwann hatten wir ja eine Konstante: sie hieß Derek Carr.

Mit Derek Carr wurden die Raiders competitive. Das waren sie allen voran in der McKenzie-Del Rio-Ära und eigentlich waren sie auf einem guten Weg. Es war die 2016er Saison, eine der besten seit der Super Bowl Niederlage. Im letzten Spiel der Regular Season brach sich Derek Carr dann das Bein (ich glaube, es war sogar gegen die Colts). Die Raiders gingen mit einem völlig überforderten Conor Cook in ihr wichtiges Playoff-Spiel gegen die Houston Texans. Ich erinnere mich noch, dass die Stimmung in der Raider Nation von damals vergleichbar mit der heutigen war. Optimismus und Freude über das Erreichen der Endrunde nach so langer Zeit. Aber gleichzeitig das Gefühl im Hinterkopf, das dir deine Hoffnung langsam raubt, da du weißt, du hast deine Nummer 1 nicht dabei. Ein kleiner Vorteil also dieses Jahr im Vergleich zu damals. Dann: die Niederlage gegen Houston. Danach? Kam bald der große Umbruch. Zwei Jahre später Gruden. Und mit ihm Vegas. Der Charme alter Tage verflogen, aber dafür ein Versprechen: wir werden wieder den Super Bowl holen!

Ohne Zweifel: In diesem letzten, die Saison entscheidenden Spielzug spürte ich, stehend vor Aufregung, die Last dieser Unendlichkeit verpasster Chancen. Und mir ihr auch das Gefühl, schon zu wissen, dass es wieder nichts werden wird. Immerhin sah ich einen ständigen Begleiter all diese Gefühle miterleben. Jemanden, dem es noch mehr weh tun muss in diesem Moment: unserer Konstante Derek Carr. Mit Carr ist es wie mit den Raiders allgemein und vielleicht verkörpert er wie kaum ein anderer die Entwicklung dieses Teams: massenhaft Potential. Aber zu wenig Outcome. Und dennoch: bei Carr sieht man, wie bei den Raiders und deren Entwicklung: Man steht Zentimeter vor dem Erreichen eines endlos geglaubten Traums.

Und so war auch dieses letzte Play irgendwie symptomatisch. Für Carr, für die Raiders, für ihre ganze Saison. Mit dem 2-Minute-Warning und dem Rücken zur Wand spielten sich die Raiders nach vorne und in ihren „Clutch-Rausch“. Yard um Yard, mit Big Plays, aber ausnahmsweise auch mit dem Glück, das sie sonst verlassen hat (in Form einer Pass-Interference-Strafe für Cincy). Viel Effort, der Wille war da. Und dann? Interception. Alles umsonst. Und so endete die Saison mit einer traurigen Paarung unserer Konstanten: einem traurigen Carr und einer endlosen Flut an Kleinigkeiten, die uns in diese Lage erst gebracht hatten. Zugegeben: die Raiders hätten dieses Spiel gewinnen können – und zwar schon früher. Beispielsweise beim Redzone Trip im 3.Quarter, als DeSean Jackson die out Route nicht fängt und die Raiders nur ein Fieldgoal bekommen. Oder im letzten Quarter der Run von Josh Jacobs bis einen Meter vor die gegnerische Goal-Line – der dann wegen Holding zurückgepfiffen wird. Sieben Punkte möglich, am Ende waren es drei. Insgesamt erschreckend wie viele Strafen die Raiders wieder sammelten. Leatherwood. Parker. Simpson. In Regelmäßigkeit sorgt die O-Line für unglaubliche Fails und wirft damit das eigene Team zurück. So auch geschehen in diesem Spiel. Klar, da war dieser irreguläre TD-Call durch die Officiating Crew. Cincy QB Joe Burrow lief bei einem critical 3rd Down zur Seitenlinie und fand kurz vor dem Aus seinen Receiver in der Endzone. Als Burrow zum Pass ansetzte bzw. als der Ball unterwegs war hörte man ganz deutlich einen Pfiff des Unparteiischen. A blowing whistle? Ganz eindeutig! Das Regelwerk sagt: Der Spielzug ist vorbei. Also eigentlich kein Touchdown für Cincinnati!

Und es regt mich sehr auf! Auch heute denke ich noch inbrünstig, wie unfair dieser Call war. Selbst wenn Boyd hier den Ball fängt: Abpfiff ist Abpfiff. Ich hätte den Shitstorm nicht lesen/hören wollen, wäre das den Raiders passiert. Und ich hätte gar nicht wissen wollen, ob die Schiedsrichter bei einer Interception der Raiders dann nicht doch den Pfiff gehört hätten. Insgesamt kann man wohl von der Schiedsrichterleistung nur abgeschreckt sein (auch die Situation mit dem Timeout Call oder einem gefangenen Cincy-Pass, der eigentlich incomplete war, waren absolute No-Go’s). Zumindest waren die Verantwortlichen nicht playoff-ready. Und das wird die ständigen Schiedsrichter-Diskussionen in Zukunft wohl nur noch weiter befeuern.

Dennoch: trotz alledem hätten die Raiders aus eigener Kraft etwas bewirken können. Selbst aktiv werden können, statt sich auf andere verlassen zu müssen. Dem letzten Play – und da liegt der Knackpunkt – gingen drei weitere Versuche voraus. Insgesamt vier shots auf den Ausgleich – keiner davon erfolgreich. Und so sahen wir das Zusammenwirken unserer Konstanten. Carr, bemüht, aber ohne den nötigen Rückhalt fehleranfällig. Unsere Receiver mit Drops und der Unfähigkeit separation zu kreieren. Die O-Line mit ihren dauernden Strafen und zu schnellem Drucknachlass an der LOS. Carr und die Raiders dadurch? Zwischen „kann einem Leid tun“ und „difference makers hätten es gerissen“!

Dabei hat es die Defense eigentlich halbwegs geschafft die spritzige Bengalss-Offense zu containen. Cincinnati war in der ersten Hälfte deutlich gefährlicher, hätte seinerseits den Sack früher zumachen müssen/können. Doch trotz der immer wieder gut funktionierenden Verbindung Burrow-Chase erspielte die Defense der Offense einige Male den Ball. Zugegeben: Cincy war stark. Auch ein verdienter Sieg, gar kein Zweifel. Aber die Bengals waren vor allem eins, was die Raiders nicht waren: konstant. Immer wieder fütterte Burrow Chase mit Curls oder Comeback Routes. Gegen inkonstante Verteidiger wie Facyson oder Teamer kein Problem. Ein leichtes Mismatch dahingehend. Und doch: Burrow brachte es im ganzen Spiel nur auf 244 Yards und zwei Touchdowns. Es hätte durchaus schlimmer kommen können. Die 12 Catches von Chase führten meistens zu 1st Downs. Kaum deep targets, alles wirkte fokussiert aber nicht übertrieben. Es zeigt sich dabei aber vor allem wieder eins: Dass den Raiders in solchen Situationen Consistency fehlt. Dies macht aber in der NFL den Unterschied zwischen mid- und top-tier-teams. Und so spiegelte sich im letzten Drive das wieder, was man im Saisonrückblick für die gesamte Spielzeit festhalten kann: die Raiders sind nur Zentimeter davon entfernt, erfolgreich zu sein.

Es tut weh am „Tag danach“. Es tut weh, weil die Erfordernisse und Rückschläge in dieser Saison so gravierend waren, dass es fast ungerecht erscheint. Der Tag danach ist im Kern aber auch um einen großen Optimismus aufgebaut. Optimismus weil: es unverkennbar ist, dass in diesem Team auch einiges gut läuft. Wie wäre die Saison gelaufen, hätte es die Gruden Entlassung und das Ruggs-Drama nicht gegeben? Nicht auszudenken, wie erfolgreich wir mit einem Backfield mit Mullen, Abram und Arnette hätten sein können. Wie viel besser wir mit einem soliden 1st-Rounder ausgesehen hätten (Stichwort Leatherwood). Oder wenn die O-Line nicht auf Incognito hätte verzichten müssen.

Dysfunkional, so würde ich einzelne Elemente dieses Teams bezeichnen. Angesichts der vielen Rückschläge erscheint es andererseits rückblickend wie ein Wunder, dass die Raiders überhaupt so weit kamen. Wir können zufireden sein, mit welch großem Herzen die Mannschaft die verloren geglaubte Saison noch herumgerissen hat. Wie Reservisten gezeigt haben, dass sie einspringen und kämpfen, wenn wichtige Mannschaftsteile und Stammspieler fehlen.

Ich sehe in der 10-7 Saison so viel Potential und das wird auch nicht abflauen. Die Raiders haben dieses Jahr zwar nicht bewiesen, dass sie dem Versprechen den Super Bowl zurückzuholen ernsthaft nachgehen wollen, aber sie haben gezeigt, dass von nun an wohl eher mit winning seasons und weiteren Playoff-Teilnahmen zu rechnen sein wird. Ich jedenfalls sehe viele positive Dinge. Bzgl. der näheren Zukunft bleibt zu konstatieren: die Umbauten und kommenden Veränderungen in der Mannschaft, dem Coaching Staff können und werden nicht zum kompletten Zerfall und Rebuild führen. Add some pieces, heißt die Devise und wenn diese pieces erfolgreicher zusammenhalten als diese Saison, dürfen wir uns wohl schon bald auf die kommende Spielzeit freuen. Die Off-Season wird in jedem Fall spannend werden und ich bin gespannt, wie die Verantwortlichen vorgehen werden. Solange für mich ein Konzept ersichtlich ist, glaube ich daran, dass die Raiders die richtigen Schritte für eine richtige Zukunft einleiten werden. Und wenn ich bspw. Josh Jacobs betrachte, wie sehr er gestern diesen Sieg wollte, wie sehr er jeden Lauf zu einem Statement machen wollte, dann glaube ich auch: wir können mit dem Großteil unseres Personals erfolgreich sein. Es ist jedenfalls genug Team Spirit und ein hoher Prüfstand vorhanden, um in Zukunft krisenfester zu agieren. Ob Mayock, Bisaccia oder Carr, an ihnen lag es letztlich nicht. Den Verantwortlichen sollte jetzt klar sein: wenn es Änderungen gibt, dann nur Änderungen hin zu mehr Konstanz. Keine erneuten Experimente, bitte! Nur: mehr Konstanz! Egal, mit wem die Reise weitergeht.

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