Back to the Future – Die Canes zurück zum Swagger?
Die Miami Hurricanes sind derzeit erfolgreich wie lange nicht. Das liegt hauptsächlich an ihrem Quarterback und Heisman-Anwärter Cameron Ward. Der aktuelle Siegeszug erinnert an glorreiche, fast vergessene Zeiten. Vor über 20 Jahren waren die Canes noch für ihren „Swagger“ bekannt. Eine historische Referenz – von der sie heute wieder profitieren können?
In seinem 2004 erschienenen Buch Cane Mutiny. How the Miami Hurricanes overturned the Football Establishment beschreibt CFB- Insider Bruce Feldman das Football-Programm der Universität von Miami als Phänomen seiner Zeit. „The U“, wie die Hurricanes in Anlehnung an ihr 1973 entworfenes Logo auch genannt werden, brachte in ihrer erfolgreichsten Zeit in den 1980ern und 90ern, sowie in den frühen 2000er-Jahren nicht nur die sportliche Ordnung im College Football mächtig durcheinander, vielmehr sorgten die Canes für einen vorher nie dagewesenen Vibe (und Hype), von dem Stars und Legenden noch heute berichten und der damals für nationales Aufsehen sorgte: Ein Cane Thing eben, wie Fans und Spieler es damals selbst beschrieben. Feldman definiert das, was dieses Cane Thing speziell mache: es ginge neben brüderlichem Zusammenhalt, Glauben und Tapferkeit eben auch um Selbstrücknahme und den sogenannten Swagger. Letzterer Terminus ist eine Referenz auf das, was man heute als Oldschool-Football beschreiben könnte. Ein unwiederbringlicher Lobgesang auf Trashtalk, die physische Art des Spiels und eine Mentalität des „Wir gegen alle“. Böswillig kann Swagger mit Angeberei übersetzt werden, der Begriff beschreibt aber eher die Campus-eigene Kultur in Miami, die sich fast Kult-artig etablierte. Die Hurricanes 2024 stehen bei Redaktionsschluss nach einem eindrucksvollen 39:38- Comeback-Erfolg bei den Cal Bears bei einem 6-0-Record, führen mit 2-0-Siegen zusammen mit Clemson und SMU die Atlantic Coast Conference (ACC) an und belegen Platz #6 in den Top-25-Consensus-Polls. Sie haben also die realistische Chance, den Swagger wieder in Miami einziehen zu lassen.
The U – Eine epische Talentschmiede
Sportlich gesehen war die Popularität Miamis historischen Erfolgen und spannenden Geschichten rund ums Spielfeld geschuldet. Miami, das in den 1970ern noch in der Bedeutungslosigkeit verweilte, mauserte sich in den 80ern zu einer der Top Schools des Landes. Gestützt von einem intensiven lokalen und regionalen Recruiting, vollzog The U den Coup und konnte (damals noch in der Big East Conference antretend) in dieser frühen Ära vier National Titles gewinnen (1983, 1987, 1989, 1991). Eine Dekade später, 2001, folgte dann der fünfte. Zwischen 1986 und 2002 zog man zudem fünf weitere Male ins Finale ein, weswegen insgesamt zehn Finalteilnahmen in nur 19 Jahren eingefahren wurden – eine Dominanz, die nur wenige andere College-Teams je entfalten konnten. Die Hurricanes offenbarten sich dabei als schier endlose Talentschmiede für die NFL. Ein Blick auf die ehemaligen Kader liest sich wie eine Offenbarung: Defensiv-Stars wie Ray Lewis, Ed Reed, Warren Sapp, Vince Wilfork oder Sean Taylor drückten ihren jeweiligen Klassen den Stempel auf, offensiv produzierten die Canes Legenden wie Edgerrin James, Clinton Portis, Reggie Wayne, Devin Hester, Frank Gore oder Jeremy Shockey. Die heute als Urväter geltenden Vinny Testaverde, Jim Kelly oder Ted Hendricks taten neben etlichen Weiteren ihr Übriges. In der Geschichte der NCAA gibt es nur zwölf Programme, die mehr Spieler für die NFL abstellen konnten als die Canes und aktuell befinden sich stolze 32 ehemalige Prospects in den Kadern der höchsten Spielklasse.
The Swagger – zwischen Skandal und Hype
In diesen Jahren entwickelte sich auch der Mythos vom Miami Swagger. Etliche kuriose Spiele und Off-Field-Geschichten trugen dazu bei. Zu Beginn stand da etwa das Spiel gegen die verhassten Florida State Seminoles 1987, bei dem insgesamt fünf zukünftige Hall-of-Famer aufliefen und in dem die Canes einen 3:19-Rückstand aufholten und am Ende mit 26:25 gewannen. Oder das Rivalry-Game 1988 in Notre Dame, das auch unter dem Namen „Catholics vs. Convicts“ (Katholiken gegen Sträflinge) bekannt wurde. Die Universität von Notre Dame galt damals als konservativ-katholische Hochburg, während bei Miami in dieser Zeit einige Spieler durch Gesetzesbrüche und Verhaftungen auffielen. Das Spiel reflektierte soziale und kulturelle Spannungen und neben dramatischen Plays und einem engen Spielverlauf (31:30 für Notre Dame) gab es auch einen Pre-Game-Brawl, sowie gegenseitige Anfeindungen auf den Rängen zu beobachten. Kurios auch die von der NCAA etablierte Miami Rule, die exzessives Feiern nach Touchdowns oder Siegen verbot. Taunting, das von der Schmähung des Gegners durch Gestiken bis hin zur aggressiven Interaktion mit dem gegnerischen Publikum reichte, war damals in Miami an der Tagesordnung. Und auch einige Spieler trugen zur Aufrechterhaltung des Pathos bei. Immer wieder bewegten sie sich dabei an der Schwelle zum Skandalismus. Wie Tight End Kellen Winslow II beispielsweise, dessen Ausspruch I’m a soldier aufgrund des parallel stattfindenden War on Terror für Kritik sorgte. Pathetisches Durchhaltevermögen zeigte hingegen Hall-of-Fame Safety Ed Reed, als er beim Spiel bei der FSU nach der Halbzeitpause mit ausgekugelter Schulter das Spielfeld betrat. Seine Worte kennen ältere Semester wahrscheinlich noch aus den Anfangsjahren der Youtube-Hypevideos: “I`m hurt, dawg! Joaquin [Anm.: Gonzales, ehem. UM-Tackle] said Dominate! – and we ain’t dominatin‘. I put my heart in this s***, dawg. Now let’s go!“
Revival unter Ward und Cristobal?
Dass diese Art der Bad Boy- Mentalität heute wieder zur Geltung kommt ist unter anderem den Hauptgaranten für Miamis Erfolg zuzuschreiben: Head Coach Mario Cristobal, der in den 80ern selbst für Miami spielte und dem aktuellen Quarterback-Star Cameron Ward, der Miami sportlich wieder auf die Landkarte bringen soll. Cristobal übernahm nach Jahren der Erfolglosigkeit 2022 die Verantwortung als Head Coach und will mit einer explosiven Mannschaft für ein Revival der „guten alten Zeit“ sorgen. Mit Cameron Ward, der derzeit die NCAA-QB-Stats in mehreren Kategorien anführt, könnte dies nun gelingen. Miamis Offense zählt zur Hautevolee im CFB und defensiv verfügt man mit Talenten wie Rueben Bain Jr. oder Akheem Mesidor ebenso über hochklassiges Personal. Dabei offenbarten die Protagonisten bereits Anflüge des hochgepriesenen Swagger. Beim Auswärtsspiel der Canes in Woche eins bei den Florida Gators performten die Spieler den berüchtigten Gator Chomp – provokativ vor der wütenden Heim-Meute. Der viral gegangene „Interception-Tanz“ von Safety Meesh Powell in Woche vier gegen die USF Bulls erscheint da gar als Makulatur, nachdem Ward mittlerweile selbst mit seiner umgedrehten „Horns Up!– Geste“ einen weiteren ihm eigenen Signature Move eingeführt hat. Was sagt da eigentlich Coach Cristobal? Solange die Resultate stimmen, habe er kein Problem mit den Antics seiner Spieler. Wie denn auch, wenn in Miami wieder kollektiv vom Swagger gesprochen wird?
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