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Für alle College Football- Freunde gibt's heute mal ein kleines Special. Neben dem wöchentlichen NFL Fanclub Interview, das noch folgen wird, unternehmen wir diese Woche einen kleinen Ausflug in die Welt des College Footballs. Ich habe mit Jan Weckwerth gesprochen, seinerseits Gründer des bekannten CFB-Blogs Triple Option, sowie Autor im Lead Blogger. Wir sprachen über die Top-Themen der bisherigen College Season, die Zukunft des CFB, Strategien&Taktik, die Nebraska Cornhuskers und natürlich über keinen geringeren als Ameer Abdullah (uvm.). Danke fürs Mitmachen an Jan und euch viel Spaß beim Lesen, RaiderNation und Football-Freunde!

Jan, für die LeserInnen, die dich nicht kennen, stell dich doch bitte kurz vor und vor allem, gib uns einen kleinen Überblick über deine „Football-Sozialisation“ und deine Projekte!

Moin, ich bin der Jan. Ich mag Football sehr gerne, insbesondere College Football. So etwa?

Nein im Ernst, der Beginn meiner Footballsozialisation ist bald 30 Jahre her, von daher muss ich mich da kürzer fassen. Alles begann mit dem einem Zeitungsartikel über The Comeback https://www.youtube.com/watch?v=u1lgLXsO2Ag zwischen den Bills und den Oilers sowie wenige Wochen Spieler einem kurzen TV-Bericht zum anstehenden Super Bowl Bills-Cowboys. Irgendwie bekam ich Interesse, sah dann ein paar Ausschnitte zum Spiel, wohlgemerkt eine 17-52 Klatsche. Ab der nächsten Saison war ich dann leidenschaftlicher Bills-Fans – und Feuer und Flamme für den Sport. Ich versuchte an jede verfügbare Information zu gelangen, was damals gar nicht so einfach war. Etwas später fing ich selbst mit Jugendfootball an. Seitdem begleitet mich der Sport und strukturiert im Herbst und Winter mein Leben. Ab Ende der 1990er Jahre trat dann auch noch die Draft als große Leidenschaft hinzu. Im Laufe der Zeit ist die Football-Leidenschaft eher noch größer geworden. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass sie nie enden wird.

Mit dem Schreiben habe ich 2003 angefangen: zunächst 15 Jahre in einem Forum, das lange meine footballerische Heimat war und in dem insbesondere sehr viel zur Draft veröffentlicht habe. Da es mir dort irgendwann nicht mehr ganz so gut gefiel, habe ich mich 2017 gewissermaßen selbständig gemacht mit meinem Twitter-Account @giannivanzetti und meinem College Football- und Draft-Blog Triple Option. Im selben Jahr begann ich auch mit dem Podcasten bei den Sofa Quarterbacks von Sportradio 360, wo wir neben der schon langjährigen NFL-Version den ersten deutschsprachigen Podcast zum College Football ins Leben gerufen haben. Irgendwann kamen immer mehr Projekte dazu: Das Down Set Talk-College Update, das Magazin Crunch Time, die Seite Lead Blogger, diverse fixe Draftauftritte in Teampodcasts etc. pp. Mittlerweile kriege ich das nicht mehr problemlos unter einen Hut, was du allein daran siehst, wie lange ich für diese Antworten gebraucht habe…

In einem Artikel meintest du, dass du künftig beim Triple Option-Blog kürzer treten willst. Müssen wir uns Sorgen machen, dass die Seite irgendwann verschwindet?

Ich kann dich soweit beruhigen, dass die Seite nicht verschwinden wird. Dazu habe ich da zu viel Arbeit reingesteckt, um das alles einfach zu löschen. Die Frage ist eher, ob ich einen geregelten Betrieb aufrechterhalten kann. Das letzte Jahr war diesbezüglich etwas frustrierend und ich muss mir überlegen, in welcher Form das für mich und meine Leserschaft Sinn ergibt. Halbgar ist gar nicht meins. Hinzu kommt: Mir gefallen einige Auswüchse der Modernisierung aka Liberalisierung des Sports nicht. Ich steh einfach auf die reichhaltige Geschichte und die vielen Traditionen, doch die erodieren gerade massiv, unter anderem durch die erneuten Conference Realignments. Vielleicht ist es ein guter Endpunkt, wenn ich die nächste Saison noch mitnehme und aufhöre, wenn USC und UCLA im meine geliebte Big Ten wechseln? Vielleicht kriegt der Blog einfach eine Typveränderung verpasst? Mal schauen.

Ich habe gesehen, dass du auch beim NFL-Munich-Game warst. Kannst du deine Eindrücke schildern? Mein Lieblings-Podcaster Rich Eisen sprach ja von einer Super Bowl-würdigen Atmosphäre, was hierzulande wohl belächelt wird, kennen wir doch vom Fußball so einiges mehr an Stimmung. Sollte die NFL weiterhin Spiele in Deutschland ausrichten? Und: glaubst du Football ist hierzulande mehr Event oder kam das Gros der Zuschauer in München „vom Football“?

Das sind viele Fragen auf einmal.

Zunächst mal zu meinen Eindrücken. Ich habe nach dem Wochenende einen 47-teiligen Thread auf Twitter veröffentlicht, den ich der Einfachheit halber hier verlinke:

https://twitter.com/giannivanzetti/status/1592142997273333760

In kurz: Es war großartig, so viele Footballfans in einer europäischen Stadt zu erleben, und ich habe mich sehr gefreut, einige Menschen mal im real life zu treffen, die ich bisher nur übers Internet kannte. Stimmung und Show haben dagegen nicht so meinen Geschmack getroffen. Für so eine Paaaadie-Nummer, die zudem kaum Bezug zum Football hatte, bin ich wohl zu sehr fußballsozialisiert. Ich mag es, wenn die Fans eigenverantwortlich und kreativ für die Stimmung sorgen, und nicht Bumsmucke aus der Konserve.

Bei der Frage, ob die NFL Spiele in Ländern außerhalb der USA austragen sollte, bin ich ambivalent eingestellt. Ja, ich war da, weil ich ein netterweise ein Ticket von den German Sea Hawkers erhalten habe, aber brauchen tue ich diese Spiele nicht unbedingt. Wenn ich das mal auf den Fußball transferiere: Ich würde mega kotzen, wenn mein Team Spiele im Ausland austrägt, nur um irgendeinen ominösen Markt zu bedienen. Andererseits lässt sich diese Entwicklung gerade in der NFL nicht aufhalten. Die Liga will eine globale Marke werden, von daher werden wir künftig eher mehr als weniger Spiele in Europa erleben.

Zuletzt: Ich glaube, dass sich Event und „vom Football kommen“ hier nicht zwangsläufig ausschließt. Das Publikum war durchaus footballinteressiert – man musste ja auch einiges tun, um an ne Karte zu kommen – und zugleich sehr Event-affin. Nicht meins, aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.

Auf deinem Twitter-Profilbild sieht man einen Spieler der Nebraska Cornhuskers. Wer ist er und warum hast du dich entschieden Nebraska als deinen Lieblingsverein zu erwählen?

Das ist Ameer Abdullah, einer meiner absoluten Heroes auf und abseits des Platzes. Hätte ihm eine spektakulärere NFL-Karriere gewünscht, aber immerhin hat er seine Rolle gefunden und hält sich nun schon ein paar Jahre länger bei den Profis. Hatte wahnsinnig schöne Erinnerungen mit ihm, die auf ewig bleiben werden.

Ich gehöre ja zu der Hornby-Fraktion: Nicht ich habe mich für Nebraska entschieden, sondern die Huskers für mich. Die Story geht so: Ich las im Huddle – der einzigen verfügbaren Informationsquelle vor den Zeiten des Internets – einen Bericht vom Orange Bowl 1994, dem inoffiziellen Championship Game, im dem das hochfavorisierte FSU den klaren Underdog Nebraska knapp mit 18-16 besiegte. Irgendwie war ich neugierig auf College Football und bestellte mir bei der nächsten Gelegenheit neben vielen Bills-Spielen auch diesen Orange Bowl – auf VHS-Kassette wohlgemerkt, von so nem Typen, der damals irgendeine Connection in die USA hatte und im Huddle inseriert hatte (und dadurch meine beste Quelle für Live-Spiele wurde). Ich sah das Spiel und war von diesem jungen und ungewöhnlichen Team (Nebraska spielte damals eine I-Option Offense) einfach nur begeistert. Und außerdem wurden sie von mehreren Ref-Calls verschaukelt, ich bin vollkommen überzeugt! Wie auch immer, so wurde ich zum Huskers-Fan und erlebte in den kommenden Jahren die größte Zeit der Programmgeschichte.

Allerdings muss ich einräumen, dass zu dieser Zeit die Bills die glasklare Nummer eins waren. Das sollte sich dann erst in den 2000ern ändern. Dennoch zählt der Orange Bowl 1998, in dem die Huskers mit einem gewissen Peyton Manning den Boden aufwischten, zu den größten Momenten meines Fanlebens.

Mitte der 2000er Jahre sind dann übrigens noch die Buffalo Bulls als Zweitteam hinzugetreten, als ich mit der Philosophie der Huskers zeitweilig nicht so viel anfangen konnte und die Bills zunehmend eine Nebenrolle einnahmen. Bin eigentlich kein Freund von Teamsammlungen, aber so hat es sich nun mal ergeben. Da ich sportübergreifend nur von drei Teams Fan bin, erlaube ich mir ganz großzügig die kleine Inkonsequenz.

Du giltst gemeinhin als Experte für College Football. Was macht den Reiz am CFB für dich aus? Und worin siehst du neben der sportlichen Qualität die größten Unterschiede zur NFL?

Dazu reicht dein Platz nicht.

Es ist alles, was mich daran so fasziniert: Die Geschichte, die Traditionen, ganz besonders die Rivalitäten, der Mix aus Universität und Professionalität (auch wenn das Pendel mittlerweile stark in eine Richtung umgeschwenkt ist). Da steht der Walk-on, dessen Vater und Großvater bereits für das Team aufgelaufen sind, neben dem 5-star Recruit, der die NFL im Blick hat, und beide bilden eine Einheit.

Dazu gibt es die beste reguläre Saison im Sport! Jedes Wochenende geht es um alles, du kannst dir im Prinzip keine Niederlage erlauben. Höhepunkt dann eben die Rivalry Week am Ende, bei der ein Großteil der Teams gegen ihren jeweiligen Erzrivalen oder Hassgegner spielt. Besser geht es einfach nicht. Doch diese begeisternden Monate werden durch die deutliche Playofferweiterung nun leider etwas entwertet.

Rein sportlich begeistert mich die Vielseitigkeit. Ich hatte das vor einer Zeit mal bei in einem College Football-Panel bei Spox beschrieben: Die NFL ist dagegen Einheitsbrei. Im College findest du jedes denkbare System, von mega-passlastigen Air Raid-Versionen über Spreads und Power Running bis zur Flexbone Option-Offense der Academies, wo quasi gar nicht gepasst wird. Und noch so viel dazwischen, wie die geniale Shotgun Spread Option von Coastal Carolina. In der Defense – meiner heimlichen Leidenschaft – gibt es ebenfalls so wahnsinnig viel zu entdecken. Die Variabilität ist einfach enorm. Und: Es steht halt nicht immer nur der Quarterback im Fokus, sondern du kannst auch mit anderen Mannschaftsteilen gewinnen. Das kommt der Idee als Teamsport näher als in der NFL, in der es in den letzten Jahrzehnten zunehmend eine Verengung auf die eine Position gegeben hat.

In kurz: Zum einen Leidenschaft und Tradition, zum anderen für mich als Film Guy eine riesige Palette unterschiedlicher philosophischer und schematischer Ansätze.

Ist es bei über 120 Colleges im Spielbetrieb nicht schwierig, den Überblick zu verlieren? Wie filterst du deine Infos und gibt es Podcasts/Homepages, die du besonders empfehlen kannst, wenn man den „Roundview“ im CFB behalten möchte?

Wer mir erzählen will, dass er über alle 131 Teams der FBS auch nur ansatzweise den Überblick hat, der lügt. Ich nehme mir gar nicht erst vor, dass ich überall den Überblick behalte. Ich versuche, durch News und Kommentare auf Twitter grundsätzlich up to date zu sein, und ich schaue halt extrem viel live und noch mehr in Konserve. Ehrlich gesagt ziehe ich daraus die meisten Informationen, da ich mir eigentlich zu jedem Spiel meine Notizen mache. Ab und zu lese ich einen Artikel bei The Athletic oder irgendwelche Hintergrundberichte bei ESPN etc., doch viel ist das insgesamt nicht. Für Podcasts fehlt mir leider die Zeit. Ich habe es mal mit dem beliebten „The Solid Verbal“ versucht, aber irgendwie geht mir das zu wenig in die Tiefe. Dann schaue ich lieber noch ein weiteres Spiel oder Zusammenfassungen.

Je länger ich drüber nachdenke: Eigentlich sind es vor allem die Spiele selbst. Dazu helfen meine hardcore Tape-Sessions im Sommer für meine Lieblings-Conferences Big Ten und MAC.

Wenn wir schon von sportlicher Qualität sprechen: College Football wird häufig in Verbindung mit bestimmten strategischen Systemen gebracht und teilweise fungieren Universitäten bzw. deren Spielsysteme als Labor zur Adaption im Profibereich. Auf taktisch-strategischer Ebene: wie sehr unterscheiden sich NFL- Schemes von College- Schemes? Welche Tendenzen gefallen dir aktuell am meisten?

Ersteres kann ich so pauschal nicht beantworten, dazu ist der College-Bereich zu divers. Was aber auffällig ist: Im letzten Jahrzehnt fand eine gewisse Annäherung statt – und zwar interessanterweise eher von der NFL auf den College Football zu als umgekehrt. Zuvor hatte ich den gegenteiligen Eindruck, dass vermehrt Colleges versuchten, ihre Spieler tauglich fürs NFL-System auszubilden. Doch nun: Spread Offenses, Air Raid-Elemente (sogar ein dezidierter Air Raid-Coach mit Kliff Kingsbury), RPOs. Mittlerweile kann man ja wirklich nicht mehr von einem Pro Style-System sprechen. Was soll das genau sein?

Auch in der Defense schaut die NFL gern mal nach neuen Lösungsansätzen im College. So hat bspw. Iowa States DC Jon Heacock einigen Besuch von Head Coaches bekommen, da die an seiner Bear Front/Big Nickel-Defense Interesse hatten, mit der er die explosiven Spread- und RPO-Offenses der Big 12 Conference einigermaßen limitieren konnte.

Genau in dem Bereich finde ich die Tendenzen momentan am spannendsten: 4-2-5 und 3-3-5 Defenses mit drei Safeties, die auf dem Feld umhergeschoben werden können. In diesen Schemes ist gerade sehr viel Innovation zu beobachten, also wie man den einen DB mehr einsetzt, ohne dabei die Run Defense zu vernachlässigen. Insgesamt haben die Verteidigungen die RPO-Offenses in den vergangenen zwei Saisons wieder ein wenig eindämmen können – was allein deswegen eine Mammutaufgabe war, da sich im College die O-Liner bei Passspielzügen ja drei Yards über die Line of Scrimmage bewegen können und daher viel länger Unklarheit für die Verteidigungen herrscht, ob nun der Lauf oder der Pass kommt.

In der Offense bin ich am meisten an jeglichen Option-Varianten interessiert. Ich finde den Ex-Coastal Carolina und nun Liberty HC Jamey Chadwell nicht besonders sympathisch, seine Offense ist dagegen zum Zunge schnalzen. Mal schauen, ob sich da noch ein Trend herauskristallisiert, glaube ich aber nicht unbedingt dran. Dennoch: Genau diese einzigartigen Herangehensweisen und Experimente machen den College Football eben auch aus.

Wir gehen gleich direkt ein bisschen tiefer in die Materie. Eines der Hauptthemen vor der aktuellen College-Saison war das NIL-Agreement. Im Zentrum dessen stand die Rückgewinnung von Entscheidungsfreiheiten der Spieler über die Vermarktung ihres Bildnisses. Colleges profitierten jahrelang von der kostenfreien Kommerzialisierung ihrer Spieler, nun führte, aufgrund verschiedener Gesetzeslagen in den einzelnen Staaten, eben dieses Agreement zu einer Teilzersetzung bisheriger Transferpolitiken. In der Rückschau: wie sehr hat NIL den College-Betrieb beeinflusst? (Stichwort Transfer Portal) Wird die College-Landschaft gerade einer langfristigen Transition hin zum Profitum unterworfen? Was ist anders als vorher und welche Vor- und Nachteile dieses Systems kannst du ausmachen?

Das ist ein riesiger Themenkomplex, den ich hier nicht in Gänze abarbeiten kann. Momentan findet eine riesige Umwälzung statt, von der wir weder das Ende noch das Ergebnis absehen können. Ich glaube, dass das in fast jede Richtung gehen kann. Wenn wir in 15 oder 20 Jahren zurückschauen, werden wir wahrscheinlich feststellen, dass wir das so nicht haben kommen sehen.

NIL und Transfer Portal waren überfällig, damit die Spieler mehr Freiheiten bekommen. Man konnte ja niemandem erzählen, dass Head Coaches viele Millionen pro Jahr bekommen und beliebig hin- und herwechseln können, aber die Spieler – mit denen die Unis Millionen verdienen – nur ihr Stipendium erhalten und ziemlich stark an ihr College gefesselt sind.

Nur: Momentan erleben wir eine ziemlich deregulierte Collegesport-Landschaft, in die der Markt massiv eingefallen ist. Spieler werden mit NIL-Deals geködert (man könnte fast sagen: verpflichtet), Stipendien gelten kaum noch das Papier, auf dem sie ausgehändigt wurden. Man frage nur mal bei Colorado nach, wo Deion Sanders als neuer Head Coach erstmal dem versammelten aktuellen Team nahegelegt hat, doch lieber ins Transfer Portal zu gehen und sich eine neue sportliche wie akademische Heimat zu suchen.

Die Schere zwischen großen und kleinen Programmen hat eh schon stark zugenommen im vergangenen Jahrzehnt und wird das wohl noch weiter tun. Ich befürchte aktuell ein wenig, dass sich das auf die Spieler übertragen wird. Die großen Namen profitieren definitiv erheblich (und das ist auch gut so), die Unbekannteren verlieren aber womöglich ihre bisherigen Sicherheiten. Hier müsste eingegriffen werden.

Doch wie gesagt: Wir können gerade kaum zwei Jahre in die Zukunft schauen.

Wer sich noch für eine längere Einschätzung zum Transfer Portal interessiert, schaue einfach auf meinem Blog vorbei. Ganz aktuell: https://tripleoptionblog.wordpress.com/2022/12/11/transfer-portal-diskussion-und-erstes-roundup/

Die aktuelle Saison sorgt wieder für einige Überraschungen. So werden wir aktuell Zeugen einer kleinen „Kurskorrektur“. Top-Unis wie Alabama gelten nicht mehr als unschlagbar. Ein weiteres Beispiel: Texas A&M. Es kriselt. Andererseits haben wir, ähnlich wie im letzten Jahr, einige Überraschungen in den Top 25. Beispiele? Tulane, NC State, TCU on top… Was sind die Gründe dafür? Und was hältst du vom Ranking System im CFB, Stichwort Press/Coaching Polls?

Die Gründe für jedes einzelne Team kann ich dir jetzt nicht aufzählen. Von einer Kurkorrektur würde ich aber nur bedingt sprechen: Alabama hat letztlich nur eine Niederlage mehr als in den vergangenen regulären Saisons, hat halt dieses Jahr knapp nicht für die Playoffs gereicht.

TCU hat halt diese eine Saison gehabt, in der fast alles zusammenlief – zumindest bis zum Big 12 Championship Game. So viele Comebacks und Zittersiege erlebst du ganz selten. Ich befürchte, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Horned Frogs-Fans aufgrund von wiederholten Herzinfarkten verblichen ist. Max Duggan muss wirklich Eis in den Venen haben.

Ein Überraschungsteam kann es immer mal geben (siehe letzte Saison Cincinnati), dennoch werden die Spitzenplätze grundsätzlich bei den Big Playern bleiben. Das wird umso klarer, wenn man sich die Playoffteilnehmer der vergangenen Jahre vor Augen führt.

Gegen das alte Polls-System von Journalisten und Coaches habe ich nichts einzuwenden, das gehört irgendwie einfach dazu. Letztlich kann man es drehen und wenden, wie man will, aber ein objektives Ranking kann es bei der Menge an Teams und der wenigen Spiele einfach nicht geben. Die BCS-Computer haben seinerzeit auch nicht für mehr Klarheit gesorgt, ganz im Gegenteil.

College Football hat immer eine charmante Unvollkommenheit ausgezeichnet. Ich weiß nicht, ob die zwanghaften Versuche einer Vereinheitlichung so sinnhaft sind, doch das werden viele anders sehen.

Welche Teams gefallen dir in dieser Saison am besten und warum? Welche Spiele sollten College Football-Laien diese Saison noch schauen?

Kann ich schwer sagen: Hab mich über den krassen Turnaround von Tulane und da insbesondere HC Willie Fritz gefreut, der seinerzeit bei Georgia Southern eine wirklich sehr kreative Shotgun Triple Option Offense entwickelt hat, die er aber leider nicht mehr spielen lässt. Die Defense der Green Wave war dafür genial.

Washington hat mir sehr gut gefallen, bin eh ein bekennender Michael Penix-Fan der ersten Stunde und freue mich sehr über seine Renaissance. Der Transfer hat ihm sichtlich gut getan, und Kalen DeBoer gehört zu den interessantesten jungen Head Coaches.

Tennessee hat mich mit Hendon Hooker ebenfalls begeistern können. Und so langweilig es klingen mag, dass Georgia nach all den Abgängen die nächste Top-Defense aus dem Hut zaubert, hat mich schon beeindruckt.

Schön wars auch, dass mit TCU und Kansas State zum zweiten Mal in Folge nicht die großen Programme der Big 12 im Championship Game standen. Aber dazu gibts so viele kleine Dinge, an denen ich mich erfreuen kann: Die Offenses von UTSA und Ohio, die so unterschiedlichen Defenses von Illinois und Minnesota etc. pp.

Zu den Spielen: Viele bleiben ja nicht mehr. Die Bowl Season hat massiv gelitten unter den (wohlgemerkt verständlichen) Opt Outs und der sportlichen Entwertung durch die Konzentration auf die Playoffs. Natürlich sind die beiden Halbfinals Georgia-Ohio State und Michigan-TCU sowie das Championship Game ein absolutes Muss, dazu natürlich der Rose Bowl, auch wenn er dieses Jahr am 2. Januar ausgetragen wird, sowie die übrigen New Year’s Six Bowls. Aber schon davor gibt es einige spannende Duelle, unter anderem gleich zu Beginn am Freitag den Cure Bowl zwischen Sun Belt-Champion Troy und Conference USA-Champion UTSA.

Welche drei Teams enttäuschen dich dieses Jahr bzw. von welchen hättest du mehr erwartet?

Natürlich muss man hier zunächst Texas A&M nennen, die trotz eines starbesetzten Rosters völlig implodiert sind. Alles kann man sich halt nicht kaufen. Mittlerweile gibt es dort eine Abwanderungswelle vor allem von denjenigen jungen Spielern zu verzeichnen, die mit lukrativen NIL-Deals geködert wurden.

Weitere Enttäuschungen: Miami, Michigan State, Oklahoma. Von allen dreien hätte man schon eine Ecke mehr erwartet.

Was sind deine Top-3 Headlines/Themen/Takes der aktuellen Saison?

Allesamt leider keine direkten sportlichen Themen, sondern die Zukunft des College Footballs betreffend: Transfer Portal (und die damit verbundenen Chancen eines schnellen Umschwungs für neue Head Coaches), Conference Realignment (bewegen wir uns weiter auf Super-Conferences zu) und Playofferweiterung (Abschied von der regular season in ihrem bisherigen Gewand).

Im kommenden Draft steht eine ganze Reihe an talentierten Quarterbacks zur Verfügung. Neben den bekannten Gesichtern Bryce Young und CJ Stroud fallen auch immer wieder Namen wie Will Levis, Hendon Hooker, Tanner McKee oder Anthony Richardson. Zunächst: welchem QB bescheinigst du die größte Zukunft? Und: worauf achten Pro-Scouts heutzutage bei der Auswahl von College QBs?

Ich habe noch nicht mit dem spezifischen Draftscouting begonnen. Das mag ein wenig nach Nitpicking klingen, aber während der Saison scoute ich erstmal nur für meine College-Previews. Natürlich bemerke ich nebenbei, welche Stärken und Schwächen sich wohl gut auf die NFL transferieren lassen, allerdings ist es noch einmal was anderes, sich mehrere Stunden exklusiv auf einen einzelnen Quarterback zu konzentrieren und dessen Traits so genau wie möglich aus einer Pro-Perspektive zu erfassen.

Ich glaube, dass die letzten Jahre mit Mahomes und Allen (und auch in anderer Hinsicht bspw. einem Lamar Jackson) zu einem sukzessiven Umdenken geführt haben. Mobile Quarterbacks mit Tools bis zur Decke sind gefragt. Natürlich schwingt da ein gewisses Risiko mit, weil sich nicht alle entsprechend entwickeln werden, aber wenn, dann riskiere es lieber bei jemandem, der das Potenzial zum Superstar mitbringt. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass ein Anthony Richardson und – in geringerem Maße – ein Will Levis höher gehen, als ihre Tapes an sich hergeben würden. Auf eine Einschätzung von mir wirst du jedoch noch ein wenig warten müssen.

Weil wir in der RaiderNation derzeit viel darüber diskutieren: Bryce Young oder CJ Stroud?

Für mich schon Young, der mich – Stand jetzt – am meisten überzeugt hat. Man wird stunden- und tagelang über seine Limitationen bei Größe und Frame diskutieren können. Was ihn so einzigartig macht, ist seine schier unmenschliche Pocket Presence. Hat gefühlt Augen im Hinterkopf und sucht bis zur letzten Sekunde Lösungen im Passspiel, ohne eben selber loszurennen. Dieses Trait haben ganz wenige Quarterbacks in dem Ausmaß.

Bei Stroud liegt es leider ein wenig anders, da er in einer guten Pocket gegnerische Defenses auseinanderpflücken kann wie aktuell wohl kein anderer College-Passer, aber wenn du ihn unter Druck bekommst und vom Spot bewegst, wird er doch deutlich ineffektiver. Dennoch weiterhin ein sehr guter Prospect, nur muss er eben an dieser Schwachstelle noch arbeiten.

Du beschäftigst dich ja auch intensiv mit den Youngsters im CFB-Bereich, also mit den High School Transfers. Nachdem Texas den wohl größten Coup mit der Verpflichtung von Arch Manning gelandet hat, würde ich gerne wissen wollen, welche anderen Namen du auf dem Zettel hast, wenn es um mögliche künftige Stars geht, die jetzt erst in ihre College-Karrieren starten!

In den letzten Jahren ist meine Beschäftigung mit dem Recruiting leider ein wenig zurückgegangen. Wie gesagt, das Zeitproblem. Ich hatte mich Ende der 2000er und Anfang der 2010er mal richtig intensiv damit auseinandergesetzt, aber nach ein paar Jahren mehr gemerkt, dass ich von den gelegentlichen Treffern einmal abgesehen (unter anderem einem damals noch unbekannten 3-star namens Lamar Jackson) keine substanziellen Fortschritte gemacht habe. Ich habe viel von einem damaligen Member eines Cornhuskers-Forums gelernt und hätte da wohl noch stärker Zeit und Ressourcen investieren müssen. Irgendwann ist das wieder auf ein normales Maß gesunken, und ich schaue mir primär die bei meinen Teams gehandelten Recruits an.

Ich muss aber eh zugeben, dass ich eh bei mindestens 95% der Menschen skeptisch bin, was ihre Takes zu Highschool-Spielern betrifft. Sehr oft finden sich da bemerkenswerte Übereinstimmungen mit den Scouting Reports der großen Seiten, und komischerweise werden auch fast immer die top-gerankten Recruits gehypt. Da ist die Übereinstimmung noch einmal beträchtlich größer als bei der Draft – und selbst da finde ich sie schon einigermaßen verdächtig.

Ich könnte dir jetzt einfach ein paar der am meisten gehypten Spieler nennen, doch belasse ich es aus einem gewissen Aberglauben bei einem 4-star WR namens Malachi Coleman – einfach weil ich mir unbedingt wünsche, dass er sich doch noch für die Huskers entscheidet.

Verfolgst du auch den High School Bereich? Welche Highschools sind derzeit „en vogue“?

Nein, wirklich gar nicht mehr. In der erwähnten Zeit vor 10-15 Jahren habe ich mir gerne mal die State-Playoffs von Teams angeschaut, in denen Huskers-Recruits spielten, ist halt aber schon eine Weile her. Ich weiß natürlich, dass auch die Highschool-Welt gerade eine Konzentration auf die besten ausbildenden Programme durchmacht (wie bspw. die IMG Academy), genauer befasse ich mich damit aktuell nicht.

Wie stehst du zur NFL? Hast du ein Lieblingsteam und verfolgst du die Saison? Für die RaiderNation: was denkst du über die Raiders? Werden sie sich irgendwann fangen?

Ich verfolge die NFL schon noch intensiv, allein da ich ja ab und an im NFL-Segment der Sofa Quarterbacks auftauche. Die Leidenschaft hat nachgelassen, doch ich sitze weiter jeden Sonntag vor den Bildschirm. Seit den 1990ern habe ich (glaube ich) nicht viel mehr als zwei Handvoll Wochenenden verpasst.

Wie ich oben schonmal schrieb: Ich war absoluter die-hard Bills-Fan und damals auch zwei Mal vor Ort – unvergessliche Erlebnisse. Im Laufe der 2000er und frühen 2010er Jahre habe ich ganz allmählich die Liebe zum Team verloren, keine Ahnung warum genau. Kann ich nicht erklären, war einfach so. Mittlerweile habe ich nicht mal mehr besondere Sympathien, aber ein anderes Team wird dennoch niemals in Frage kommen. Meist verfolge ich daher meine College-Favoriten von den Huskers und Bulls.

Das Erste, was mir zu den Raiders einfällt: AMEEEEEEEEEEEER!

Die Saison ist natürlich fürchterlich enttäuschend verlaufen, überhaupt keine Frage. Die vorher proklamierte AFC Best war dann doch eher biederer Durchschnitt. Ich werde mit McD in meinem Leben nicht mehr warm, obwohl er sicherlich ein gutes Offense Mind ist. Von außen betrachtet wirkt es so, als ob schon wieder zu viel Unruhe im bzw. ums Team ist. Vom Talent und den gezeigten Leistungen müsste der Record eigentlich besser sein. Nützt aber ja nix.

Wer wird dieses Jahr den Super Bowl holen? Und: deine Top 3 NFC und AFC Teams!?

Die großen Favoriten bleiben Chiefs und Bills, momentan sehe ich die Chiefs in etwas besserer Form, doch das kann sich auch schnell wieder ändern.

Top-Teams meinst du jetzt Leistung und nicht Sympathie? Dann AFC: Chiefs, Bills, Bengals (mit einem fitten Lamar würde ich aber immer noch ein wenig an die Ravens als Darkhorse glauben). NFC: Eagles, Cowboys, 49ers. Vielleicht gewinnt ja mein anderer großer Hero Suuuuuuh mit den Eagles noch einen zweiten Ring?

Was möchtest du gerne noch loswerden bzw. unseren LeserInnen mitgeben? Und letzte Frage: wie stehst du zur Deutschen Bahn? 😉

Ich glaube ich hab schon viel zu viel geschrieben. Wer mit College Football noch nicht so viele Berührungspunkte hatte, schaut ruhig mal in die Bowl-Spiele rein (und natürlich in die Halbfinals, nur liegen die terminlich leider sehr ungünstig am Silvesterabend). Wer Fragen hat, kann mich jederzeit bei Twitter kontaktieren.

Zum Abschluss hast du natürlich noch die heißeste Frage rausgekramt. Ich wunder mich ein wenig, welche Reichweite meine Beschwerden über die Bahn schon genommen haben. Als Pendler muss man da halt – gerade in letzter Zeit – einiges durchmachen. Doch das werde ich hier jetzt nicht weiter ausführen…

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